Vor fünf Monaten wurden die Personalchefin und ihr Chef auf einem Coldplay-Konzert von der Kiss-Cam eingefangen. Das Video sorgte weltweit für Aufsehen. In der „New York Times“ spricht sie nun über den Abend, der ihr ganzes Leben veränderte.

Kristin Cabot hat entschieden, nicht länger zu schweigen. „Es hilft mir nicht“, sagt die 53-Jährige rund fünf Monate nach dem für sie folgenschweren Coldplay-Konzert im Juli dieses Jahres.

Damals war die frühere Personalchefin des Unternehmens Astronomer auf der Stadionleinwand eng mit ihrem damaligen Chef, dem CEO Andy Byron, zu sehen – ein Video, das binnen weniger Tage allein auf TikTok 100 Millionen Aufrufe erreicht hatte.

„Ich will, dass meine Kinder wissen, dass man Fehler machen kann, dass man richtig Mist bauen kann. Aber man sollte nicht mit dem Tod bedroht werden“, wird sie in einem großen Porträt in der „New York Times“ zitiert.

Den Moment, als sie von der Kiss-Cam eingefangen wurde, beschreibt sie wie folgt: „Es war, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Was Sekunden zuvor ‚Freude, Freude, Freude‘ war, schlug schlagartig in Angst um“.

In diesem Augenblick habe sie gedacht: Andrew Cabot – ihr damals bereits getrennt lebender Ehemann – sei irgendwo im Stadion, und: „Andy ist mein Boss.“ Sie sei „so beschämt und so entsetzt“ gewesen: „Ich bin die Chefin der Personalabteilung, und er ist der CEO. Das ist so klischeehaft und so schlimm.“

Nur Stunden später bekam sie nach eigener Aussage bereits Panikattacken in ihrer Wohnung. Gegen vier Uhr morgens habe sie einen ersten Screenshot des TikTok-Videos erhalten – und begriffen, „dass nicht nur Andrew und der Aufsichtsrat das jetzt wissen werden“.

Ihre Privatadresse wurde im Internet veröffentlicht, ihre Telefonnummer auch. Unbekannte hätten sie Hunderte Male am Tag angerufen, sie erhielt dutzende Morddrohungen. Autos fuhren langsam durch ihre Straße, Paparazzi warteten vor ihrem Haus. Ihre Kinder bekamen Angst, das Haus zu verlassen. „Meine Kinder dachten, ich werde sterben. Und sie auch.“

„Ich habe eine schlechte Entscheidung getroffen und unangemessen mit meinem Chef getanzt“, stellt sie in dem Artikel weiter klar, „Ich habe die Verantwortung übernommen und meine Karriere dafür aufgegeben“, sagt sie.

In den Tagen danach brach für sie alles zusammen – nicht nur beruflich, sondern auch privat. Fremde beschimpften sie an der Tankstelle, eine Bekannte machte am Pool Fotos von ihrer Tochter. Freunde und Kollegen meldeten sich nicht mehr. „Wenn Menschen mir den Rücken kehren, ist das schlimmer als die Frauen an der Tankstelle, die mich anschreien.“

Ganz besonders traf Cabot nach eigenen Angaben, dass die schärfste Kritik von Frauen gekommen sei. „Was ich in den letzten Monaten gesehen habe, erschwert es mir zu glauben, dass es nur die Männer sind, die uns klein halten. Ich denke, wir machen uns selbst enorm klein, indem wir uns gegenseitig fertig machen.“

Astronomer gilt als wachstumsstarkes KI-Startup mit einem Marktwert von rund 1,1 Milliarden Euro. Byron leitete das Unternehmen von Juli 2023 bis Juli 2025.

rct