Brüssel (Belgien) – Einigung in der Nacht zu Freitag! Die Staats- und Regierungschefs der EU haben der Ukraine nach stundenlangen, dem Vernehmen nach auch harten Verhandlungen in Brüssel weitere Finanzhilfen in Milliardenhöhe zugesagt. Allerdings werden dafür vorerst keine eingefrorenen russischen Vermögenswerte verwendet. Die Option bleibt aber bestehen.
„Die Entscheidung, der Ukraine für den Zeitraum 2026-27 Unterstützung in Höhe von 90 Milliarden Euro zukommen zu lassen, wurde genehmigt“, schrieb der Präsident des Europäischen Rates, António Costa (64), um 2.56 Uhr deutscher Zeit auf X. „Wir haben unser Versprechen gehalten.“
▶︎ Was heißt das genau?
So funktioniert die 90-Milliarden-Hilfe für die Ukraine
24 von 27 EU-Ländern (Ausnahme: Tschechien, Ungarn, Slowakei) werden über die Kommission gemeinsame Schulden in Höhe von 90 Milliarden Euro aufnehmen, die durch den EU-Haushalt abgesichert sind. Dieses Geld wird der Ukraine in den nächsten zwei Jahren als Darlehen zur Verfügung gestellt. Für die Rückzahlung gilt: Entweder Russland bezahlt an Kiew Reparationen und die Ukraine zahlt den Kredit zurück. Oder: Die Option, doch noch auf die eingefrorenen russischen Vermögenswerte zuzugreifen, kommt wieder ins Spiel.
Nachteil des neuen Mechanismus, der nach Angaben der EU-Diplomaten erst in den Gipfel-Verhandlungen entwickelt wurde: die laufenden Kredit-Zinsen. Wer die zahlt, ist vorerst unklar.
„Gute Nachricht für die Ukraine“: Kanzler Merz (70, CDU) betonte bei der abschließenden Pressekonferenz die positiven Seiten des neuen Ukraine-Deals, die jedoch nur Elemente seines Ursprungsplans aufgreift
Foto: Michael Kappeler/dpa
Merz: Russisches Geld bleibt eingefroren
Auch Bundeskanzler Friedrich Merz meldete sich zu Wort. In einem schriftlichen Statement erklärte er: „Das Finanzpaket für die Ukraine steht. Wie von mir gefordert erhält die Ukraine einen zinslosen Kredit über 90 Milliarden Euro. Diese Mittel reichen aus, um den militärischen Bedarf und den Bedarf beim Haushalt für die nächsten zwei Jahre zu decken. Dieses Signal ist entscheidend, um den Krieg zu beenden, denn Putin wird erst einlenken, wenn er begreift, dass sich sein Krieg nicht lohnen wird.“
Er stellte außerdem klar: Die Ukraine muss den EU-Kredit erst zurückzahlen, wenn sie die Entschädigung Russlands erhalten habe. Der Kanzler weiter: „Wir behalten uns ausdrücklich vor: Sollte Russland keine Entschädigung leisten, werden wir – in völliger Übereinstimmung mit dem Völkerrecht – die russischen Vermögenswerte für die Rückzahlung heranziehen.“
Man habe damit die Reihenfolge der Finanzierung vertauscht, sagte Merz in einer Pressekonferenz in Brüssel in der Nacht zu Freitag.
Warum wird das Russen-Geld nicht schon jetzt verwendet?
Die direkte Nutzung der russischen Staatsvermögen hat sich laut dem Kanzler in den sechsstündigen Beratungen in Brüssel als zu kompliziert erwiesen. Auf der PK kündigte er außerdem an, dass die 90 Milliarden Mitte Januar bereitstehen. Die Schuldenaufnahme über die EU belastet nicht den Haushalt in Deutschland, betonte er.
Mehr zum ThemaKanzler: USA sollen Druck auf Putin erhöhen
Für US-Präsident Donald Trump (79) und seine Chefunterhändler hatte Merz folgende Botschaft: Er hoffe, dass auch die USA den Druck aufrechterhalten, um Kreml-Herrscher Wladimir Putin (73) an den Verhandlungstisch zu bringen.
▶︎ Das Fazit von Merz nach den Verhandlungen in Brüssel: „Gute Nachricht für Ukraine, ziemlich schlechte für Russland.“
Meloni setzt bei Mercosur-Abkommen Aufschub durch
Auch die zweite große Entscheidung des EU-Gipfels endete entgegen der vorher verkündeten „Entweder heute oder nie“-Zwänge mit einem Aufschub auf den Januar: das Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten (u.a. Brasilien, Argentinien).
Italien-Regentin Giorgia Meloni (48) will noch an den Schutzklauseln für die heimischen Landwirte feilen, trotzte dafür Brasilien-Präsident Lula da Silva (80) einen Aufschub bis Mitte Januar ab. Heißt: Die geplante Unterzeichnung des in 26 Jahren ausgehandelten Abkommens an diesem Wochenende fällt aus. Trotzdem überwiegt die Erleichterung, dass die Italienerin voraussichtlich einlenkt.
Fazit: Das war ein Gipfel unter dem Motto: „Aufschieberitis Brüsseler Art“.