Sieben internationale Filme, die 2025 zu Unrecht übersehen wurden.

Preisgekrönt, aber vom Publikum weitgehend missachtet – dieses Schicksal hat auch in diesem Jahr viele Produktionen ereilt.

Das Filmjahr 2025 war reich an Superlativen – zumindest, wenn man die Plakatwände und Streaming-Startseiten betrachtet. Doch jenseits von Capes, Remakes und Animationsfortsetzungen gab es ein noch ein anderes Kino. Eines voller leiser Sensationen, politischer Dringlichkeit und formaler Wagnisse. Filme, die auf den wichtigsten Festivals Preise abräumten, verschwanden im Alltag des Publikums jedoch fast lautlos. Zeit, ihnen noch einmal die Bühne zu geben.

Natürlich, so viel sei vorangestellt, ist diese Betrachtung rein subjektiv. Wie könnte es auch anders sein? Was die Filme allesamt ein: Viele der Werke stammen aus Ländern und Produktionskontexten, die selten vom globalen Mainstream belohnt werden. Sie erzählen persönliche, unbequeme oder radikal reduzierte Geschichten – und verlangen Aufmerksamkeit statt Ablenkung. Genau das macht sie so sehenswert. Hier sind sieben internationale Filme, die 2025 zu Unrecht übersehen wurden.

„The Voice of Hind Rajab“ (Tunesien)

Was wie ein minimalistisches Kammerspiel klingt, entpuppt sich als emotionaler Schlag in die Magengrube. Der gesamte Film spielt im Funkzentrum des Palästinensischen Roten Halbmonds – und genau diese radikale Beschränkung verleiht ihm seine Wucht. Stimmen aus dem Kriegsgebiet, abgebrochene Funksprüche, minutenlange Stille: Regie und Publikum sind gleichermaßen gefangen im Warten auf Antworten, die oft nicht kommen. In Venedig wurde der Film mit dem Großen Jurypreis ausgezeichnet. Im Januar soll er in die deutschen Kinos kommen.

Bemerkenswert ist dabei auch die formale Strenge des Films, die auf größere Kontext-Erklärungen verzichtet. Stattdessen zwingt „The Voice of Hind Rajab“ sein Publikum, in die alltägliche Situation im Funkzentrum einzutauchen und zuzuhören – wirklich zuzuhören. In einer Zeit permanenter Bilderflut wirkt diese erzählerische Reduktion fast radikal und macht den Film zu einem der eindringlichsten Antikriegswerke des Jahres.

„The Secret Agent“ (Brasilien)

Ein Spionagefilm ohne Glamour, dafür mit politischem Biss und existenzieller Müdigkeit. Der brasilianische Oscar-Beitrag erzählt von einem Geheimagenten, der weniger James Bond als Kafka-Figur ist. In Cannes wurde der Film für Regie und Hauptdarsteller gefeiert, weil er das Genre entkernt und neu zusammensetzt. Denn es gibt keine Explosionen, sondern moralische Implosionen. Ein Thriller, der lange nachwirkt – wenn man ihn denn zu sehen bekommt.

Gerade darin liegt seine Stärke. „The Secret Agent“ verweigert jede klare Heldenfigur und zeigt ein System, das seine Akteure zermürbt und austauschbar macht. Der Film liest sich wie ein Kommentar zur politischen Gegenwart Brasiliens – und darüber hinaus – und beweist, dass politisches Kino auch spannend sein kann, ohne laut zu sein.

„Left-Handed Girl“ (Taiwan)

Zart, eigenwillig und völlig unberechenbar: Dieses taiwanesische Drama erzählt von einer jungen Frau, die sich buchstäblich und metaphorisch gegen gesellschaftliche Erwartungen stellt. Mit feinem Humor und stiller Melancholie entfaltet der Film ein Porträt von Selbstbestimmung, das nie plakativ wird. Die Oscar-Shortlist-Ehren konnten ihm zwar internationales Prestige verschaffen, aber keinen Platz im regulären Kinoprogramm.

Visuell arbeitet Left-Handed Girl mit beiläufiger Eleganz. Statische Einstellungen, kleine Gesten, viel Raum für Zwischentöne. Es ist ein Film, der nicht drängt, sondern vertraut – darauf, dass sein Publikum bereit ist, sich einzulassen. Vielleicht war genau das sein größtes Hindernis auf dem Weg zur breiten Wahrnehmung.

