21. Dezember 2025
Lars Lange

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(Bild: Puma bei einer Bundeswehr-Präsentation, 2019. Bild: Shutterstock.com)
Deutschland investiert so viel wie nie in Militärfahrzeuge. Im Dezember genehmigte der Bundestag Rüstung für 50 Milliarden Euro. Eine strategische Einordnung.
82,98 Milliarden Euro – für diese Summe durfte die Bundeswehr in diesem Jahr bei der Rüstungsindustrie shoppen gehen. Der Deutsche Bundestag hat allein am 18. Dezember Rüstungskäufe für knapp 50 Milliarden freigegeben. Darunter rund 10,5 Milliarden Euro für gepanzerte Fahrzeuge und Transportfahrzeuge.
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Nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums übersteigen die Beschaffungen der letzten drei Jahre mit einem Volumen von 188,4 Milliarden Euro die Investitionen der vorherigen acht Jahre deutlich. Zwischen 2015 und 2022 waren es rund 109 Milliarden Euro.
Die Fahrzeugbestellungen vom 18. Dezember reichen vom schweren Schützenpanzer bis zum leichten Spezialkräftefahrzeug und spiegeln die Lehren aus dem Ukraine-Krieg wider.
Schützenpanzer Puma – Aufstockung trotz Kritik
Den Anfang macht der umstrittenste Panzer der Bundeswehr. Der Puma fiel 2022 kurz vor einer Nato-Übung komplett aus, der Bundesrechnungshof identifizierte gravierende Mängel. Trotzdem bestellte die Bundeswehr am 18. Dezember 200 weitere Exemplare für 4,2 Milliarden Euro – das entspricht 21 Millionen Euro pro Fahrzeug.
Der Haushaltsausschuss knüpfte die Freigabe nach Angaben vom Fachdienst Hartpunkt an strikte Bedingungen: Das Verteidigungsministerium muss vor weiteren Bestellungen nachweisen, dass die Mängel des ersten Loses behoben sind und die Einsatzreife des S1-Standards erreicht wird.
Hersteller ist die Projekt System & Management GmbH, ein Joint Venture von Rheinmetall und KNDS Deutschland, die sich den Auftragswert zur Hälfte teilen. Die ersten Fahrzeuge sollen Mitte 2028 ausgeliefert werden. Mit den Neubestellungen wächst die Puma-Flotte auf 600 Systeme, langfristig sind über 1.000 geplant. Für 2026 ist ein Änderungsvertrag für den S2-Standard vorgesehen, der auch Drohnenabwehr implementieren soll.
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Radschützenpanzer Schakal – Boxer plus Puma
Während der Puma auf Ketten rollt, wird beim Schakal auf Räder gesetzt. Der Schakal kombiniert das Fahrgestell des Radpanzers Boxer mit dem 30-Millimeter-Turm des Puma. Radpanzer sind auf der Straße deutlich schneller als Kettenfahrzeuge und verschleißen weniger. Nach Angaben von Soldat und Technik sind 150 der Radschützenpanzer bestellt worden.
Der Auftragswert beträgt rund 2,3 Milliarden Euro – das entspricht etwa 15,3 Millionen Euro pro Fahrzeug. Der Vertrag beinhaltet ein Logistikpaket mit Ersatzteilen, Ausbildungsmitteln und Sonderwerkzeugen. Optional können bis zu 248 weitere Fahrzeuge abgerufen werden.
Der Schakal ist das Hauptwaffensystem für die neu aufzustellenden Mittleren Kräfte des Heeres.
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Cavs Patria 6×6 – Multinationales Mörser-Programm
Auch für die leichteren Radpanzer setzt die Bundeswehr auf multinationale Zusammenarbeit. Die Bundeswehr bestellte 349 Radpanzer vom Typ Patria 6×6 für über eine Milliarde Euro – der größte Einzelauftrag in der Firmengeschichte des finnischen Herstellers.
Das Beschaffungsamt schloss nach Angaben von Hartpunkt zwei Rahmenverträge, die den Abruf von insgesamt 876 Fahrzeugen im Gesamtwert von über zwei Milliarden Euro ermöglichen. Der Stückpreis liegt bei rund 2,9 Millionen Euro.
Deutschland ist 2023 dem finnisch geführten Cavs-Programm beigetreten. Dem Programm gehören nach Angaben von suv.report sieben Länder an: Finnland, Lettland, Schweden, Deutschland, Dänemark, Norwegen und Großbritannien. Die Fahrzeuge sind bereits in der Ukraine im Einsatz.
Das Herzstück der deutschen Bestellung ist der Nemo-Turmmörser von Patria. Das 120-Millimeter-System kann als weltweit einziges aus der Bewegung feuern und bis zu sechs Granaten gleichzeitig ins Ziel bringen. Die Bundeswehr orderte 69 Mörsersysteme mit Option auf 61 weitere.
Daneben kommen 170 Pionierfahrzeuge, 48 Panzeraufklärer und 52 Feuerleitfahrzeuge. Die Auslieferung beginnt 2026, ab 2027 produzieren die deutschen Partner FFG, JWT und KNDS vor Ort.
Radhaubitze RCH 155 – Artillerie schießt im Fahren
Nicht nur der Nemo-Mörser kann im Fahren feuern – auch die neue Radhaubitze beherrscht diese weltweit einzigartige Fähigkeit. Der taktische Vorteil ist entscheidend: In einem von Drohnen überwachten und durchkämpften Gelände gewinnt die eigene Bewegung den höchsten Schutz.
Das System muss nicht mehr in eine statische Feuerstellung rollen, anhalten und sich damit zum erkennbaren Ziel machen. Stattdessen kann es seine Geschosse aus langsamer, kontinuierlicher Bewegung abfeuern – ein sich ständig verlagernder Punkt, der für Aufklärungsdrohnen und gegnerische Artillerielokalisationradare extrem schwer zu verfolgen und zu bekämpfen ist.
Diese Fähigkeit verleiht der Einheit nicht nur eine wesentlich höhere Überlebenschance, sondern auch die Initiative, da der Feind unter ununterbrochenem, ortungsungewissem Beschuss steht.Die Bundeswehr bestellte 84 RCH 155 für rund 1,2 Milliarden Euro.
Nach Angaben von Defence Industry Europe schloss das Beschaffungsamt eine Rahmenvereinbarung mit der Artec GmbH für bis zu 500 Systeme. Der Stückpreis liegt bei etwa 14,3 Millionen Euro, Auslieferung ist zwischen 2028 und Ende 2030.
Die RCH 155 kombiniert das Fahrmodul des Boxer-Radpanzers mit dem Artillerie-Geschütz-Modul von KNDS Deutschland. Das vollautomatische System basiert auf der 155-Millimeter-Waffenanlage der Panzerhaubitze 2000. Ein Rechner kalkuliert ständig die Fahrzeug- und Rohrlage und löst den Schuss nur bei exakter Zielrichtung aus.
Das Geschütz erreicht eine Feuergeschwindigkeit von mehr als acht Schuss pro Minute. Die Kampfbeladung umfasst maximal 30 Granaten und 144 modulare Treibladungen – rund 50 Prozent mehr als typische LKW-basierte Artilleriesysteme. Der Turm dreht sich um 360 Grad ohne Fahrzeugabstützung, die Elevation reicht von minus 2,5 bis 65 Grad. Für 2025 erwarten Beobachter die Bestellung von 149 weiteren RCH 155 für über zwei Milliarden Euro.
Spähfahrzeug Luchs 2 – Aufklärung auf sechs Rädern
Für die Aufklärung setzt die Bundeswehr auf den Luchs 2. Nach Angaben von Esut gab der Haushaltsausschuss im Oktober 3,5 Milliarden Euro für 274 Fahrzeuge frei. Der Stückpreis liegt bei rund 12,8 Millionen Euro. Hersteller ist General Dynamics European Landsystems-Bridge Systems.
Basis des Luchs 2 ist der Piranha 5 von GDELS-Mowag, der für dieses Projekt von acht auf sechs Räder verkürzt wurde. Das 25 Tonnen schwere Fahrzeug bietet 7,5 Tonnen Zuladung und erreicht mit seinem 437-Kilowatt-MTU-Dieselmotor 100 Stundenkilometer.
