20. Dezember 2025

Christian Bartels

EU-Fahne mit Sternen auf technologischem Hintergrund.

(Bild: Grafik: shutterstock.com)

  1. Palantir und Deutschland: Digitale Souveränität muss 2026 zur Priorität werden

  2. EU unter Druck: Digitalregeln gegen Zollrabatte?


  3. Auf einer Seite lesen

Palantir-Chef Karp vermisst deutschen Erfindergeist. Die Antwort muss digitale Souveränität heißen – mit europäischer Software, Datenschutz und Fediverse.

Interviews erregen eher selten noch viel Aufsehen. Gerne werden sie mitgefilmt, um außer als Podcast auch bei YouTube laufen zu können. Und Talkshow-Gäste sind routiniert darin, ihre wichtigsten Botschaften so zu performen, dass sie als kurze Videos anderswo geteilt werden können. Ob Antworten im Zusammenhang überzeugen oder überhaupt Fragen beantwortet werden, ist nachrangig.

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Palantir-Chef Karp: Enttäuschte Liebe zu Deutschland

Umso mehr fällt das lange Interview auf, das das Handelsblatt mit Palantir-Chef Alex Karp führte. Nicht ungewöhnlich, dass es drumherum Superlative („der vielleicht umstrittenste CEO …“, „eines der wertvollsten Softwareunternehmen der Welt“) hagelt.

Ungewöhnlich freilich, dass dasselbe Blatt anschließend per Kommentar vom Produkt des Interviewten abrät („Palantir passt nicht zum deutschen Rechtsstaat“). Ungewöhnlich auch, mit einem US-amerikanischen Firmenlenker auf Deutsch zu sprechen. Doch der promovierte Philosoph Karp hat in Frankfurt am Main unter anderem bei Habermas studiert. Was aus vielen Sätzen spricht: Enttäuschte Liebe zu Deutschland, wo Palantirs Polizei-Software tatsächlich umstritten ist.

Karp etwa sagt:

„Stell dir die Welt ohne Deutschland vor, ohne den Fleiß der Deutschen, ohne ihr ökonomisches Können, ohne ihre Art und Weise, Dinge zu organisieren. Ohne die Deutschen hätte es keine Aufklärung gegeben. Ich will nicht in einer Welt leben, in der Deutschland schwach ist und politisch unwichtig.“

„Und jetzt hat sich Ihre enttäuschte Liebe in Verachtung verwandelt?“, treffen die Interviewer Felix Holtermann und Thomas Jahn den Nagel auf einen empfindsamen Kopf.

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Vieles formuliert Karp tatsächlich so, dass es zumindest solche Deutschen, zu deren Staatsräson-Gefühl noch der Stolz auf Vorsprung durch Technik gehört, wurmen müsste:

„100 Jahre lang hat die Welt die deutsche Technik bewundert, davon ist nichts mehr übrig.“

Und Palantir findet sich ziemlich deutsch:

„Nehmen wir an, Peter Thiel käme aus Frankreich, seine Eltern wären in Frankreich geboren, seine Muttersprache wäre Französisch, und ich hätte meine Doktorarbeit in Frankreich geschrieben. Wir würden angehimmelt werden. Die Unis würden uns umwerben, die Franzosen würden uns Orden verleihen, aus uns Botschafter Frankreichs machen. In Deutschland aber, wo wir beide unsere Wurzeln haben, werden wir nur kritisiert, tagein, tagaus. Wie wäre es mit etwas Dankbarkeit?“

Wobei empfundene Rivalität zu Frankreich und entsprechende Vergleiche in Deutschland ja auch eher selten vorkommen … Natürlich arbeitet Karp außerdem daran, Palantirs Software weiter zu mystifizieren, wie es zu den (international besser als hierzulande funktionierenden) Erfolgsrezepten der Firma gehört.

„Jeder neutrale Experte weiß, dass es sich bei der Palantir-Lösung nicht um etwas Einzigartiges handelt, sondern nur um eine weitere – wenn auch stark mystifizierte – Analysesoftware“, sagte der Chef der deutschen Softwarefirma Innosystec im November – ebenfalls im Handelsblatt, das sich mit Palantir gründlich befasst hat.

