Conférencier Eric Gauthier plaudert, singt und tanzt mit seinen Gauthier Juniors bei der Benefizshow Nacht der Lieder im Theaterhaus. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski
Die 24. Nacht der Lieder im Theaterhaus zeigt wieder an zwei Abenden im ausverkauften Theaterhaus die Vielfalt und Stärke dieser Stadt.
Es sind schwere Zeiten. Das merkt man auch an diesen beiden Abenden im Theaterhaus. Wie immer hat Kolumnist Joe Bauer ein Programm auf die Bühne gebracht, dass die Vielfalt Stuttgarts zeigt. Doch was früher selbstverständlich war, keines Gedankens wert, dass da Menschen aus aller Herren Länder auf der Bühne stehen, deren Heimat Stuttgart geworden ist, muss heutzutage betont werden; was früher selbstverständlich war, ist nun eine wichtige Aussage: Kunst verbindet, Musik verbindet.
Was ein Trio: Syrer, Israeli und die Tochter von Holocaust-Überlebenden
Wenn der Syrer Mazen Mohsen, der Israeli Alon Wallach und die Amerikanerin Helene Schneiderman gemeinsam auftreten, dann ist das heutzutage etwas ganz Besonderes. Mit Bedacht haben sie ein hebräisches Lied ausgesucht, das übersetzt sinngemäß heißt: „Die ganze Welt ist eine schmale Brücke, aber man soll keine Angst haben!“ Sie singen Hebräisch, dann Mazen Mohsen Arabisch, und das Publikum im ausverkauften Saal singt den Refrain mit.
Helene Schneiderman Foto: Lichtgut/Leif Piechowski
Dankbar, dass es da eine Brücke gibt, so schmal sie ist. Wie sehr die Welt sich einfachen Antworten entzieht, merkt man, als Wallach ein Lied ankündigt. Ein Gebet. Dass er selbst nicht singen kann, denn es ist auf Aramäisch geschrieben. Einer Sprache, die er nicht könne, die aber dem Arabischen ähnlich sei. So sei er sehr dankbar, dass Mazen Mohsen es singt, „und so einer jüdischen Tradition eine Stimme gibt.“
Mohsen kam 2015 als Flüchtling nach Württemberg, Alon Wallach 2002 nach Stuttgart, um an der Musikhochschule zu studieren. Helene Schneidermans Eltern haben die Shoah überlebt, sie ist in New Jersey geboren, war die jüngste Kammersängerin an der Staatsoper Stuttgart, ist schon längst Ehren-Schwäbin. Nein, unpolitisch kann so ein Abend nie sein, darf so ein Abend nicht sein, schon gar nicht in diesen Zeiten. Darauf legt Bauer Wert. Und doch wird dieser Abend nie belehrend. Was daran liegt, wie Bauer die Gäste auswählt. Als Flaneur stiefelt er durch Stuttgarts Straßen, „und dabei treffe ich irgendeinen Menschen, der Musik macht“. So einfach sei das. Die frage er nicht: „Wo kommst Du her?“ Warum auch: „Die leben hier in Stuttgart.“ Und stehen alsbald auf der Bühne des Theaterhauses. Und treten auf zugunsten der Aktion Weihnachten, die jenen hilft, denen es nicht so gut geht in dieser Stadt. Unsere Leser spenden dafür seit Jahrzehnten. Dafür wurden sie zum 24. Mal beglückt mit einer Revue von Nummern, die eigentlich nicht zusammenpassen und sich doch bestens ergänzen.
Paolo Nani Foto: Lichtgut/Leif Piechowski
Zusammengebunden wurden sie von Eric Gauthier. Ein treuer Freund der Nacht der Lieder. Schon in den Anfängen war er dabei, zeigte seine vielen Talente. Am Freitag und Samstag gab er den Conférencier, moderierte mit dem ihm angeborenen Charme und sang mit Schmelz in der Stimme ein Weihnachtslied für jeden Gast, der auf die Bühne kam.
Patrick Langer war da, dieses Mal alleine, ohne Unterstützung seiner Kollegen von „Die Füenf“. Das habe Vorteile, sagt er, am Piano sitzend. Er müsse nur mit sich allein diskutieren, „und ich kann mich meistens durchsetzen“. So entstand wohl auch das Lied über die vier Heiligen Könige. Ja, vier! Aber Gerhard wurde leider krank und musste an der Oase bleiben. Immerhin, es hätte auch Pforzheim sein können. Helge Thun, Import aus Kiel, reimt gerne zu Aktuellem. So über den Abriss eines Aussichtsturmes bei Pforzheim. „Die Aussicht war an sich ganz schön, aber Pforzheim war halt auch zu sehen.“
Der Popchor des Musikwerks Stuttgart Foto: Lichtgut/Leif Piechowski
Paolo Nani erzählt die immer gleiche Geschichte, Wein trinken, Brief schreiben, aber jedes Mal anders, rückwärts. ohne Hände, vulgär. Ein unfassbar komischer Stummfilm. Für die Töne waren andere zuständig. Martl Jäckl an der Geige und Aron Varda am Schlagzeug, oder Bariton Jacobo Ochoa, begleitet von Michael Pandya am Klavier, Song Yi Jeon, die mit ihrer Stimme das Klavierspiel von Gee Hye Lee spiegelte, der Popchor Stuttgart und die Liedernachtsshowband, Marquis de Schoelch, Vitek Spacek, Friedrich Kienle und Patrick Metzger. Die Gauthier Juniors tanzten im Abendkleid und Smoking.
Es sind schwere Zeiten. Aber wie sagt doch Joe Bauer, man kann etwas tun. Gemeinsam. Und das fühlte sich ganz leicht an.