Es ist vollbracht Nach neun Jahren Generalsanierung eröffnet die Bonner Beethovenhalle mit einem langen Festkonzert und prominenten Gästen.

Feierliche Wiedereröffnung: das Beethoven Orchester Bonn unter Generalmusikdirektor Dirk Kaftan | © nodesign
Ende gut, alles gut? Wenn man so manchen Vertreter der Stadt hört, dann sicherlich. Da ist aber auch eine Menge Zweckoptimismus dabei, denn Pleiten, Pech und Pannen gab es während der Sanierung zuhauf, und am Ende gab es auch noch Knatsch um die Vermietung – jetzt aber steht die teure Halle fertig da und will bespielt werden. Mit einer glanzvollen Eröffnung in Gegenwart von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gab es eine Sause nach Maß für die gute Stube der Bundesrepublik, in der zu Hauptstadtzeiten immerhin vier Bundespräsidenten gewählt und zahlreiche Empfänge gegeben wurden.

Elke Bündenbender, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Ministerin Ina Brandes, Oberbürgermeister Guido Déus und Generalmusikdirektor Dirk Kaftan im Gespräch | © Sascha Engst/Bundesstadt Bonn
Ort demokratischer Kultur
Steinmeier betonte in seiner Rede denn auch die staatstragende Bedeutung der Halle, die als Ort demokratischer Kultur zum nationalen Erbe gehöre. Er verwies zudem auf das bürgerschaftliche Engagement, ohne das die Halle nicht existieren würde, und auf ihren internationalen Charakter. Für die UN-Stadt Bonn ist das kein nebensächlicher Aspekt: Rund 2200 Handwerker aus 22 Nationen waren an der Sanierung beteiligt. NRW-Kulturministerin Ina Brandes würdigte die Halle als Bauwerk, das selbstbewusst seine Geschichte zeige und zugleich in die Zukunft blicke. Sie zog den Vergleich zur Hamburger Elbphilharmonie und lobte insbesondere die Akustik, die nun zu den besten in Deutschland zählen solle – eine Einschätzung, die sich allerdings erst noch bewahrheiten muss. Eine architektonische Ikone wie die Elbphilharmonie ist die Beethovenhalle jedenfalls nicht. Trotz ihrer unbestreitbaren historischen Bedeutung bleibt sie eine städtische Mehrzweckhalle. Daran ändert auch eine denkmalgerechte, technisch hochgerüstete Generalsanierung nichts.
Für einen unfreiwillig heiteren Moment sorgte Bonns neuer Oberbürgermeister Guido Déus, der – kaum im Amt – die Hoffnung äußerte, Politik und Verwaltung könnten aus den ausufernden Kosten der Sanierung Lehren ziehen. Pikant dabei ist nur, dass ausgerechnet Déus jüngst einen geleasten Dienstwagen im Wert von 100 000 Euro samt Chauffeur (jährliche Kosten etwa 57 000 Euro) bestellt hat, nachdem seine Vorgängerin Katja Dörner aus Spar- und Klimaschutzgründen darauf verzichtet hatte. Immerhin lobte Déus Dörners Mut, den externen Projektsteuerer Steffen Göbel mit ins Boot zu holen, der die verfahrene Lage aufdröselte und den sprichwörtlichen Gordischen Knoten durchschlug.

Das Beethoven Orchester Bonn unter Dirk Kaftan spielt zur Wiedereröffnung der Beethovenhalle | © Sascha Engst/Bundesstadt Bonn
Die Hauptrolle am Eröffnungsabend spielte aber die Musik und hier natürlich die des wohl berühmtesten Sohnes der Stadt. Die ersten Takte der Ouvertüre zu „Die Geschöpfe des Prometheus“ von Ludwig van Beethoven fuhren wie gewaltige Donnerschläge durch den akustisch aufgehübschten und jetzt sehr klar und direkt klingenden Raum. Das Beethoven Orchester Bonn, das war unüberhörbar, hatte nach neun Jahren ohne feste Heimstätte einiges nachzuholen. Mit Energie und großem Nachdruck entwarf Dirk Kaftan ein ungemein plastisches und scharf konturiertes Bild des Feuerbringers Prometheus. Im vierten Klavierkonzert Beethovens war mit Fabian Müller ein Solist von internationalem Rang zu erleben, der zugleich eine enge lokale Verbindung mitbringt: in Bonn aufgewachsen, hier musikalisch sozialisiert, ist er längst auf den großen Podien der Welt zu Hause.
In der Beethovenhalle erwies sich das Zusammenspiel zwischen Müller und dem Orchester als ausgesprochen stimmig. Besonders eindrucksvoll geriet der zweite Satz mit seinem scharf profilierten Wechselspiel zwischen kraftvollen Unisoni des Orchesters und lyrischen Antworten des Solisten, ebenso das temperamentvolle Finale. Was hier geboten wurde, bewegte sich tatsächlich auf Weltklasse-Niveau. Eine geplante Uraufführung von Sara Glojnarić musste zwar aus Zeitgründen entfallen, doch mit ihrem 2022 entstandenen Stück „Everything, Always“ wurde angemessener Ersatz präsentiert. Das Werk versteht sich als offener Arbeitsprozess, der den Entstehungsakt selbst zum Thema macht – humorvoll, selbstreflexiv und vom Publikum nicht selten schmunzelnd aufgenommen.