Bewaffnet ist der Luchs 2 mit einer 25-Millimeter-Maschinenkanone MK 25 KBA von Oerlikon, die 600 Schuss pro Minute verschießt. Rheinmetall Italia liefert die Waffenanlage, Hensoldt Optronics die Sensorsuite. Zwei ausfahrbare Masten und eine Aufklärungseinheit sowie Antennen für weitreichende Kommunikation zeigen die Ausrichtung auf Aufklärung und Führung.
Die ersten zwei Referenzsysteme sollen 2028 geliefert werden, die Serienauslieferung beginnt 2029 mit 58 bis 90 Fahrzeugen pro Jahr. Eine Option über 82 weitere Fahrzeuge ist eingeplant.
Eagle V – Geschützte Mobilität nach Mrap-Vorbild
Die größte Einzelbestellung betrifft geschützte Transport- und Sanitätsfahrzeuge. Nach Angaben von Defence Network bestellte die Bundeswehr knapp 3.000 Eagle V für vier Milliarden Euro bei General Dynamics European Land Systems. Der Stückpreis liegt bei etwa 1,33 Millionen Euro. Die Rahmenverträge ermöglichen den Abruf von insgesamt 5.000 Fahrzeugen.
Das Konzept folgt den amerikanischen Mrap-Fahrzeugen wie dem MaxxPro, die sich im Ukraine-Krieg bewährt haben. Der Fokus liegt auf Minenschutz, Mobilität und schnellem Aus- und Einsteigen der Truppe – nicht auf schwerem Panzerschutz. Die Eagle-Familie ist bereits bei der Bundeswehr im Einsatz.
AGF-2/UFK – Spezialkräfte setzen auf offene Plattform
Auch für die Spezialkräfte folgt die Bundeswehr den Ukraine-Erfahrungen. Das Kommando Spezialkräfte bestellte 49 Fahrzeuge beim niederländischen Hersteller Defenture für fast 100 Millionen Euro – rund zwei Millionen Euro pro Fahrzeug, wie Hartpunkt berichtet. Der Rahmenvertrag ermöglicht den Abruf von bis zu 80 Systemen.
Basis ist die neun Tonnen schwere Mammoth-Plattform mit 3,5 Tonnen Zuladung. Das Fahrzeug übernimmt funktional Aufgaben wie Strandbuggys vom Typ Desertcross, wie sie in der Ukraine eingesetzt werden – schnell, wendig, offen.
Der offene Aufbau erlaubt schnelles Aussteigen, eine zentrale Lehre aus dem Ukraine-Krieg. Die 200-Kilowatt-Plattform erreicht 120 Stundenkilometer bei 800 Kilometern Reichweite. Die Auslieferung beginnt 2027.
Fazit: Nicht schwerer, sondern schneller – und extrem teuer
Deutschland investiert wieder in Panzer. Allerdings bleiben im Moment größere Aufträge für schwere Kampfpanzer aus. Denn diese sind teuer – und spielen im neuen Drohnenkrieg nur noch eine untergeordnete Rolle. Stattdessen wird auf gepanzerte Fahrzeuge mittlerer Größe gesetzt: schneller, günstiger, mit der Möglichkeit Soldaten zu transportieren.
Nur die Radhaubitze macht hier eine Ausnahme, aber die RCH 155 ist schneller und wendiger, nicht so schwer gepanzert wie die Panzerhaubitze 2000 – und kann aus der Bewegung heraus feuern.
Die Bundesregierung investiert nicht nur eine große Summe Geld in den Panzerbau, ihr kann es anscheinend auch nicht schnell genug gehen. Deshalb bindet sie europäische und amerikanische Unternehmen in den Panzerbau mit ein.
Das multinationale Cavs-Programm mit Finnland, die Beschaffung des Schakal über die europäische Rüstungsagentur, die niederländische Defenture für die Spezialkräfte – überall zeigt sich die neue Strategie: schnell beschaffen statt jahrelang national zu entwickeln.
Dabei nimmt Deutschland im internationalen Vergleich extrem hohe Preise in Kauf. So könnte man mit dem Preis eines einzigen Puma etwa 21.000 Angriffsdrohnen kaufen.