Es übt sich in Zurückhaltung und Bescheidenheit. Das Einfamilienhaus an der Baselstrasse ist unscheinbar. Das Giebeldach mit versteckter Rinne fügt sich selbstverständlich in den Muttenzer Dorfkern ein. Entworfen wurde es vor über zwanzig Jahren vom damals aufstrebenden Architekten Luca Selva. Kürzlich wurde es weitergebaut: Der Anbau leistet einen Beitrag zur Verdichtung – räumlich und sozial. Zeit für einen Besuch in Muttenz.

Alt und Neu im direkten Dialog © Armin Schärer
Ein Haus? Oder doch zwei? Die beiden separaten Eingänge deuten darauf hin. Rechts der «Altbau» mit einem filigranen Vordach samt spitzem Speier. Links ein aufgeklapptes Falzdach. Die beiden Häuser strecken die Köpfe zusammen – ohne sich zu berühren. So scheint es zumindest. Das Haus an der Strasse hat einen robusten, mineralischen Verputz. Dahinter verbirgt sich ein solides Einsteinmauerwerk, das seinen Abschluss im markanten Satteldach ohne sichtbare Rinne findet. Das Haus stellt sich mit grosser Selbstverständlichkeit in die Reihe der historischen Häuser im Ortskern. Einzig die aussenbündigen Schwingfenster im Obergeschoss verweisen auf die zeitgenössische architektonische Ambition.

Grundriss Erdgeschoss © Luca Selva Architekten
Das Haus hat Baujahr 2001. Damals wurde es für eine junge Familie erbaut. Über zwanzig Jahre sind vergangen – und die Eltern sind in der «empty nest»-Phase angekommen. Die Frage drängte sich auf: Wie weiter mit dem Haus? Erneut suchte die Eigentümerschaft Rat beim Architekten ihres Vertrauens: Luca Selva. Mit Blick auf eine altersgerechte Wohnsituation gingen die Überlegungen in Richtung einer Erweiterung des Hauses, was die Möglichkeit eröffnete, barrierefrei auf einer Ebene zu wohnen und das darüberliegende Geschoss zu vermieten.

Grundriss Obergeschoss © Luca Selva Architekten
Der typologische Kniff der horizontalen Überlagerung ist clever: Der Anbau greift im Obergeschoss auf den Bestand über – und macht sich dort das familiengerechte Obergeschoss mit drei Schlafzimmern zu eigen. Im räumlichen Scharnier, dem Übergang zwischen Alt- und Neubau, befindet sich die neue Küche – direkt über der bestehenden im Erdgeschoss. Das vereinfachte die Leitungsführung. Im Obergeschoss des Anbaus befindet sich der grosse Wohnraum samt Eckloggia, die den Bezug zum Aussenraum stärkt. Die Materialisierung ist geprägt von den hölzernen Dachflächen, dem Lehmputz an den Wänden und dem geschliffenen Zementboden.

Neuer Wohnraum unter dem Dach im Obergeschoss des Anbaus © Lukas Schirmann
Im Erdgeschoss verbirgt sich hinter einer Doppelflügeltüre der Anbau. Über einen Arbeitsraum erreicht man zwei neue Schlafzimmer sowie ein altersgerechtes Bad samt schwellenloser Dusche. Der Wohnraum und die Küche blieben hingegen weitestgehend unangetastet. Die Eingriffe in den Bestand reduzierten die Architekten auf ein notwendiges Minimum.

Räumliche Verbindung vom Bestand in den Anbau © Armin Schärer
Stillgelegt wurde die bestehende einläufige Treppe. Sie wurde zum besonderen Reduit – mit schönen Eichenstufen als vielschichtige Ablage. Über die grossen Fenster zum Garten schweift der Blick zur hölzernen Fassade der Erweiterung. Das Erdgeschoss verfügt über vier stehende, bodenebene Fenster samt wertigem Holzrolladen. Das Obergeschoss zeichnet sich durch eine Fensterreihe mit hölzerner Balustrade aus. Die Holzfassade ist in einem warmen Hellgrau gestrichen. Sie blickt entspannt westwärts.

Robuste Holzfassade samt Holz-Rolläden © Armin Schärer
Der diagonale Blickbezug zwischen den beiden Hausteilen erzeugt ein Gefühl der räumlichen Grosszügigkeit. Der Anbau – Architekt Selva spricht von «der kleinen Schwester» – schafft eine neue, räumlich gefasste Gartensituation. Das Thema der historischen, gemauerten und strassenbegleitenden Häuser mit den gartenseitigen Holzscheunen findet eine stimmungsvolle, zeitgenössische Interpretation. Von einer ausgeklügelten Dialektik von Früh- und Spätwerk zu sprechen, wäre vielleicht vermessen. Dennoch ist die Weiterentwicklung der architektonischen Themen bemerkenswert: Hier das massive Einsteinmauerwerk, dort der leichte Holzbau. Hier die komplette Unterkellerung, dort die Minimierung des Aushubs. Hier das mineralisch gedeckte Dach, dort die integrierte Photovoltaikanlage. Das Projekt leistet einen relevanten Beitrag zum zukunftsweisenden Umgang mit dem vermeintlichen Auslaufmodell des Einfamilienhauses. Bei aller Bescheidenheit und Zurückhaltung.
Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel
Erweiterung Haus Blumer, Muttenz
Baselstrasse 33, 4132 Muttenz
Planung und Ausführung 2023-25
Architektur: Luca Selva Architekten
Ausführung: PM Mangold