Der Meidericher Spielverein (MSV) ist 123 Jahre alt. Er war 1963 Bundesliga-Gründungsmitglied und wurde in der ersten Saison gleich Zweiter. Der MSV Duisburg hat mit Unterbrechungen insgesamt 28 Jahre in der Bundesliga gespielt und steht in der Ewigen Tabelle immer noch auf Platz 17. Er stand viermal im Finale des DFB-Pokals und hat dreimal im Europapokal gespielt. 1979 erreichte der MSV im Uefa-Cup das Halbfinale.
Die wegen ihrer gestreiften Trikots auch „Zebras“ genannten Duisburger spielen gerade erstmals in ihrer Geschichte nur in der vierten Liga. So richtig traurig ist darüber in der Stadt aber mittlerweile niemand mehr, im Gegenteil: Zu den Heimspielen kommen so viele Zuschauer wie seit sieben Jahren nicht mehr – damals noch in der zweiten Liga.
Als der ruhmreiche MSV nun am Freitagabend im Auswärtsspiel bei Gladbach II die Rückkehr in die dritte Liga perfekt machte, standen auf der Südtribüne des Borussia-Parks etwa 16 000 MSV-Fans. So viele mitgereiste Gäste-Anhänger hat es in einem Regionalliga-Spiel in Deutschland noch nie gegeben. Über die Saison, den vermeintlichen Tiefpunkt in der Duisburger Fußball-Historie, sagt der MSV-Geschäftsführer Michael Preetz: „Letztlich ist es ein unfassbar tolles Jahr.“
Was in dieser Saison in Duisburg am westlichen Rand des Ruhrgebiets passiert, ist ein Phänomen. Nach dem tränenreichen Absturz ihres Vereins in die Niederungen des Profifußballs haben sich die Fans nicht abgewendet, sondern ihre Liebe zum Klub und zum Fußball ganz neu entdeckt. In der vierten Liga kamen bislang zu jedem Duisburger Heimspiel im Schnitt 16 340 Menschen. Das sind mehr Zuschauer als bei den Erstligisten Heidenheim und Kiel, mehr als bei sechs aktuellen Zweitligisten und mehr als bei 15 Drittligisten.
Das Phänomen Duisburg zeigt: Der Fußball braucht nicht unbedingt eine Champions-League-Hymne und lauter Weltstars. Die Helden des Duisburger Fußballs heißen Patrick Sussek, Malek Fakhro und Alexander Hahn. Der Aufstiegstrainer heißt Dietmar Hirsch. Die Gegner hießen unter anderem Eintracht Hohkeppel, 1. FC Bocholt und SC Paderborn II.
Auch der Manager Michael Preetz wurde von der Emotionalität der Stadt eingefangen
Als Geschäftsführer amtiert beim MSV seit 15 Monaten Michael Preetz. Der 57-Jährige war früher Fußballprofi und später Manager beim Berliner Big-City-Klub Hertha BSC. Obwohl gebürtiger Düsseldorfer und einst als Spieler auch kurz beim MSV aktiv, erweckte Preetz zu Beginn seiner Zeit in Duisburg nicht unbedingt den Eindruck, als wolle er sich beim MSV länger einrichten. Doch dann haben sich die Dinge anders entwickelt, Preetz wurde von der Emotionalität in der Stadt eingefangen. Die Saison war noch jung, als er die unerwartete Euphorie der Menschen bereits so erklärte: „Wenn ein Punkt null erreicht ist und alle das Gefühl haben, noch tiefer kann’s nicht gehen – dann setzt oft ein großer Solidarisierungseffekt ein.“
Fußball kann im Kleinen genauso gut funktionieren wie im Großen. „Jetzt wollen wir das Double!“, rief der Spieler Mert Göckan am Freitagabend. Gemeint ist nach der Meisterschaft in der Regionalliga West auch der Gewinn des niederrheinischen Landespokals im Endspiel gegen Rot-Weiss Essen am 24. Mai. Damit würde der MSV Duisburg ein ganz besonderes Jahr in seiner Geschichte krönen.