Bielefeld. Es gibt schon einen Namen – jetzt fehlt dazu nur noch der Hund: „Findus“ soll er heißen und Ann-Kristin begleiten und beschützen, beobachten und betreuen. Denn Ann-Kristin leidet an einer komplexen PTBS, an einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung. Verursacht durch einen jahrzehntelangen sexuellen Missbrauch und Psychoterror in Form von Todesdrohungen gegen sie und ihr wichtige Menschen, erklärt Anja Schöndienst, die in Bielefeld freiberuflich als Soziotherapeutin tätig ist und Menschen mit psychischen Erkrankungen ambulant unterstützt.

Sie berichtet von dem Schicksal ihrer Klientin in einem Spendenaufruf auf dem Portal „Gofundme“. Dort sammelt sie Geld für Kauf und Training eines speziell ausgebildeten Assistenzhundes. Sie habe diesen unkonventionellen Schritt gewählt, weil auf dem klassischen Wege momentan nichts zu machen sei und Ann-Kristin dringend Hilfe benötige.

„Einige Stiftungen lehnten ab wegen leerer Kassen, andere reagierten gar nicht, und auch Kostenträger wie die Krankenkasse oder der LWL halfen nicht weiter“, fasst Schöndienst ihre vielen Versuche zusammen. Als Ziel hat sie 13.000 Euro aufgerufen – und dank einer anonymen Großspende vor wenigen Tagen liegt die Summe bereits bei knapp 8.800 Euro. Das wäre ein Drittel dessen, was „Findus“ kosten würde. Dessen Anschaffung und Ausbildung lägen dann bei rund 24.000 Euro.

Berufstätigkeit trotz Beeinträchtigung

„Wir freuen uns so sehr, dass schon so viel Geld zusammengekommen ist, und hoffen, dass wir das Spendenziel schaffen – die verbleibenden 11.000 Euro spart Ann-Kristin zusammen, denn trotz vieler Beeinträchtigungen erzielt sie ein kleines Einkommen aus Berufstätigkeit“, sagt Schöndienst. Ann-Kristin lebe inzwischen fern der Orte und Menschen, die ihr dieses Martyrium aufgezwungen hätten. Die Spuren der grausamen Taten aber, die seien noch permanente Begleiter der 54-Jährigen.

Ann-Kristin erlebe immer wieder Flashbacks, dissoziative Zustände und schlimmste Ängste. „Nachts hat sie Albträume, die sie nicht schlafen lassen, tagsüber kämpft sie mit Erschöpfung, Isolation und dem ständigen Gefühl, in Alarmbereitschaft zu sein“, schreibt Schöndienst auch auf der Seite des Spendenaufrufs. Jahrelang sei sie damit eingeschüchtert worden, dass sie sich selbst und andere Menschen gefährde, wenn sie je über das Erlittene sprechen würde. Ein Gefühl von Sicherheit habe sie nie kennengelernt.

Der Hund als Weggefährte zurück ins Leben

Mit Assistenzhund-Trainerin Carina Stanek, die im niedersächsischen Glandorf seit zehn Jahren ihre Hundeschule „Humani“ betreibt, sei bereits die passende Fachfrau für die ambitionierte Aufgabe gefunden, so Schöndienst. „Zunächst trainieren Mensch und Hund in ruhiger, ablenkungsarmer Umgebung. Dort werden die individuellen Assistenzaufgaben aufgebaut – etwa Dissoziationen oder Panikattacken frühzeitig anzeigen und bei Bedarf unterbrechen, Notfallmedikamente bringen, durch gezielten Körperkontakt Sicherheit geben, im Notfall Hilfe holen oder auch weitere individuell erforderliche Assistenzleistungen“, erklärt Stanek.

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Erst wenn das verlässlich sitze, werde die Ablenkung Schritt für Schritt gesteigert – sowohl für den Hund als Trainingseinheit als auch für den Menschen, der mit psychischen Belastungen belebte Orte oft meide. Das werde traumasensibel berücksichtigt. Das Team stütze einander und erhalte von den Trainerinnen die nötige Sicherheit, um gemeinsam stabil in Alltagssituationen trainieren zu können.

Mit Spendenaufruf das Schweigen brechen

Wobei der Alltag, wie Ann-Kristin ihn erst seit wenigen Jahren kenne, immer noch eine gewaltige Herausforderung sei, sagt Schöndienst. Die ihre Klientin bei der ganzen Aktion bewusst abschirmt: „Auch wenn Ann-Kristin zum Schutz ihrer Person hier nicht selbst in Erscheinung tritt, ist dieser Spendenaufruf für sie doch ein großer Meilenstein und es ist ihr Wunsch, auf diese Weise ihr Schweigen zu brechen und andere Menschen teilhaben zu lassen.“

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