Gerade erst am vergangenen Freitag hat der Bundesrat die Mehrwertsteuersenkung auf Speisen in der Gastronomie auf sieben Prozent vom 1. Januar an beschlossen, da meldet sich Maximilian Heisler schon auf Instagram zu Wort und verkündet: Das „Saletta“ werde die Senkung an seine Gäste in Form eines Gutscheins weitergeben. Wer 85 Euro zahlt, kann in dem Giesinger Wirtshaus für 100 Euro essen und trinken. Allerdings sollte man wissen: Zu kaufen gibt es die Gutscheine – zumindest vorerst – bis 31. Januar.

Am Telefon erklärt Heisler, der das Saletta mit vier anderen Gastronomen betreibt, am Montag die Entscheidung so: Zum einen habe man die Mehrwertsteuersenkung schon in irgendeiner Form weitergeben wollen, zum anderen sei eine dauerhafte Anpassung der Preise für das noch relativ neue Wirtshaus – erst vor gut eineinhalb Jahren haben sie geöffnet – finanziell nicht drin.

Max Thissen, Betriebsleiter vom Saletta, präsentiert den 100-Euro-Gutschein, den man in dem Giesinger Wirtshaus aktuell für 85 Euro bekommt.Max Thissen, Betriebsleiter vom Saletta, präsentiert den 100-Euro-Gutschein, den man in dem Giesinger Wirtshaus aktuell für 85 Euro bekommt. (Foto: Florian Peljak)

Zudem sieht Heisler, der das Saletta als Treffpunkt fürs Viertel versteht, es so: „Wir kommen den Leuten entgegen, die eh Lust haben, zu uns zu kommen.“ Die Aktion ist für ihn deshalb weniger ein reiner Marketinggag als vielmehr ein Weg, Gäste dauerhaft an das Saletta zu binden – und das zahlt sich dann im Idealfall langfristig aus. Auch deshalb will Heisler nicht ausschließen, dass sie die Aktion verlängern oder sich noch etwas anderes überlegen.

Heisler könne aber, das betont er, auch jeden Gastronomen verstehen, der die Senkung gar nicht an den Gast weitergebe. Vor allem für kleine Betriebe hat er Verständnis. Ein solcher Fall wäre das vegane Café „Omnomnom“ von Daniel Tesic in Neuhausen. Der Betreiber findet: „Die Mehrwertsteuersenkung ist nicht dafür da, Preise zu senken, sondern um weitere Erhöhungen überhaupt vermeiden zu können.“

Generell stört Tesic aber, wie undifferenziert die Debatte geführt werde: Da werde einerseits nicht zwischen großen Konzernen und inhabergeführten Läden unterschieden, andererseits werde nicht bedacht, wie vielen Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenslagen die Gastronomie Arbeit biete. Arbeit wohlgemerkt, die fair bezahlt gehört.

Und ein weiterer Punkt ärgert Tesic: Die Mehrwertsteuersenkung, die jetzt für vor Ort verzehrte Gerichte kommt, gilt unter anderem für Lieferdienste längst „und da meckert kein Mensch“. Grundsätzlich, sagt der Cafébetreiber, sei die Entscheidung durch den Bundesrat „kein großer Wurf, sondern eher ein Tropfen auf den heißen Stein – allerdings ein dringend benötigter“.

Ähnlich sieht das Stefan Grosse vom Restaurant „Blauer Bock“ in der Innenstadt: Auch er werde die Preise im kommenden Jahr nicht anpassen, etwaige Einsparungen würden seit Jahren schon durch steigende Personal- oder Energiekosten mehr oder weniger „aufgefressen“.

Und auch Susanne Allmang vom „Steinheil“ will ihre Preise nicht anpassen: Sie habe, so die Wirtin vom Restaurant in der Maxvorstadt, seit zwei Jahren keine Preiserhöhungen vorgenommen, „durch die Mehrwertsteuersenkung wird das auch im Jahr 2026 nicht notwendig sein“. Generell, so Allmang, halte sie die neue Regelung aber für fair und hoffe, „dass sie der Gastronomie hilft, vielfältig zu bleiben“.

