Berlin – Wieder wurde eine Brücke in letzter Sekunde gesperrt, weil sie einsturzgefährdet ist. Die Verantwortlichen warten, bis man die Gefahr nicht mehr leugnen kann, dann verursachen sie ein Verkehrschaos.
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Am Freitag wurde die Gertraudenbrücke für alle Fahrzeuge gesperrt, die mehr als 3,5 Tonnen wiegen, also für alle Lkw, Transporter und Busse. Sie können die Achse Leipziger Straße‑Gertraudenstraße‑Mühlendamm nicht mehr nutzen. Es ist die wichtigste Ost-West-Verbindung in Berlin-Mitte.
In einer trockenen Mitteilung erklärte die Senatsverkehrsverwaltung, „bei der jüngsten Überprüfung“ der Brücke sei eine starke Durchbiegung beim Überqueren von schweren Fahrzeugen festgestellt“ worden. Es gebe „Hinweise auf Ermüdungsrisse von Schweißnähten der Längsträger an der Bauwerksunterseite“.
Deshalb habe „eine Lastbeschränkung“ angeordnet werden müssen, die „auch für den Busverkehr der BVG“ gelte. Die Linie 200 fährt nun zwischen Wilhelmstraße und Alexanderplatz über die Französische Straße.
Mit anderen Worten: Die Gertraudenbrücke ist einsturzgefährdet, genauso wie die kurz dahinterliegende Mühlendammbrücke.
War die Gefahr absehbar? Ja, der Hinweis darauf versteckt sich in der Mitteilung des Senats vom Freitag. Dort heißt es, die Brücke sei „jährlichen Sonderprüfungen“ unterzogen worden, weil die Materialermüdung bekannt war.
Wenn alles bekannt war, warum hat man dann die Brücke nicht längst ersetzt? Warum wartete man, bis die „starke Durchbiegung“ festgestellt wurde?
Versagen bei Gertraudenbrücke ist kein Einzelfall
Dieses Versagen der Verantwortlichen wiederholt sich ständig und überall in Berlin. Weitere Beispiele:
Erstens wurde die Mühlendammbrücke erst 2025 abgerissen, obwohl man sie schon 2018 für baufällig erklärt hatte. Jetzt wird der südliche Teil neu gebaut. Der gesamte Verkehr – mehr als 70.000 Fahrzeuge pro Tag – muss bis 2029 über den nördlichen Teil fahren. Niemand weiß, ob der nördliche Teil dieser Belastung standhält. Mit rund 100 Sensoren wird das Bauwerk Tag und Nacht überwacht. Es bestehe „fortlaufend die latente Gefahr von Spannstahlbrüchen“ meldet der Verkehrssenat, „was eine sofortige Sperrung nach sich ziehen würde“.
Zweites Beispiel: Die Autobahnbrücke über der Ringbahn am Dreieck Funkturm und die weiter nördlich liegende Westendebrücke wurden in diesem Frühjahr buchstäblich im letzten Moment gesperrt und abgerissen.
Drittes Beispiel: Die Rudolf-Wissell-Brücke (A100) ist hochgradig baufällig. Der Neubau wird seit acht Jahren geplant, dennoch wird das Genehmigungsverfahren noch bis 2027 dauern.
Viertes Beispiel: Am 4. November wurde die Stadtautobahn in Fahrtrichtung Nord in Höhe Detmolder Straße von drei auf einen Fahrstreifen verengt, um die Belastung von der Brücke über den Heidelberger Platz zu nehmen. Täglich reicht der Rückstau bis zum Kreuz Schöneberg. An der Brücke seien im September „Korrosionsschäden“ festgestellt worden, teilte die Autobahn GmbH mit, die Brücke müsse saniert werden.
Ob Berliner Verkehrssenat oder die bundeseigene Autobahn GmbH: Sie warten, bis die Gefahr nicht mehr zu leugnen ist. Dann sperren sie ab und verursachen ein Verkehrschaos auf Jahre hinaus. Das kann doch alles nicht mehr wahr sein.
Hat Gunnar Schupelius recht? Schreiben Sie an: gunnar.schupelius@axelspringer.de