Leipzig. Freie Fahrt auf der Prager Straße. Nach neunmonatiger Bauzeit ist der Abschnitt An der Tabaksmühle bis Friedhofsgärtnerei für Autos freigegeben, bereits seit Ende November fahren die Straßenbahnen wieder.
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Neben der Erneuerung der Fahrbahnen auf rund 900 Meter Länge stand die Vergrößerung des Gleismittenabstands für den Einsatz breiterer Straßenbahnen im Fokus. Nach Fertigstellung der Zeppelinbrücke 2027 könnten diese nach der 16 auch auf der Straßenbahnlinie 15 zum Einsatz kommen.
Für die Fußgänger und Radfahrer konnten hingegen nicht die besten Lösungen umgesetzt werden.
Thomas Dienberg
Baubürgermeister Leipzig
Während die Autos wieder ungehindert gen Meusdorf rollen, ordnet Baubürgermeister Thomas Dienberg das 12-Millionen-Euro-Projekt ein: „Die wohl schwierigste Baumaßnahme des Jahres wird abgeschlossen. Viele Verbesserungen auf der Straße und in angrenzenden Quartieren sorgen für ein angenehmeres Vorankommen.“ Überschattet wurde das Projekt im Oktober von einem tragischen Unfall, bei dem ein Bauarbeiter starb. Ihm wurde mit einer Schweigeminute gedacht.
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Was bleibt, ist aber auch das Positive. So wurden im Zuge der Maßnahme von Stadt und Leipziger Gruppe die Fahrbahnen grundhaft aus-, vier Bushaltestellen barrierefrei umgebaut, die Ampelanlagen an den Kreuzungen Prager Straße/Kommandant-Prendel-Allee und Tabaksmühle erneuert, die Straßenbeleuchtung ausgewechselt, neue Bäume gepflanzt.

Die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) verlegten neue Fahrleitungen, Bahnstromkabel und Gleise und führten das Rasengleis auf der Prager Straße fort. Die Sperrzeit wurde genutzt, die Wendeschleife in Meusdorf zu erneuern. „Mit der Erneuerung der Gleisanlagen erhalten wir die Leistungsfähigkeit für Kunden auf der wichtigen Ost-West-Verbindung und den Wirtschaftsverkehr ins Zentrum“, ist Toralf Müller, Geschäftsführer Technik und Betrieb der LVB zufrieden.
Mit dem Austausch von rund 400 Metern Trinkwasserleitung, „der Optimierung der Netzstruktur sowie der Erneuerung des Mischwasserkanals sichern wir eine leistungsstarke Ver- und Entsorgung“, nennt Ulrich Meyer, Technischer Geschäftsführer der Wasserwerke einen weiteren Aspekt.
Lösung für Radfahrer und Fußgänger nicht optimal – Baubürgermeister unzufrieden
Baubürgermeister Thomas Dienberg verhehlt allerdings nicht: „Für die Fußgänger und Radfahrer konnten nicht die besten Lösungen umgesetzt werden.“ Der Baubürgermeister bekennt: „Für mich ist das unbefriedigend“ und spielt auf kontroverse Auseinandersetzungen im Vorfeld an. Ziel der Verwaltung sei es gewesen, allen Verkehrsarten jeweils separate Spuren zuzuordnen. Der Stadtrat sah es anders.
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Der Kfz-Verkehr rollt nun weiter auf vier Spuren – Markierungen auf der Straße gibt es wegen der ungenügenden Fahrbahnbreite nicht, der Radverkehr wird stadtauswärts auf einem gemeinsamen Geh- und Radweg geführt. Die vom Stadtrat zur Prüfung beauftragte Variante, die Hecke zugunsten von mehr Platz für Fuß- und Radweg zu versetzen, fiel beim Denkmalschutz durch. Stadteinwärts steht Radfahrern zwischen Friedhofsgärtnerei und Kommandant-Prendel-Allee ein separater Weg zur Verfügung. An der Kreuzung Prager Straße/Kommandant-Prendel-Allee wird der Radverkehr auf der Fahrbahn über den Haltestellenbereich Südfriedhof und in Höhe Gletschersteinstraße zurück auf den Radweg bis zur Kreuzung Prager Straße/An der Tabaksmühle geführt.
