Was tun, wenn es brennt, die Erde bebt, der Strom länger ausfällt oder Sturzfluten den Keller überschwemmen? „Bei zu vielen Menschen fehlen elementare Kenntnisse über Vorsorgemaßnahmen und das richtige Verhalten im Katastrophenfall“, schreibt das baden-württembergische Kultusministerium auf seiner Internetseite. In Stuttgart sind sie sicher: „Schulische Bildung kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, für Handlungssicherheit und Resilienz zu sorgen.“

Und deshalb haben sie in Kultus- und Innenministerium einen Plan entwickelt, der unter anderem einen jährlichen Aktionstag in den Schulen in Baden-Württemberg vorsieht. Alle Sechstklässler der allgemeinbildenden Schulen im Land sollen daran teilnehmen, organisiert von den Hilfsorganisationen vor Ort: Feuerwehren, Rotes Kreuz, Technisches Hilfswerk, DLRG. Doch der Start des Projekts verlief holprig. Denn viele Ehrenamtliche im Land wurden von den Plänen der Ministerien kalt erwischt. Und sind verschnupft.

Niemand hat uns mitgeteilt, was wir genau tun sollten.

Stefan Jetter, Kreisfeuerwehrverband Zollernalb

So wie im Zollernalbkreis, wo im vergangenen Jahr plötzlich die Telefone bei Feuerwehr und THW klingelten. Schulen wollten beim Aktionstag mitmachen, doch die Angerufenen waren ratlos: „Niemand aus den Ministerien hatte uns mitgeteilt, was wir eigentlich genau tun sollen“, sagt Stefan Jetter, Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbands im Zollernalbkreis. „Es haben Infos gefehlt.“ Und nicht nur den Hilfsorganisationen auf der Zollernalb erging es so. Als Mitglied im Präsidium des Landesfeuerwehrverbands erinnert sich Jetter gut: „Viele Feuerwehren im Land hatten genau das gleiche Problem.“

Deshalb ist die Sache heikel

Pikant ist das vor allem deshalb, weil man in Stuttgart offenkundig die Mitwirkung der Ehrenamtlichen im Land vorausgesetzt hatte – ohne diese richtig in die Pläne einzuweihen. „Da stellen sich aber ja eine Menge Fragen, etwa zur Freistellung vom Arbeitsplatz“, erklärt Jetter. „In der Regel müssen wir Urlaub dafür nehmen.“ Und da dürfte einiges zusammenkommen: Allein im Zollernalbkreis gebe es mehr als 50 Schulen, in denen die Klassenstufe 6 unterrichtet wird, erklärt der Vorsitzende des Kreisfeuerwehrverbands.

Michael Würz Kommentarfoto zu Panne im Ministerium: Feuerwehren sollen Schüler ausbilden, wissen aber von nichtsKommentar: So geht man nicht mit Ehrenamtlichen um

Michael Würz kommentiert die missglückte Kommunikation der Ministerien

Und dennoch steht im Zollernalbkreis dieser Tage ein fertiges Konzept. Denn dass sie trotz der aus ihrer Sicht fragwürdigen Kommunikation der Ministerien konstruktiv mitarbeiten wollen – das war ihnen schnell klar. „Wir haben eine kreisweite Projektgruppe gegründet“, sagt Jetter. Wie in anderen Landkreisen haben sie die Sache auf der Zollernalb selbst in die Hand genommen, auch die Bergwacht hat sich beispielsweise beteiligt. Jetzt gibt es Ergebnisse und Arbeitsvorlagen, sie werden im Moment den Einheiten in den Gemeinden vorgestellt. Den zahlreichen Feuerwehrabteilungen etwa, und den DRK-Ortsvereinen.

Denn generell, und das betont Jetter, sei das Projekt „eine ganz tolle Sache“. Jetter sagt: „Die Leute sind nicht mehr vorbereitet auf Katastrophen. Wenn Kinder schon lernen, wie man sich präventiv schützen kann, kann das später auch die Hilfsorganisationen entlasten. Mancher überflutete Keller ließe sich vielleicht vermeiden.“ An der Idee, die aus den Ministerien kam, zweifelt hier niemand. Auch wenn diese „die Ehrenamtlichen unerwartet getroffen hat“, wie Jetter es formuliert.

Ein besonderes Happy End hat die Causa derweil im Landkreis Tübingen genommen: Wie im Zollernalbkreis haben sie sich hier zusammengetan, um ein Konzept zu erarbeiten. Ende des vergangenen Jahres räumten die Tübinger Hilfsorganisationen dann sogar beim Förderpreis „Helfende Hände“ ab, landeten mit ihrem Konzept auf Platz 3 in der Kategorie Nachwuchsarbeit.

Das sagt das Innenministerium

Doch wie konnte es passieren, dass die Helfer zunächst kalt überrascht wurden? Aus dem baden-württembergischen Innenministerium heißt es auf Anfrage: „Wir haben die Akteure auf Ebene der Landesgeschäftsstellen im Hinblick auf die erfolgte Kommunikation frühzeitig eingebunden und bei der Projektplanung mitgenommen. Wir bedauern, wenn die Informationsweitergabe nicht überall funktioniert haben sollte.“

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Einem Ministeriumssprecher zufolge habe man „das Projekt als Ganzes bereits frühzeitig den Mitgliedern des Landesbeirats für Katastrophenschutz vorgestellt“. Diese habe man dann wiederum gebeten, „die Informationen innerhalb der jeweiligen Organisationen weiterzugeben“. Das hat, ganz offensichtlich, nicht gut funktioniert. Der Ministeriumssprecher kündigt an: „Wir werden das Projekt auch weiter mit unseren Partnern begleiten und eventuell auftretende Missverständnisse oder Probleme gemeinsam mit diesen angehen.“

Weiter heißt es in der Stellungnahme des Innenministeriums: „Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass wir hier nach wie vor am Anfang stehen und sich noch einiges finden und einspielen muss.“ Man sei zuversichtlich, „dass sich der Aktionstag im Laufe der kommenden Jahre mit der Unterstützung von allen Akteuren weiter verstetigt und sich der damit einhergehende Abstimmungsaufwand sukzessiv verringern wird“.