Armes München. Wer sich einen Nachmittag lang mit Ivar in den Lieferwagen setzt und ihn bei seiner Tour begleitet, erlebt eine andere Stadt. Jenseits von Prachtbauten in der Maxvorstadt, schicken Restaurants in Bogenhausen oder dem Glamour Grünwalds.
An einem nebeligen Dezembertag steuert Ivar Viertel im Norden Münchens an, parkt seinen Lieferwagen vor wuchtigen Wohntürmen, die in ihren dunklen Fluren drei Aufzüge brauchen, um die vielen Bewohner in einigermaßen angemessener Geschwindigkeit auch in die oberen Stockwerke zu bringen. Er hält vor schmucklosen Häusern in Allach oder anonymen Neubau-Würfeln im Theresienpark.
Alle Adressen, die Ivar ansteuert, haben eines gemeinsam: Dort wohnen Menschen, deren geringes Einkommen kaum bis zum Monatsende reicht. Ivar aber bringt ihnen nun ein Geschenk, voll mit Köstlichkeiten aus dem Sortiment des Vollcorner-Biomarktes. 3000 dieser Lebensmittelpakete werden in der Zentrale des Unternehmens auf der Theresienhöhe jedes Jahr in Kooperation mit SZ Gute Werke, dem Spendenhilfswerk der Süddeutschen Zeitung, gepackt und ausgeliefert.
Das Packteam vom Vollcorner-Bio-Supermarkt. 3000 Pakete füllen sie in diesem Jahr mit hochwertigen Lebensmitteln für bedürftige Menschen in München. (Foto: Robert Haas)
Seit drei Jahren fährt Ivar die Gute-Werke-Tour. Je nach Entfernung schafft er am Tag 20 bis 40 Adressen. „Manchmal ist es sehr traurig, was ich sehe“, sagt er und hält wie zur Bestätigung an der ersten Station. Er holt ein Packerl aus dem Laderaum, läuft in einen Hinterhof, klingelt, wartet auf den Summer und tritt in den modrig riechenden Flur. Im ersten Stock öffnet eine Frau in einem weißen Kittel. Vielleicht hat man sie gerade aus dem Mittagsschlaf geholt, vielleicht ist sie auch aus gesundheitlichen Gründen der Welt entrückt. Ivar stellt ihr das Päckchen in den Flur. „Mit herzlichen Grüßen von der Süddeutschen Zeitung“, sagt er. Die Frau antwortet mit dünner Stimme: „Danke“ und schließt die Tür.
Oft sind es alte, manchmal aber auch junge Menschen, die nur das Nötigste zum Leben haben. Krankheit, Schicksalsschläge, gebrochene Biografien, es gibt viele Gründe, warum Menschen aus der Bahn geraten. Ivar stoppt an der nächsten Adresse auf seiner Liste. Sechs Pakete sind in einem Wohnblock auszuliefern. Ivar hievt sie auf seine Sackkarre und ärgert sich an den Klingelschildern kurz, dass diese nicht nach Etagen sortiert sind. „Ich weiß auch nicht, was sich die Bauingenieure dabei gedacht haben“, grantelt er. Im dritten Stock wird er fündig. Ein junger Mann, keine 30, blonde Haare, gepflegtes Äußeres, öffnet die Tür. Er nimmt das Paket entgegen und bedankt sich höflich: „Das freut mich sehr.“ Er nimmt auch gleich noch das Paket für die Nachbarin an, die nicht zu Hause ist. „Das mache ich sehr gerne“, sagt er.
Drei Türen weiter ein anderes Bild. Der junge Mann, der öffnet, ist nur mit einer Unterhose bekleidet. „Sorry, ich bin krank, mir geht’s nicht so gut“, murmelt er, nimmt das Paket und verschwindet wieder in seinem Appartement.
Wer nicht zuhause ist, dem legt Ivar das Päckchen vor die Tür und schützt es mit der Fußmatte obendrauf. (Foto: Karin Kampwerth)
Zurück zum Lieferwagen. Ivar notiert nach jeder Lieferung, wen er persönlich angetroffen und ob er das Paket bei Nachbarn abgegeben oder vor der Tür abgestellt hat. Da legt er dann vorsichtshalber die Fußmatte drauf, damit die Nachbarn nicht gleich sehen, welche Kostbarkeit auf den Empfänger wartet.
In jedem Paket stecken 38 verschiedene Artikel, berichtet Carolin Rebenstock, die bei Vollcorner verantwortlich für das Gute-Werke-Projekt ist. 14 Kilo Bio-Produkte kommen dieses Jahr zusammen. Darunter Tütensuppen, Konservendosen, Plätzchen, Schokolade, Streichwurst, Nudeln, Basmatireis – sogar ein Tee mit dem Namen „Seelentröster“. Alle Artikel werden persönlich von Sandra Geisler, geschäftsführende Vorständin von SZ Gute Werke, und ihrer Mitarbeiterin Sandra Schneider ausgesucht, sagt Rebenstock. Bevor die Pakete dann in Ivars Lieferwagen geladen werden, kommt noch ein Herz-Aufkleber mit dem Logo von SZ Gute Werke drauf.
Man mag sich nun fragen, ob es nicht besser wäre, den Geldwert für die hochwertigen Lebensmittel zu nehmen und in die doppelte Menge an Produkten aus dem Discounter zu investieren? Ivar schüttelt entschieden den Kopf. Die Leute kaufen immer im Lidl oder beim Aldi. Aber mal ein Glas Honig für acht Euro zu bekommen, das sie sich niemals selber leisten können, das ist was ganz Besonderes. Das bestätigt der freundliche Herr mit den lustigen Augen, die ein klitzekleines bisschen feucht werden, als er sein Paket vor sich sieht. „Ich bin total perplex“, sagt er und strahlt über das ganze Gesicht. „Vielen, vielen Dank dafür. Da habe ich an Weihnachten mal was richtig Gutes.“ Genau so soll es sein.
So können Sie an SZ Gute Werke spenden
Wer Menschen, die in Not geraten sind, helfen will, wird um ein Geldgeschenk gebeten, Sachspenden können leider nicht entgegengenommen werden.
Bareinzahlungen sind im neuen SZ-Servicepunkt, im Kaufhaus Ludwig Beck am Marienplatz, Eingang Dienerstraße, 1. OG, möglich. Es ist von Montag bis Freitag jeweils von 10 bis 18 Uhr geöffnet.Sicher online spenden können Leser im Internet unter www.sz-gutewerke.de.
Überweisungen sind auf folgendes Konto möglich:HypoVereinsbank
IBAN: DE04 7002 0270 0000 0822 28
BIC: HYVEDEMMXXX
Spenden sind steuerlich abzugsfähig; bis zu einem Betrag in Höhe von 300 Euro reicht der vereinfachte Nachweis. Bei Spenden in Höhe von mehr als 300 Euro senden wir Ihnen die Spendenbestätigung zu, sofern auf der Überweisung der Absender vollständig angegeben ist.Jede Spende wird ohne Abzug dem guten Zweck zugeführt. Alle Sach- und Verwaltungskosten trägt der Süddeutsche Verlag.