Porträt eines Mannes mit kurzen grauen Haaren mit Pony und schwarzer Brille

AUDIO: Metin Tolans Berechnungen zur tödlichen Tour des Weihnachtsmanns (26 Min)

Stand: 21.12.2025 06:00 Uhr

„Die Naturgesetze in der Physik sind erbarmungslos“, stellt der aus Oldenburg/Holstein stammende Physikprofessor mit hörbarem Grinsen fest: „Wenn der Weihnachtsmann sich so fortbewegen würde, dann wäre er tot.“

Mit Humor und viel Spaß an seinem Fach rechnet Metin Tolan in seinem neuen Buch „Stille Nacht, eilige Nacht“ vor: Wollte der Weihnachtsmann an Heiligabend allen artigen Kindern ein Geschenk bringen, müsste er mit 711 Kilometern pro Sekunde unterwegs sein, der Schlitten würde 257.400 Tonnen wiegen und müsste von 117.000 Rentieren gezogen werden. Unmöglich? Nein, sagt Tolan im Gespräch, „denn immer wenn in der Physik irgendein kompliziertes Phänomen ansteht, muss man die Quantentheorie nutzen“.

Der Weihnachtsmann in einem Schlitten mit Rentier.

Wenn der Weihnachtsmann kommt, hat er Geschenke dabei. Doch warum ist das so und wie ist die Symbolfigur überhaupt entstanden?

Herr Tolan, Sie sagen, dass unsere gängige Vorstellung vom Weihnachtsmann etwas überholt werden muss – warum?

Metin Tolan: Ich gehe als Naturwissenschaftler den Dingen immer auf den Grund, von der fundamentalen Seite, und da ist die Frage schon erlaubt, sich mal einfach nur Gedanken darüber zu machen, wie das eigentlich eine Person an einem einzigen Tag schafft, so viele Kinder zu beschenken. Wenn die Person das macht, dann muss die irgendetwas Besonderes können. Und das zu analysieren, das ist nicht nur interessant, sondern auch wichtig für alle Kinder.

Denn wir sehen es ja in der Tat, an jedem 24. Dezember gelingt es dieser einen Person, wie auch immer. Sie sagen, der Mann ist dafür, dass er durch den Kamin zu uns herabsteigt, eigentlich viel zu übergewichtig. Wie schafft er es denn dann?

Tolan: Der Weihnachtsmann hat tatsächlich ein Gewichtsproblem. Fettleibigkeit kann jede Berufsgruppe treffen. Den Weihnachtsmann hat es besonders stark erwischt. Bei der Analyse der Ärzteplattform ZVA kam raus, dass neun von zehn untersuchten Weihnachtsmännern einen Body-Mass-Index von über 40 haben – das ist starke Fettleibigkeit. Ich vermute, das kommt dadurch zustande, weil der Weihnachtsmann der Überlieferung nach auch dafür zuständig ist, die Reste des Weihnachtsessens zu vertilgen. Dann hat er natürlich auch noch zusätzlich viel zu tun.

Auf der anderen Seite ist die Aufgabe, die er da zu erledigen hat, sportlich; die müsste ihn doch eigentlich fit und schlank halten, oder?

Tolan: Ja, aber er bewegt sich ja in einem Schlitten mit fliegenden Rentieren, er hat sozusagen Chauffeure, die ihn da durch die Gegend fliegen lassen, sodass er sich gar nicht so viel bewegen muss. Die Aufgabe des Weihnachtsmanns ist es ja, den braven Kindern Geschenke zu bringen. Und wenn wir davon ausgehen, dass in jedem christlichen Haushalt, in dem sich im Durchschnitt zwei Kinder befinden, ein braves Kind ist, dann bleiben immerhin auf der Welt noch 234 Millionen Haushalte übrig, die der Weihnachtsmann am Weihnachtstag beliefern muss. Das ist eine stolze Leistung.

Wie kann er denn dann landen, von seinem Schlitten steigen, runter durch den Schornstein in die gute Stube – wie macht der das alles?

Tolan: Das ist eine sehr spannende Frage, die ich auch nicht beantworten kann, denn das sind 2.000 Besuche pro Sekunde. Unser menschliches Auge hat ein Auflösungsvermögen von ungefähr 50 Bildern pro Sekunde. Bei 2.000 Besuchen pro Sekunde, ist das 40 Mal oberhalb der Auflösungsfähigkeit unseres Auges. Es ist also kein Wunder, dass noch nie jemand den Weihnachtsmann gesehen hat, weil der einfach so schnell ist; in dem Moment, in dem Sie hingucken, ist der schon wieder weg.

Das heißt aber auch, dass wir nicht ausschließen können, dass er tatsächlich da gewesen ist – wir haben ihn nur nicht gesehen, oder?

Tolan: Völlig richtig. Aber das ist in der Wissenschaft etwas ganz Natürliches: Nur weil man eine Sache nicht sehen kann, heißt das noch lange nicht, dass es die Sache nicht gibt. Man guckt in der Wissenschaft in der Regel auf die Auswirkungen, und die sehen wir ja: Der Weihnachtsmann muss da gewesen sein, obwohl wir ihn nicht gesehen haben.

Wie kriegen wir den Weihnachtsmann physikalisch dann doch noch irgendwie gerettet?

Tolan: Wenn sich der Weihnachtsmann so fortbewegen würde, dann wäre er aus physikalischer Sicht tot. Das muss man in dieser Härte so sagen. Alle Kinder sollten jetzt auch die Taschentücher rausholen, denn da kann man nichts gegen machen. Die Naturgesetze in der Physik sind erbarmungslos, und deswegen bin ich auf die Quantentheorie gekommen. Denn immer, wenn in der Physik irgendein kompliziertes Phänomen ansteht, muss man die Quantentheorie nutzen. Die Relativitätstheorie ist schon schwer zu verdauen, aber die Quantentheorie ist nochmal einer oben drauf. Auf mikroskopischer Skala können Sie an verschiedenen Orten gleichzeitig sein. Solange Sie keine Messung machen, ist ein Elektron an allen Orten gleichzeitig. Wenn Sie aber das Teilchen messen, dann ist es an dem Ort und an den anderen Orten ist es augenblicklich weg. Und da habe ich mir überlegt: Boah, das ist doch eigentlich genau das, was der Weihnachtsmann braucht.

Das Gespräch führte Jürgen Deppe.

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