„Sirāt“ (Spanien)

Ein spiritueller Roadmovie, der mehr fragt als beantwortet. „Sirāt“ – benannt nach der Brücke zwischen Diesseits und Jenseits in der islamischen Eschatologie – begleitet seine Figuren durch eine existenzielle Grenzerfahrung. Der Jury-Preis in Cannes würdigte den Mut zur Langsamkeit und Ambivalenz. Im Mainstream jedoch war für diese Art von Kino offenbar kein Platz zwischen Actionsequels und Franchise-Logik.

„Sirāt“ ist kein Film für schnelle Antworten, sondern für lange Nachwirkungen. Wer sich auf seine spirituelle und philosophische Ebene einlässt, entdeckt ein Werk, das Fragen nach Schuld, Glaube und Orientierung stellt, ohne sie je abschließend zu klären – ein Risiko, das heute nur noch wenige Filme eingehen.

Hier gelangt man zur ausführlichen Filmkritik von DIGITAL FERNSEHEN

„In die Sonne schauen“ (Deutschland)

Das deutsche Kino kann leise – und dieser Film ist der beste Beweis. „In die Sonne schauen“ verwebt mehrere Lebensgeschichten zu einem Mosaik aus verpassten Chancen, Zufällen und inneren Brüchen. Der Cannes-Jurypreis adelte das Werk, das sich konsequent jeder einfachen Dramaturgie verweigert. Ein Film, der Vertrauen in die Intelligenz seines Publikums hat – vielleicht zu viel für den regulären Kinobetrieb, wenngleich „In die Sonne schauen“ im Arthouse-Segment vergleichsweise gut an den Kassen performte.

Gerade die zurückhaltende Inszenierung macht „In die Sonne schauen“ so eindrucksvoll. Jeder Blick, jede Pause trägt Bedeutung. Das Drama entfaltet sich weniger in großen Wendepunkten als in leisen Verschiebungen. Der Zuschauer erlebt ein Kino der Beobachtung, das lange nach dem Abspann nachhallt.

Hier gelangt man zur ausführlichen Filmkritik von DIGITAL FERNSEHEN

„2.000 Meters to Andriivka“ (Ukraine)

Dieser Dokumentarfilm rückt den Ukrainekrieg auf eine beklemmend konkrete Distanz. 2.000 Meter, die über Leben und Tod entscheiden. Ohne Pathos, dafür mit journalistischer Präzision und menschlicher Nähe zeigt der Film einen Ausschnitt des Krieges, der in Nachrichten oft abstrahiert wird. Dass diese Koproduktion von Frontline Features und Associated Press kaum Beachtung fand, sagt mehr über unsere Sehgewohnheiten als über die Qualität des Films.

Der Film zeigt Soldaten nicht als Symbole, sondern als Menschen im Ausnahmezustand. Seine nüchterne Erzählweise verhindert jede Form von Heroisierung und macht „2.000 Meters to Andriivka“ zu einem wichtigen Gegenstück einer gerade in der heutigen Zeit zu oft vereinfachenden Kriegsberichterstattung.

„Little Trouble Girls“ (Slowenien)

Der kleinste Film dieser Liste ist vielleicht der frechste. „Little Trouble“ Girls erzählt von jugendlicher Rebellion, Gruppendynamik und der Lust am Regelbruch. Das tut er roh, witzig und voller Energie. Der FIPRESCI-Preis bei der Berlinale würdigte den frischen Blick des Films, doch außerhalb des Festivalzirkus blieb er für Zuschauer nahezu unsichtbar. Ein typisches Schicksal für solche Independent-Perlen.

Dabei ist „Little Trouble“ Girls ein Film voller anarchischer Energie, der bewusst aneckt und Regeln ignoriert. Er erinnert daran, wie befreiend Kino sein kann, wenn es nicht gefallen will – und wie viel davon im durchökonomisierten Filmbetrieb verloren geht.

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Bildquelle:

  • 221225 Top 7 Übersehene Filme 2025: Victor Juca / Port au Prince Pictures