Digitale Souveränität: Kann europäische Software mit Palantir mithalten?

Kann deutsche oder europäische Software, was Palantir kann?

Sollte, falls nicht, in EU-Europa daran gearbeitet werden, solche Fähigkeiten zu erwerben, solange Palantir genutzt wird?

Solche Fragen müssten gestellt und beantwortet werden.

Faktisch lautet selbst bei Software für einfachere Vorgänge wie Bezahlen die Frage eher, ob europäische Angebote, die ähnlich funktionieren wie US-amerikanische (und europäischen Datenschutz-Bestimmungen eher entsprechen), sich neben den eingeführten und mit allerhand Werbung und PR im Markt etablierten immerhin halten können.

Datenschutz als Hindernis? Die DSGVO-Debatte

PayPal sammelt die sexuellen Vorlieben von Kunden“, spitzte netzpolitik.org einen heise.de-Bericht über „massive Datenschutzverstöße bei PayPal“ zu. Werden sich europäische Spätstarter wie nun „Wero“, die europäischen Lösungen, die sich nicht durchsetzen konnten (Giropay) nachfolgen, halbwegs „durchsetzen“ können?

Datenschutz steht im Zentrum noch eines Interviews, das Interesse verdient. „Beim Datenschutz ist Deutschland inzwischen dem Silicon Valley näher als dem Rest der EU“, lautet die netzpolitik.org-Überschrift über dem Gespräch mit dem österreichischen Datenschützer Max Schrems, der Deutschland in einer völlig anderen Sonderrolle als Alex Karp sieht:

„Ich reise für Vorträge durch ganz Europa und dass man fast mit Tomaten beworfen wird, wenn man ‚Datenschutz‘ sagt, das gibts nur in Deutschland. … In Deutschland ist der Datenschutz der Blitzableiter dafür geworden, dass man das mit der Digitalisierung nicht schafft.“

Max Schrems

Insbesondere um die knapp zehn Jahre alte Datenschutz-Grundverordnung DSGVO geht es. Nur in Deutschland sei die „Consent Optimization“ in Gestalt der „so scheiße“ designten Consent-Kästchen derart unbeliebt, klagt Schrems und setzt sich für eine Vereinfachung der DSGVO ein:

„Für 90 Prozent der Wirtschaft, die fast nichts mit Daten machen, außer ihren Betrieb aufrechtzuerhalten, könnte man den Verwaltungsaufwand im Großen und Ganzen abdrehen“, bloß für die großen Datenkraken müsste er erhöht werden. Allerdings laufe das, was die EU unter dem Titel „digitaler Omnibus“ plant, in eine falsche Richtung.

Inzwischen wird an allen Ecken und Enden viel gewerkelt und direkt wie indirekt viel von „Digitaler Souveränität“ geredet. Und oft genug strapazierte Begriffe dringen immerhin ins Bewusstsein.

Der erste deutsche Digitalminister Karsten Wildberger zählt zu den Mitgliedern der Bundesregierung, die sich nicht in parteipolitische Machtspielchen verheddern, sondern echt bemühen. Vielleicht muss es nichts bedeuten, dass der relative Ruhm aus der freien Wirtschaft, von dem er bei seinem Amtsantritt zehrte, darin bestanden hat, die „MediaMarkt“-/“Saturn“-Firma fit genug für den Verkauf nach China gemacht zu haben.

Aber gerade zum Thema Palantir, das einerseits sowohl Bundesbehörden als auch Bundesländer betrifft, und andererseits die Frage, ob die in Form von (nur zum Beispiel) Europas zeitweise börsenschwersten Unternehmen SAP vorhandene Software-Kompetenz für solche Aufgaben ausreicht (oder eben nicht, wie Alex Karp sagen würde), zumal wenn jede Menge öffentlicher Auftraggeber bereitstünden, äußert sich niemand.