„Jacques Tillys Wagen sind in jedem Jahr das Highlight des Rosenmontagszugs. Die jetzt gegen ihn erhobenen Vorwürfe wird er sicher humorvoll umsetzen. In Düsseldorf darf er jedenfalls sagen, was er will!“„ sagt Oberbürgermeister Stephan Keller. „Die Stärke der Demokratie liegt darin, andere Meinungen zuzulassen – auch dann, wenn sie provozieren, irritieren oder widersprechen. Gerade diese Offenheit unterscheidet freie Gesellschaften von autoritären Systemen“, sagt Keller. „Wo Macht keinen Widerspruch duldet, wird Kritik unterdrückt und Satire zur Bedrohung erklärt. In einer Demokratie gilt: Kunst darf alles!“
Auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Mitglied des Europäischen Parlaments, hat die Berichterstattung über das nun in Russland eingeleitete Strafverfahren verfolgt. „So sind Despoten. Sie hassen Kunst, Kultur und Satire, vor allem dann, wenn sie sich gegen sie persönlich richtet“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Im März hat Strack-Zimmermann Jacques Tilly ins EU-Parlament eingeladen. „Das wird die Putin-Freunde im Europäischen Parlament auch nicht erfreuen“, sagt sie. „Dass Jacques Tilly ins Fadenkreuz von Putin gerät, zeigt, dass er alles richtig macht und nicht daran denkt, sich von den Feinden der Freiheit einschüchtern zu lassen“, sagt Strack-Zimmermann. „Wenn Putins antidemokratische rechte wie linke Jünger in Europa Mehrheit bekommen, sind Kunst, Kultur und Satire das Erste, was stirbt. Der Hass auf die Freiheit ist so groß, solche Typen verbrennen auch Bücher.“
Als Ur-Karnevalist in Düsseldorf hat Lothar Hörning die Wagen von Jacques Tilly seit Jahren mit Begeisterung angeschaut: „Ich fand es immer sehr faszinierend, mit welcher Präzision und Bildsprache er die Sachverhalte auf den Punkt bringt.“ Seit eineinhalb Jahren ist er als Präsident des Comitee Düsseldorfer Carneval (CC) mitverantwortlich für den Rosenmontagszug und positioniert sich klar für den Wagenbauer: „In meiner jetzigen Position als CC-Präsident setze ich mich für den Karneval in Düsseldorf allgemein ein und stehe hinter den Wagen von Jacques Tilly – und auch für die Inhalte, die er damit vermittelt. Die Satire und Narrenfreiheit sind wichtig für den Karneval und die lebendige Demokratie und somit auch für die künstlerische Freiheit von ihm.“
Wenn die nächsten Wagen am Rosenmontag durch Düsseldorf rollen, wird das Prinzenpaar Marcus I. und Venetia Nicole an der Spitze des Karnevals stehen. Die beiden positionierten sich deutlich: „Der rheinische Karneval lebt von Meinungsfreiheit, Satire und künstlerischer Zuspitzung. Paragraf 5 des Grundgesetzes schützt ausdrücklich die Freiheit von Kunst und Kultur – und genau diese Freiheit ist Teil der DNA unseres Karnevals“, sagen die beiden. In der aktuellen Debatte gehe es nicht um einen Angriff auf Jacques Tilly, sondern um einen Angriff auf diese Grundwerte. „Wer den Karneval ernst nimmt, muss auch seine künstlerische Freiheit verteidigen. Deshalb stellen wir uns zu 111 Prozent hinter unseren Künstler und Wagenbauer Jacques Tilly.“
Dass Karneval auch bedeutet, sich klar zu positionieren, weiß einer ganz genau. 19 Mal stand Tom Bauer als Hoppeditz im Senftopf und hielt seine satirische Rede vor den Düsseldorfer Narren. In diesem Jahr thematisierten er und Jürgen Hilger, die die Rede gemeinsam schreiben, Putin und seinen Krieg zwar nicht, aber in den vergangenen Jahren tauchte das Thema auch beim Hoppeditz immer wieder auf. „Es ist keine Option, damit aufzuhören. Alles, was man mit Satire über Russland ausdrücken kann, unterbietet Putin als Kriegsverbrecher mit seinen Taten. Satire ist fast schon eine Verharmlosung des gesamten Handelns von Russland“, sagt der Ex-Hoppeditz, der in diesem Jahr zum letzten Mal die Rede hielt. „Ein einziger Mensch sortiert gerade die Weltordnung neu und wir diskutieren darüber, was Satire darf.“