Die Schnitzel im von Susanne Allmang betriebenen „Steinheil“ sollen zumindest nicht teurer werden.Die Schnitzel im von Susanne Allmang betriebenen „Steinheil“ sollen zumindest nicht teurer werden. (Foto: Robert Haas)

Das passt zu dem, was Thomas Geppert schon im Vorfeld der Entscheidung gesagt hatte: Der Landesgeschäftsführer des Dehoga, dem Hotel- und Gaststättenverband, hatte betont, die Mehrwertsteuersenkung diene der „Existenzsicherung“ gastronomischer Betriebe – und damit ja schlussendlich auch der kulinarischen Vielfalt in einer Stadt wie München.

Was Geppert ebenfalls betont hatte, und auch das passt zu dem, was Tesic, Grosse und Allmang sagen: Laut einer Umfrage aus dem Herbst planen nur 51,6 Prozent aller befragten Betriebe, ihre Preise zu senken. Deutlich mehr wollen die zwölf Prozent, die ihnen nach der Senkung theoretisch mehr an Geld bleiben, nutzen, um zu investieren, um Arbeitsplätze zu sichern. 86,3 Prozent der Befragten gaben sogar an, die Neuregelung diene der „Stabilisierung ihrer wirtschaftlichen Situation“.

Das hat man uns versprochen – deshalb muss das jetzt auch kommen

Jürgen Wolfsgruber

Jürgen Wolfsgruber hält vieles, was der Dehoga und auch Kolleginnen und Kollegen sagen, für „Augenauswischerei“. Der Restaurantbetreiber sagt: Klar werde die Mehrwertsteuersenkung auch ihm helfen, sie als Heilsbringer zu verkaufen, sei aber falsch. Er will im „Sparkling Bistro“, seinem Sternerestaurant, beim Sechs-Gänge-Menü von aktuell 190 auf 175 Euro runtergehen, im „Tschecherl“ und dem „Obers“ seien derzeit dagegen keine Preissenkungen geplant. Dafür soll man dort für den gleichen Preis in Zukunft wieder etwas mehr bekommen; statt aktuell 80 Gramm dann vielleicht 100 Gramm Fleisch. Zudem habe man die Gehälter angepasst.

Was Wolfsgruber seiner Branche grundsätzlich rät: Weniger jammern, hier und da eigene Rezepturen überdenken und ja, wie wär’s denn damit, mal wieder in Qualität investieren? Vor allem den Wirtshäusern, die brauereigebunden sind, wirft der Koch und Gastronom vor, zunehmend Fertigprodukte zu servieren – und dafür dann trotzdem gesalzene Preise zu verlangen. Das wiederum, glaubt Wolfsgruber, würden die Gäste merken: „Das Qualitätsbewusstsein ist gestiegen.“ Die Leute würden nach wie vor gerne essen gehen, dann aber eben dort, wo sie auch was bekommen für ihr Geld. Überhaupt: In Gastronomie stecke doch das Wort Gast, sagt Wolfsgruber. Warum drehe sich dann alles nur noch um Zahlen?

Wolfsgruber sieht mit Blick auf die schwierige Lage vieler Wirtinnen und Wirte also zumindest eine Teilschuld bei der Branche selbst und deshalb ist es für ihn mit der Mehrwertsteuersenkung allein nicht getan. Auch er sagt aber: „Das hat man uns versprochen – deshalb muss das jetzt auch kommen.“

Wenn man noch fragt, was darüber hinaus auf dem Wunschzettel von Wirtinnen wie Allmang steht, dann sagt die: geringere Energiepreise, weniger Bürokratie. Anpassungen des Arbeitszeitgesetzes wären zum Beispiel schön. Das wünscht sich so übrigens auch der Dehoga, der fordert seit Jahren eine Umstellung auf eine Wochenarbeitszeit. Gleichzeitig verbucht dessen Landesgeschäftsführer Geppert die gerade beschlossene Mehrwertsteuersenkung als einen der „größten Erfolge“ und ja, schon auch als vorgezogenes Weihnachtsgeschenk.

Und im Saletta? Haben sich seit Freitag etwa 30 Leute gemeldet, die einen vergünstigten Gutschein kaufen wollen. Als Last-Minute-Weihnachtsgeschenk vermutlich.