Erste Reaktionen von Radfahrern weisen auf Kritikpunkte hin
Bei den Leipzigern stößt diese Gesamtverkehrslösung auf unterschiedliche Resonanz. Anwohnerin Manuela Lißina-Krause stoppte angesichts des Trosses an Offiziellen in Höhe des Friedhofes spontan ihre Radfahrt. Ihre Kritik: „Aus meiner Sicht kann es nicht sein, dass wir im Jahr 2025 eine Hauptverkehrsstraße sanieren und sich Radfahrer und Fußgänger ein viel zu schmales Stück Weg teilen müssen. Mir fehlt da echt die Augenhöhe für die Verkehrsarten in dieser Stadt. Wie wollen wir den Radverkehr stärken, wenn die Wege nicht sicher sind?“
Ein aus Richtung Meusdorf kommender Radfahrer hingegen warb um mehr Verständnis: „Man darf nicht nur meckern. Alles in allem funktioniert das hier gut.“
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Bürgerinitiative Prager Straße kann Feierstimmung nicht komplett teilen
Nah dran am Projekt war in den letzten Monaten die Bürgerinitiative Prager Straße, die sich unter anderem für die Vierspurigkeit für den motorisierten Individualverkehr eingesetzt hat: „Die Lösung am Flaschenhals Kommandant-Prendel-Allee, Autofahrer und Radfahrer quasi abwechselnd per Ampel-Schaltung auf der Straße fahren zu lassen, ist interessant – wir sind gespannt auf den Praxistest in den nächsten Wochen. Und die Linksabbiegerspur auf den Gleisen stadtauswärts in die Prendel-Allee ist ebenfalls eine gute Idee.“ Ein Sprecher der BI schränkt dennoch ein: „Die Feierstimmung können wir nicht komplett teilen. Nach sehr langer Bauzeit und katastrophalen Umleitungen ist in mancherlei Hinsicht eine Mogelpackung entstanden. Den Verkehrsfluss müssen wir zudem erst mal beobachten. Ja, wir sind stolz darauf, dass wir mit pragmatisch denkenden Stadträten die erst geplante Einspurigkeit verhindert haben. Ein großer Wurf ist es nicht geworden.“
Die BI bemängelt den fehlenden Bürgerdialog, beispielsweise hinsichtlich der zwischenzeitlich angekündigten Lösung, „wenigstens am Eingang Südfriedhof mit stückweise überfahrbarem Gleis die Situation für alle Verkehrsteilnehmer zu verbessern“. Diese Variante sei „still und heimlich gestrichen“, worden. Aus Sicht der BI habe die Kommune viele Lösungen, „auch ein überfahrbares Gleis in eine Richtung, boykottiert oder nicht ernsthaft verfolgt.“ Rechtssicherheit für das jetzige Werk bei möglichen Klagen von einzelnen Verkehrsteilnehmer-Gruppen gäbe es nach Aussage der Stadt nicht. Zudem fehlten weiter P+R-Angebote.

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Zwei Kreisverkehre in der Naunhofer Straße werden 2026 gebaut
Viele Verkehrsteilnehmer, auch an den Umleitungsstrecken, dürften dennoch aufatmen. Bahnen und Autos rollen wieder – ganz beendet ist die Gesamtmaßnahme noch nicht. Die zwei geplanten Kreisel an den Kreuzungen Naunhofer-/Schönbachstraße und Naunhofer-/Ludolf-Colditz-Straße werden laut Ralf-Michael Göhner. Abteilungsleiter Straßen- und Gleisinfrastruktur, Ende des ersten Quartals 2026 errichtet.
Unklar ist indes, wie es angesichts leerer Kassen mit der Modernisierung von Hauptachsen für die Straßenbahn in Leipzig weitergeht. „Davon, wie wir uns das vorgestellt haben, werden wir uns leider verabschieden müssen“, kündigte Dienberg an. Im Januar werde es dazu Gespräche mit der Leipziger Gruppe geben.
LVZ