Einem Mann namens Johannes Albertus Bengelius gehörte einst das mit einem verzierten Ledereinband versehene Büchlein, das der Theologe Philipp Melanchthon im Jahr 1543 verfasste. Dieser hielt darin seine Gedanken über den Propheten Daniel fest und betitelte sein Werk schlicht mit „Commentario“.
Wie das Buch in die Hände von Johannes Albertus Bengelius gelangte, ist nicht bekannt. Lediglich die Jahreszahl „1725“ ist neben seinem Namen im Einband vermerkt. Nachvollziehen lässt sich auch, dass ein weiterer Besitzer des Buches Wilhelm Gmehling hieß. Sein Name ist im Einband jedoch ebenso durchgestrichen, wie die schwer zu entziffernde römische Jahreszahl, die daneben steht.
Beim Ausmisten kam die Idee
Bücher, die aus den Zeiten kurz nach der Erfindung des Buchdrucks stammen, und ihre Geschichten: Das ist der Inhalt einer Ausstellung, die von Dienstag, 29. April, bis zur Finissage am Donnerstag, 5. Juni, im Foyer des Tuttlinger Rathauses zu sehen ist. „Bücherwürmer und Pietisten – Verborgene Schätze“ lautet ihr Titel. Ausrichter ist die Evangelische Kirchengemeinde Tuttlingen.
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Die Idee, eine eigene Ausstellung zu machen, entstand beim Ausmisten: Durch den Verkauf des Gemeindehauses wurde die dortige Gemeindebibliothek aufgelöst. Zwischen vielen „normalen“ und verhältnismäßig neuen Büchern fand sich dort auch manch ein interessantes Objekt, berichtet Anne Schaich, freie Kunsthistorikerin und engagierte Ehrenamtliche in der Kirchengemeinde. Sie wusste zudem, dass auch in einem Archiv-Raum der Stadtkirche diverse historische Bücher lagern. „Warum also nicht einmal eine Ausstellung machen, in der diese Werke gezeigt werden?“, fragte sie sich.
Mit Barbara Heni, Friedhelm Behrendt, Martina Reinbold und Markus Böck fand sie schnell ein Team. Gemeinsam sichteten und sortierten sie in den vergangenen Monaten die Werke. „Das hat viel Zeit in Anspruch genommen“, erzählt sie.
Seitenweise handgeschriebene Notizen im Miniaturformat: Wie intensiv sich vor rund 300 Jahren ein Leser mit diesem Werk auseinandersetzte, findet Anne Schaich besonders faszinierend. (Foto: Sabine Krauss)
Etwa 50, 60 historische Bücher, viele aus dem 16. und 17. Jahrhundert, legten sie nach und nach für die Ausstellung bereit. Dabei sind theologische und kirchenrechtliche Standardwerke oder zeitgenössische Kommentare, wie etwa zum Stand der Religion. Allesamt sind sie eng beschrieben und überwiegend in Latein. „Es ist nicht allerdings so, dass diese Bücher besonders selten sind – es gibt sie in vielen Pfarr- und Kirchenbibliotheken“, weiß Schaich.
So ist sind es auch weniger die Inhalte der Werke, die dem Team für die Ausstellung wichtig waren. Vielmehr sind es die Geschichten rund um die Bücher. Denn ihre einstigen Besitzer hinterließen im Laufe der Jahrhunderte viele Spuren. Nicht nur Namen, Jahreszahlen und Signaturen stehen in den Einbänden – zwischen ihren Seiten finden sich auch Fundstücke wie gepresste Blümchen und Lesezeichen, aber auch unzählige handgeschriebene Notizen ihrer Leser.
Seitenweise handgeschriebene Notizen
Besonders ein Buch aus dem Jahr 1523 fasziniert die Kunsthistorikerin: Zwischen den gedruckten Zeilen über verschiedene Autoren der damaligen Kirchengeschichte stehen in Miniaturformat seitenweise handgeschriebene Notizen eines der früheren Besitzer.
In den Büchern blättern dürfen die Besucher während der Ausstellung allerdings nicht. Sie liegen sicher in verschlossenen Vitrinen. Aber: „Markus Böck hat sich vorgenommen, während des Ausstellungsmonats immer wieder verschiedene Seiten umzublättern“, verrät Anne Schaich. So lohne sich ein Besuch auch mehrfach. Zudem werden auch kopierte Seiten aus den Büchern ausgestellt, die weitere Einblicke in das Innere geben.
Die Ausstellung soll das breite Publikum ansprechen, betont Schaich. „Es ist eine sehr niederschwellige Ausstellung, die auch für Kinder geeignet ist.“
Zur Ausstellung gibt es ein Begleitprogramm mit fünf Veranstaltungen:
Dienstag, 29. April, 18 Uhr: Eröffnung mit Pfarrerin Marie-Luise Karle (Begrüßung) und Bezirkskantor Dmitri Grigoriev (Musik).
Dienstag, 6. Mai, 18 Uhr: Besondere Bücher – „Von Luther bis zum Pietismus“, mit Pfarrer Dr. Matthias Figel.
Samstag, 17. Mai, 10 Uhr: Talkrunde „Buch und Religion – Aspekte einer Beziehung“ mit Dekan matthias Koschar, Pfarrer Torsten Kramer aus Trossingen und Christoph Heppeler vom Freilichtmuseum Neuhausen.
Donnerstag, 22. Mai, 18 Uhr: „Auf den Spuren der Leser: Wer hat die Blume ins Buch gelegt?“ mit Dr. Anne Schaich.
Donnerstag, 5. Juni, 18 Uhr: Finissage mit Musik von Ron Höllein (Drehleiter) und Angela Ambrosini (Schlüsselfidel), Studenten „Alte Musik“ an der Musikhochschule Trossingen.
Manche der historischen Bücher sind bebildert, doch das war im 16. und 17. Jahrhundert eher selten der Fall. (Foto: Sabine Krauss)