Niclas aus Peine auf seinem Bett. Er war beim Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg verletzt worden.

Stand: 20.12.2025 11:24 Uhr

Am 20. Dezember 2024 wird der damals 15-jährige Niclas aus Peine beim Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt lebensgefährlich verletzt. Heute, ein Jahr später, kämpft er noch mit den Folgen.

von Marie Stiller

Es ist kurz vor Weihnachten. Niclas sitzt zu Hause in seinem Zimmer und baut aus kleinen bunten Plastikbausteinen ein großes Piratenschiff zusammen. „Für Lego musst du nicht laufen können, du musst nur deine Finger bewegen können. Denn da geht es ja ums Bauen, nicht ums Rennen“, erklärt er, während er mit Fingerspitzengefühl das Ruder am Heck des Schiffes befestigt. Noch im vergangenen Jahr verbrachte der heute 16-Jährige solch einen Nachmittag in der Vorweihnachtszeit oft in der Stadt, besuchte mit seiner Familie Weihnachtsmärkte und stöberte in Geschäften. Das macht er in diesem Jahr nicht.

Niclas erinnert sich nur bruchstückhaft an Zeit nach dem Anschlag

Am 20. Dezember 2024 verändert sich Niclas‘ Leben schlagartig. An dem Tag wird er unweit des Magdeburger Weihnachtsmarktes an einer Fußgängerampel vom Auto des Attentäters erfasst und schwer verletzt. Niclas verliert viel Blut, liegt im Koma und muss mehrfach operiert werden. Acht Monate verbringt er in Krankenhaus und Reha. Heute, so sagt er, kann er sich daran nur bruchstückhaft erinnern. „Eigentlich geht mir nur durch den Kopf, dass ich es geschafft habe, aus dieser Zeit rauszukommen. Ich habe überlebt! Und es hätte auch schlimmer ausgehen können. Zum Beispiel, dass ich gar nicht mehr laufen kann.“

Alltag des 16-Jährigen hat sich verändert

Mit den Folgen des 20. Dezembers kämpft Niclas noch heute. Er braucht Hilfe beim Gang auf die Toilette, beim Duschen und Anziehen. Er hat regelmäßig Termine bei der Ergo- und Physiotherapie. Denn nach wie vor fällt ihm das Laufen schwer, er braucht einen Rollator und hat Schmerzen beim Treppensteigen. „Nach der Schule bin fast nur zu Hause, weil es sehr anstrengend für mich ist, irgendwo hinzugehen“, beschreibt der 16-Jährige. „Immer muss mir jemand den Rollator hoch- und runtertragen. Und wenn ich ein Stück gehe, muss ich danach wieder eine Pause machen. Ich brauche für alles länger als früher.“ Seine Familie sucht derzeit ein neues, barrierefreies Zuhause – bisher ohne Erfolg.

Niclas aus Peine mit seinen Geschwistern. Er war beim Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg verletzt worden.

Früher hat Niclas mit seinen Geschwistern auf dem Spielplatz gespielt. Heute sitzt er am Rand, denn mit seinem Rollator ist er nur eingeschränkt mobil.

„Ich kann nicht mehr so viel Spaß haben wie früher“

Früher hat Niclas viel Zeit mit seinen Geschwistern auf dem Spielplatz vor dem Haus verbracht. „Wir haben Sandburgen gebaut und uns mit Sand beworfen. Das geht heute nicht mehr, denn ich komme nicht mehr in den Sand rein“, erklärt Niclas und schaut auf seinen Rollator. „Das ist einfach Kacke. Ich kann nicht mehr so viel Spaß haben wie früher.“ Auch sein neunjähriger Bruder Tom vermisst die unbeschwerte Zeit: „Ich hätte gern mehr mit meinem Bruder gespielt.“

Familie will am letzten Prozesstag nach Magdeburg fahren

Den Prozess gegen den Attentäter Taleb A. verfolgen Niclas und seine Familie nur aus der Ferne. „Wir bekommen von unserem Anwalt Nachrichten bei WhatsApp. Da fasst er nach jedem Verhandlungstag zusammen, was passiert ist“, erklärt Niclas‘ Vater Christian. „Für uns ist es sehr wichtig, dass der Täter verurteilt wird. Wir werden am letzten Prozesstag auch nach Magdeburg fahren und schauen, welches Urteil er bekommt.“

Niclas fällt es schwer, in Weihnachtsstimmung zu kommen

Bis dahin ist es Christian wichtig, dass Niclas eine schöne Weihnachtszeit hat. „Wir geben unser Bestes, dass Niclas an den Feiertagen nicht an das denkt, was passiert ist. Dass er weiß, seine Familie ist bei ihm.“ Niclas selbst fällt es in diesem Jahr schwer in Weihnachtsstimmung zu kommen, sagt er. Mal sei sie da, dann wieder weg. Dabei mag er Weihnachten sehr, sein Zimmer ist bunt geschmückt. „In den vergangenen Jahren war ich mehr in Stimmung.“ Für das kommende Jahr hat der Jugendliche nur einen Wunsch: Er will wieder selbstständig und ohne Rollator laufen können. „Das wird klappen, das weiß ich. Es braucht nur Zeit.“

Niclas Brauer und seine Mutter Sonja.

Er wurde beim Angriff auf den Weihnachtsmarkt lebensgefährlich verletzt. Bald will Niclas wieder ohne Rollator laufen können.

Das Bild zeigt einen Jungen, der in einem Bett im Krankenhaus liegt.

Bei dem Anschlag in Magdeburg wird Niclas schwer verletzt. Zwei Monate später kämpft er sich ins Leben zurück.