Sobald der letzte Glühwein auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt ausgeschenkt ist, beginnt das große Aufräumen. Mit welchen Problemen hat man dieses Jahr zu kämpfen? Eine Reportage.
Gegen 20.30 Uhr an diesem Sonntag leert sich der Weihnachtsmarkt bereits spürbar. Es riecht noch nach Glühwein und Punsch, süß und schwer liegt der Duft in der kalten Luft. Am Eingang zur Schulstraße sitzt ein Trommler, sein Rhythmus hallt über den Platz, während der Stuttgarter Marktplatz in warmes, weihnachtliches Licht getaucht ist. An den Stehtischen trinken Menschen die letzten Schlucke aus ihren Tassen, ziehen Schals enger, verabschieden sich.
Keine Lebensmittelverschwendung
Am Stand von Dock Snyder liegen nur noch vereinzelte Würstchen auf dem Grill. Was hier noch brutzelt, ist bewusst kalkuliert. „Wir schauen zuerst, dass wir auf null rauskommen, dass nicht so viele Lebensmittel übrigbleiben und nichts weggeschmissen werden muss“, sagt Johanna Höpfler.
Sobald sich der Stuttgarter Weihnachtsmarkt dem Ende neigt, geht das große Aufräumen los. Dabei gibt es viel zu tun. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone/Lichtgut/Ferdinando Iannone
Während sich das Team freundlich unterhält, beginnen nach dem offiziellen Schließen die routinierten Handgriffe: Flächen werden abgewischt, Zangen zur Seite gelegt, Eimer bereitgestellt. „Danach wird sehr viel geputzt“, sagt Höpfler. Erst drinnen, dann draußen, damit alles wieder picobello aussieht, wenn die erste Schicht um 9.30 Uhr anrückt.
Dass diese Spätschichten dazugehören, wird hier nicht diskutiert. Die Arbeit mache ihr auch zu dieser Uhrzeit Spaß. Am Ende bleibt gelegentlich noch ein kleiner Bonus: „Manchmal darf man Essen mit nach Hause nehmen – ja, dann halt hauptsächlich Wurst.“
Aufräumen ist Pflichtprogramm
Ein paar Meter nebenan, vor der Wurst Bude, kehrt Tiberio Spedicato, 19 Jahre alt, den liegen gebliebenen Müll zusammen. Pappteller, Servietten, Becherreste. Den Job an der Bude macht er, um sich noch ein bisschen Geld dazuzuverdienen, bevor er im März seine Ausbildung bei der Bundespolizei beginnt. Er hat schon auf dem Cannstatter Volksfest in der Bude gearbeitet, die Abläufe sitzen. „Abends putzt jeder Stand selbst. Das dauert ungefähr eine halbe Stunde“, sagt er, während er das Aufgesammelte sorgfältig in den Mülleimer befördert.
Kurz nach 21 Uhr, wenn er seinen Job erledigt hat und nach Hause fährt, ist kaum noch jemand auf dem Platz. „Im Vergleich zum Wasen gibt es hier deutlich weniger Betrunkene“, sagt Spedicato. „Die Leute kommen wegen des Weihnachtsmarkts und betrinken sich nicht so arg. Natürlich gibt es die einen oder anderen, für die das nicht gilt, aber die können sich benehmen.“
Müll, Tassenklau und Falschgeld
Im Handumdrehen schließen die ersten Stände ihre Fenster. Manche sichern ihre Buden mit mehreren Schlössern. Nun ist auch das Trommeln restlos verstummt. Der Stand der Stuttgarter Sportförderung nahe der Rathauspassage wirkt bereits blitzblank. Luis Vochezer, FSJler bei der GES, hat gerade die letzten Becher durch die Spülmaschine geschickt. „Alles wird abgewischt. Alle Becher werden noch einmal durchgespült“, sagt er, während er das saubere Geschirr aufräumt. Auch die Zapfhähne werden gereinigt, das Geld gezählt und weggebracht.
Ein Blick auf die überfüllten Mülleimer zeigt, dass es ein gut besuchter Tag war – oder dass die Müllsituation ausbaufähig ist. „Die Tische sind abends sehr dreckig, es bleibt viel Müll liegen“, erzählt sein Kollege Philipp Collmar, der im dritten Jahr freiwillig am Stand mithilft. „Es gibt eindeutig zu wenige Mülleimer, die sind oft komplett überfüllt.“
Müll ist und bleibt Thema auf dem Weihnachtsmarkt. In rauen Mengen. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone/Lichtgut/Ferdinando Iannone
Ein Umstand, der den beiden Jungs außerdem negativ aufstößt, ist, der sich wiederholende Tassenklau: „Wir beobachten immer wieder organisierte Gruppen, die am späten Abend Tassen von den Tischen klauen und versuchen, diese für Pfand wieder abzugeben. Die dürfen wir aber nicht zurücknehmen.“
Auch beim Abkassieren ist Aufmerksamkeit gefragt. „Falschgeld kommt immer wieder vor, vor allem 20-Euro-Scheine“, sagt Collmar. Größere Scheine würden genauer geprüft, besonders bei ruhigerem Betrieb. Wenige Minuten später wird ein 50-Euro-Schein tatsächlich noch einmal unter die Lupe genommen, bevor ein letzter Glühwein über den Tresen geht.
Kaum Ausschreitungen in diesem Jahr
In leuchtender Sicherheitskleidung ziehen zwei Mitarbeiter ihre Runde über den inzwischen fast leeren Platz. Sie kommen gerade vom Infostand. „Da haben wir kurz übernommen, damit die Kollegin schnell auf die Toilette gehen konnte“, sagt Momo G., Mitarbeiter einer Stuttgarter Sicherheitsfirma. Seine Arbeitszeiten variieren. „Ich fange meistens um 18 Uhr an und arbeite drei bis vier Stunden. Manche arbeiten auch acht Stunden durch – das ist bei der Kälte schon heftig“, erzählt er mit nebligem Atem.
Nach Schluss gehe alles ganz schnell. „Die Standbetreiber wollen nach Hause, sie sind müde und durchgefroren.“ Vor allem sonntags sei die Situation deutlich ruhiger: weniger Besucher, weniger Betrieb, kaum alkoholisierte Gäste. Insgesamt gebe es in diesem Jahr wenig Ärger. Probleme mit Betrunkenen seien selten. „Vielleicht vereinzelt am Wochenende, aber insgesamt wenig.“ Auch abseits davon bleibe die Lage ruhig, größere Auseinandersetzungen habe es nicht gegeben. Dazu trage auch die durchgehende Präsenz von Polizei und Security bei, die rund um die Uhr auf dem Platz unterwegs sind. Das größte Thema seien Bettler. „Man schickt sie an einem Ort weg, und kurze Zeit später tauchen sie an einem anderen wieder auf. Das ist manchmal etwas nervig, aber insgesamt bleibt die Situation ruhig.“
Wenig später ist der Marktplatz fast leer. Vereinzelt leuchtet noch ein Sternchen über einem Stand, irgendwo klappert eine letzte Metalltür. Alles ist vorbereitet für den nächsten Tag.