Ins rechte Licht gerückt: die wiedereröffnete Beethovenhalle Bonn bei Nacht | © Sascha Engst/Bundesstadt Bonn
Flotte Tempi, scharfe Details
Den monumentalen Abschluss des mehr als vierstündigen Abends bildete Gustav Mahlers Zweite Sinfonie. Wie schon zu Beginn mit der Prometheus-Ouvertüre besaß auch dieses Werk eine deutliche programmatische Aussage: So wie die Beethovenhalle – einem Phönix gleich – aus der Asche neu entstanden ist, richtet Mahlers Musik den Blick auf Erlösung und Neubeginn. Die Dramaturgie erwies sich als höchst wirkungsvoll. Kaftan ließ die ersten Worte des Chores im Finale („Aufersteh’n, ja aufersteh’n…“) im Sitzen singen, im kaum hörbaren Pianissimo, wie aus dem Nichts – ein Moment, der unter die Haut ging.
Überhaupt tat Kaftan mit relativ flotten Tempi und schroffen Gegensätzen alles, um Mahlers oft als überbordend empfundene Partitur von jeglicher Patina zu befreien. Doch er bestand auch auf Transparenz, tastete sich präzise an die schmalen Grenzen zwischen Pathos, Kitsch und Volksmusik heran und überzeugte mit einer bemerkenswerten Detailarbeit. Gemeinsam mit dem in jeder Hinsicht glänzend disponierten Beethoven Orchester entstanden zahlreiche prägende Momente: der tänzerische Charakter des Andante mit seinem perfekt ausgehörten Schluss, der derb-rustikale Auftakt des burlesken dritten Satzes, in dem die Nähe zur Kirmesmusik mit immensem Drive ausgelotet wurde, oder das gewaltige, dabei stets kontrolliert wirkende Finale. Hervorragend präsentierten sich auch der traumhaft präzise intonierende Bundesjugendchor sowie die beiden Solistinnen: Gerhild Romberger mit nobel zurückgenommener Altfarbe im „Urlicht“ und Katerina von Benningsen mit einem strahlenden, niemals grellen Sopran.
Dirk Kaftan war es auch, der mit seiner frei gehaltenen Rede die wohl aufrichtigste Ansprache des Abends hielt. Einem von Herzen kommenden „Danke!“ folgte ein tief empfundenes „Endlich!“. Der Generalmusikdirektor scheute sich aber auch nicht, unbequeme Fragen zu stellen. „Was soll das?“ fragte er provokant und mit Blick ebenso auf die von Rückschlägen, Pannen und Fehlentscheidungen geprägte Baugeschichte der Halle wie auf die immer wieder aufflammende Debatte um die angebliche Abgehobenheit der Hochkultur – schließlich würde die Halle von allen bezahlt, aber nicht von allen genutzt. Kaftans Antwort: „Das ist kein Systemfehler, das ist eine bewusste Entscheidung.“ Diese Entscheidung stehe für gesellschaftliche Teilhabe, für ein staatliches Angebot kultureller Möglichkeiten. Daraus erwachse für Musikerinnen und Musiker aber auch eine enorme Verantwortung – der man sich bewusst sei. Und wie auch das Programm der Eröffnungswoche zeigt, arbeitet man ernsthaft daran, das Versprechen von Vielfalt und inhaltlicher Breite einzulösen.
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