Stand: 19. Dezember 2025.
Autorin
Die Künstlerin Elianna Renner.
Bild: Radio Bremen | Lieselotte Scheewe
Die Künstlerin Elianna Renner will mehr Dialog: zwischen Juden und Muslimen, zwischen Jung und Alt. Deshalb hat sie gemeinsam mit Jugendlichen in Bremen ein Denkmal gestaltet.
Bild: Radio Bremen | Lieselotte Scheewe
Elianna Renner beseitigt Graffiti.
Bild: Radio Bremen | Lieselotte Scheewe
Die dicke rote Farbe des Graffitis geht nicht richtig ab, auch wenn Elianna Renner ordentlich schrubbt. „Gibst du hier nochmal das Zeug rüber?“, fragt die Künstlerin. Dann trägt sie beißend riechende Flüssigkeit auf die Wand auf. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern aus ihrem „Köfte Kosher Projekt“ befreit sie das Denkmal am Marwa-El-Sherbini-Platz im Bremer Steintorviertel von Schmutz, Spinnweben und eben Graffitis.
Das umgestaltete Trafohäuschen soll auf Diskriminierung und rechte Gewalt aufmerksam machen. Elianna Renner hat den Pavillon gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen gestaltet. „Ich habe das Projekte ‚Köfte Koscher‘ 2012 initiiert, als jüdisch-muslimisches Dialogprojekt, das sich mit rechter Gewalt im Alltag beschäftigt“, erzählt sie. Hinter Plexiglasscheiben sind kunstvoll stilisierte Porträts in Blau, Grün, Gelb und Rot gesprüht. Die 48-Jährige zeigt auf die Streetart-Porträts. Die zwölf Menschen, die dort abgebildet sind, stehen exemplarisch für Menschen, die in Deutschland in den vergangenen Jahren von Neonazis ermordet wurden. Neben jedem steht der Name, ein kurzer Text und das Todesdatum. Die Namensgeberin des Platzes – Marwa-El-Sherbini – hat in Bremen gelebt und ist 2009 in Dresden erstochen worden.
Mir war es wichtig, dass die Jugendlichen auch Gehör kriegen und nicht immer nur Menschen über 20.
Elianna Renner über ihr Projekt „Köfte Kosher“
Das umgestaltete Trafohäuschen im Steintor soll auf Diskriminierung und rechte Gewalt aufmerksam machen.
Bild: Radio Bremen | Lieselotte Scheewe
Ein Großteil der Menschen, an die dieses Denkmal erinnert, waren Muslime, andere Juden. Elianna Renner hat es mit jüdischen und muslimischen Jugendlichen gemeinsam entwickelt: „Weil die zwei Gruppen von Rassismus und Antisemitismus als marginalisierte Gruppen natürlich betroffen sind im Alltag. Und wir wollten einen Workshop machen, ein Kunstprojekt, in dem es auch um Zivilcourage geht, aber auch die Auseinandersetzung mit rechter Gewalt“, sagt sie.
Elianna Renner hat Kunst an der Hochschule für Künste studiert. Sie ist gebürtige Schweizerin und schon vor ihrem Studium zum Musikmachen nach Bremen gekommen. Nach dem Studium hat sie sich im Projekt „Schule ohne Rassismus“ engagiert und in Schulen Kunst unterrichtet. „Mir war es wichtig, dass die Jugendlichen auch Gehör kriegen und dass sich nicht immer nur Menschen über 20, die politisch aktiv sind, um Gedenkorte kümmern.“
Verfolgung in der eigenen Familiengeschichte
Heute bietet sie in ihrer Reihe „All together now“ Stadtspaziergänge und Veranstaltungen an den Gedenkorten an, organisiert Lesungen und kümmert sich um die Pflege des Denkmals. Für ihr Engagement hat sie 2024 den Omanut-Zwillenberg-Förderpreis für jüdische Kunst und Kultur bekommen. Ihre Mitstreiterin Katharina Opitz engagiert sich mit im Verein Marwa-El-Sherbini-Platz und schätzt Elianna Renners Engagement. „Dass sie sich mit Kreativität und Sendungsbewusstsein und gleichzeitig auch mit einer Freude und Schönheit dieses furchtbaren, schweren Themas annimmt, finde ich total wichtig. Das hat mich motiviert, hier auch mitzumachen“, sagt sie.
Als Jüdin kennt Elianna Renner Verfolgung und Diskriminierung aus ihrer eigenen Familiengeschichte. „Während meines Studiums ist mir plötzlich meine eigene Familiengeschichte näher gerückt, weil ich gecheckt habe, dass Bremen ziemlich nahe an Bergen-Belsen liegt. Mein Vater war als Kind in Bergen-Belsen. Meine ganze Familie väterlicherseits, also meine Oma und die zwei Söhne, sind in Bergen-Belsen gelandet“, erzählt sie.
Ich muss mir überlegen: Gebe ich mit meinem Namen preis, dass ich Jüdin bin oder nicht, weil es viel gefährlicher geworden ist.
Elianna Renner über ihre Religion
Mit ihrer Streetart möchte Elianna Renner einen Umgang mit unterschiedlichen Religionen und Denkweisen finden und das Stadtleben mitgestalten. In einer idealen Welt würde die Künstlerin sich wünschen, dass es Projekte wie „Köfte Koscher“ nicht brauche. „Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der jeder Mensch so sein kann, wie er oder sie möchte, und dass man in respektvollem Umgang miteinander lebt“, sagte Elianna Renner.
Trotz dieser Hoffnung ist ihr bewusst, dass die gegenseitige Verständigung gerade nach dem Überfall der Hamas auf Israel und die Angriffe Israels auf Gaza schwieriger geworden ist. Obwohl sie sich nicht primär als Jüdin definiert, ist ihre Religion für sie mit Unsicherheit verbunden. „Und das ist für mich auch schwierig, weil ich mir überlegen muss: Gebe ich mit meinem Namen preis, dass ich Jüdin bin oder nicht, weil es viel gefährlicher geworden ist.“ Und trotzdem sagt sie: Die Dialogprojekte müssen weitergeführt werden. Denn die Gesellschaft müsse im Gespräch bleiben.
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Dieses Thema im Programm:
Bremen Zwei, Der Mittag, 20. Dezember 2025, 13:40 Uhr



