Es zeugt von einigem Mut, sich als junge Choreografin zwischen zwei Meistern des Balletts einzureihen, die als die Erneuerer des klassischen Tanzes gelten. Noch dazu – und man muss es leider so schreiben – als Frau, denn die Zahl der weiblichen Choreografinnen ist nach wie vor sehr beschränkt. Beim Bayerischen Staatsballett ist die 31-jährige Emma Portner in dieser Spielzeit die einzige, deren Kreationen gezeigt werden. Es ist also auch ein Stück weiblicher Selbstbehauptung, dass ihr Ballett „Megahertz“ nun im Münchner Nationaltheater Uraufführung feierte, eingerahmt von William Forsythes „Blake Works I“ und Maurice Béjarts „Bolero“, zwei Signaturstücken zeitgenössischer Tanzgeschichte. Und das sich – um dies gleich vorwegzunehmen – in diesem „Beiwerk“ gar nicht schlecht ausnimmt.
Die Choreografin Emma Portner zeigt im Ballettabend „Waves and Circles“ die Uraufführung von „Megahertz“
Denn wie Forsythe und Béjart überführt Emma Portner Phrasen und Strukturen des klassischen Balletts in eine moderne Bewegungssprache. Geschult ist ihr Stil durch die Ausbildung am National Ballet of Canada und der New Yorker Ailey School, erprobt ist er in Pop-Videos unter anderem für Justin Bieber und als Bewegungsdarstellerin in Filmen wie „Ghostbusters: Afterlife“.

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Szene aus Emma Portners Uraufführung „Megahertz“ im Nationaltheater München
Foto: N. MacKay/BSB
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Szene aus Emma Portners Uraufführung „Megahertz“ im Nationaltheater München
Foto: N. MacKay/BSB
Ausgangspunkt Portners ist ein Song von Paddy McAloon, der auf der musikalischen Ebene mit seinem sonoren Saxofon Erinnerungen an die Melancholie französischer Nouvelle-Vague-Filme weckt. Im gesprochenen englischen Text breitet er die Selbsterforschung eines lyrischen Ichs aus. Carollina Bastos verleiht dem einen starken tänzerischen Ausdruck und gleitet mit weiteren sechs Kolleginnen und Kollegen durch einen Bewusstseinsstrom aus Erinnerungen, Fantasien und konkreten Szenen. Doch man muss nicht hören, nur schauen auf das, was auf der Bühne vorbeizieht: eine Ballerina (Ana Goncalves), ein Engel mit weit ausgebreiteten Schleierflügeln (Soren Sakadales), ein Prinz (Osiel Gouneo) – ein Panoptikum aus Traumfiguren, das einen zur Monotonie der Musik und durch eine raffinierte Lichtführung (Eric Chad) der Realität enthebt. Fließend und weich verschrauben sich die Körper ineinander, werden zu einem Gebilde, aus dem sich Beine und Arme herausschälen, oder zur Reihe, in der sich Bewegung in kleinsten Nuancen durch Hände und Kopf fortsetzt.
William Forsythes „Blake Works I“ dekonstruiert das klassische Ballett
Um die Nuancen geht es auch in William Forsythes Stück „Blake Works I“, das Forsythe 2016 für das Pariser Opernballett schuf und das den Ballettabend „Waves and Circles“ eröffnete. In sieben Kurzepisoden zu Songs des englischen Singer-Songwriters James Blake zitiert der amerikanische Meister-Choreograf das klassische Ballett, verdreht es aber in seinen Achsen, dekonstruiert es und versieht es durch einen leichten Hüftschwung oder eine abgewinkelte Hand mit einem humorvollen, bisweilen auch ironischen Unterton. Kurz wird die Tänzerin zum sterbenden Schwan oder findet sich das Ensemble in Arabesken à la „Giselle“. Unglaublich leicht, gut gelaunt und spielerisch gleitet das Ensemble des Bayerischen Staatsballetts durch die brillanten Soli, Duette und Ensembleformationen, ohne die Präzision und Virtuosität missen zu lassen, die Forsythes Choreografien erfordern und die sie zu Lehrstunden des neoklassischen Balletts machen.

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Sensationell: Osiel Gouneo tanzt beim Bayerischen Staatsballett „Bolero“.
Foto: N. MacKay/BSB
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Sensationell: Osiel Gouneo tanzt beim Bayerischen Staatsballett „Bolero“.
Foto: N. MacKay/BSB
Osiel Gouneo tanzt in Maurice Béjarts „Bolero“
Und dann das Finale, sensationeller Höhepunkt dieses Ballettabends: Maurice Béjarts Jahrhundert-Choreografie zu Maurice Ravels „Bolero“. Der fantastische Osiel Gouneo ist bei der Premiere der Mann auf dem runden roten Tisch, der sich, umringt von 36 Tänzern des Bayerischen Staatsballetts und des Juniorballetts und angetrieben von Melodie und Rhythmus, aus einem fast lässigen tänzerischen Understatement in die Ekstase steigert, die auch den Jubel des Publikums am Ende explodieren lässt.
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Birgit Müller-Bardorff
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Bayerisches Staatsballett
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