Wer am Freitagabend zufällig auf dem sogenannten Uber-Platz (früher Mercedes-Benz, noch früher o2) unterwegs war, dem eröffnete sich ein bizarres Bild. Während tausende Anhänger der Berliner Eisbären in die große Arena strömten – inklusive Fan-Montur und alles, was man sonst bei sich trägt, wenn man Sportveranstaltungen besucht – stopften sich nicht ganz so viele, aber immerhin auch 1.500 äußerst aufgebrezelte Influencer und andere Semi-Prominente in die kleinere, neben der Arena liegende „Music-Hall“.

Die Tagesspiegel-App Aktuelle Nachrichten, Hintergründe und Analysen direkt auf Ihr Smartphone. Dazu die digitale Zeitung. Hier gratis herunterladen.

Groß in die Quere kamen sich die beiden ungleichen Gruppen zwar nicht – die Blicke der Eishockey-Fans sprachen aber Bände: Verwunderung, Entsetzen, Staunen. Oder allgemeine Belustigung über die anderen, die eigentlich nur damit beschäftigt waren, möglichst ausdruckslos in Paparazzi-Kameras zu gucken. Das Hamburger Online-Versandhaus „About You“ veranstaltete parallel zum Eisbären-Match die unternehmenseigene „Fashion Week“. Das wurde tatsächlich so genannt, auch wenn die „Woche“ nur aus einem Abend bestand.

Immerhin, über den Laufsteg gingen mehrere Kollektionen – mit Mode, im Sinne von Schneiderkunst, hatte aber keine davon besonders viel gemein. Über mehrere Stunden wurde in der Mehrzweckhalle, in der sonst eigentlich Konzerte stattfinden, einige der durch „About You“ vertretenen Marken präsentiert. Das besondere: ein Teil davon wird von mehr oder weniger Prominenten geführt.

Pyrotechnik und Blaskapelle

Weil ein findiges Marketing-Team wohl bereits ahnte, dass die einzelnen Kleidungsstücke sich trotz unterschiedlicher Labels nicht groß unterscheiden, wurde die ganze Show als Sportveranstaltung getarnt. In mehreren Runden gab es choreografierte Boxkämpfe, Tanzeinlagen, Akrobatik auf Fahrrädern oder ein inszeniertes Baseball-Spiel und zwischendrin alles, was die Trickkiste der Effekthascherei so hergibt: Geschenke, nackte Haut, Pyrotechnik und eine Blaskapelle.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Externen Inhalt anzeigen

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

In der obligatorischen ersten Reihe rund um das Spielfeld saßen insbesondere jene Promis, deren Name auch auf den präsentierten Klamotten stand. Darunter die erste „Germany’s Next Topmodel“-Gewinnerin Lena Gercke, mit ihrer Modelinie „LeGer“ (die heißt wirklich so), Designerin Marina Hoermanseder mit „Hoermanseder“ oder Sängerin Zoe Wees mit „Five Star Girl“. Man konnte sich schon wundern, dass „About You“ aus seinem Geschäftsmodell so gar kein Geheimnis macht – ja sich gar so unverblümt die Blöße gibt: Die Fans der unterschiedlichen jeweiligen Promis werden als potenzielle Kunden abgegriffen, letztendlich aber mit mehr oder weniger dem Gleichen konfrontiert. Die unterschiedlichen „Promi-Kollektionen“ unterschieden sich maximal in ihrer Farbgebung.

Designerin Marina Hoermanseder modelt für ihre „About You“-Linie „Hoermanseder“ selbst.

© imago/APress

In der am Folgetag verschickten Pressemitteilung hieß es über die ausufernde modische Kreativität der Stars dann aber trotzdem: „Jede Marke zeigte ihre individuelle Stilwelt, von modern-romantisch über avantgardistisch bis hin zu empowering – verbunden durch ein dynamisches Bewegungsbild, das Mode als Ausdruck von Persönlichkeit und Kreativität feierte“.

Musikerin Zoe Wees verkauft jetzt auch Kleidung über das online Versandhaus – außerdem kann sie besonders emotional Playback

© imago/APress

Und weiter: „Gemeinsam mit einer Live-Performance von Zoe Wees, die ihre eigene Kollektion musikalisch begleitete, endete die Präsentation der Celebrity Collections by ABOUT YOU in einem emotionalen Gänsehautmoment“. Besagter Gänsehautmoment bestand aus herzzerreißend bewegt vorgetragenem Playback und auch sonst wirken die gewählten Vokabeln Anbetracht der doch recht schlichten Realität stark wie von der künstlichen Intelligenz ersonnen.

Energie und Emotionen

Die vielen anderen als „VIPs“ gebuchten Erste-Reihe-Stars waren ihr Geld zum Glück wert und freuten sich fleißig über die Präsentationen. Laut gejubelt und geklatscht hatten unter anderem Model Eva Padberg, Rapperin Loredana, Oliver Pocher-Ex Amira Aly oder „Blümchen“ Jasmin Wagner. Außerdem zahllose sogenannte „Content Creatoren“ (Influencer sagt man offiziell nämlich nicht mehr), die die traditionellen Promis in Sachen online Reichweite natürlich um einige Millionen übertrafen. Aus der Fraktion vertreten etwa Céline Bethmann, Carlos Böttcher, Cita Maass, Daniel Fuchs oder Millane Friesen.

Chryssanthi Kavazi, Jasmin Wagner, Eva Padberg und Alena Gerber dürfen als „VIPs“ in der ersten Reihe sitzen.

© imago/APress

Mehr zum Thema Breuninger trifft „Monopol“ Berlins Kunstszene kleidet sich so konform wie Gäste einer Beerdigung Mr. Unreal Estate gibt Einblicke in Luxus-Immobilien Auch eine Zehn-Millionen-Euro-Villa kann lästig werden Neue Doku über Fynn Kliemann „Das ist einfach ein riesengroßes Ego-Ding“

Der „Director of Content“ von „About You“, Julian Jansen sagte im Anschluss über seine Veranstaltung zufrieden: „Der Abend war voller Energie und Emotionen – genau so, wie wir es uns vorgestellt haben. Für die Gäste ein unvergessliches Erlebnis, für uns ein voller Erfolg“, man hätte zeigen wollen, dass Mode mehr als nur Ästhetik ist und das sei dem Unternehmen gelungen. Was das betrifft, hat er natürlich recht: solange das Zeug gekauft wird, ist sein Aussehen vollkommen wurscht. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch!