Wie werden eine 17-Jährige vom Fasanenhof, ein 59-Jähriger und eine 21-Jährige in Untertürkheim diesmal auf Silvester blicken? Die Jugendliche war von einer Silvesterrakete am Kopf getroffen und schwer verletzt worden, offenbar absichtlich von einem Trio abgefeuert. Der Mann bekam im Hopfengarten in Untertürkheim einen Böller in die Kapuze gesteckt, der an seinem rechten Ohr explodierte. Die junge Frau wurde in der Augsburger Straße von einer Rakete am Kopf schwer verletzt. Immerhin konnte ein 26-Jähriger ermittelt werden, der wegen gefährlicher Körperverletzung in U-Haft landete. Wie wird Silvester diesmal?
Für den Stadtkern innerhalb des sogenannten Cityrings ist laut Oberbürgermeister Frank Nopper alles klar: „Wir haben dort das nach dem geltenden Recht von Bund und Land maximal mögliche Feuerwerksverbot ausgesprochen.“ Das heißt: Keine Böller, keine Raketen. Höchstens Knallerbsen, Brummkreisel oder Wunderkerzen. Feuerwerkskörper dagegen dürfen nicht einmal mitgebracht werden. Die würden beschlagnahmt und unbrauchbar gemacht. Eine Geldbuße zwischen 200 und 5000 Euro kommt obendrauf.
Das war schon in den vergangenen Jahren so – diesmal allerdings ohne Lightshow auf dem Schlossplatz. Mit Absperrungen und Zugangskontrollen durch private Sicherheitsdienste hatte man so die wilden Böllereien und Feuergefechte nahezu eindämmen können. Das zeigen Bußgeld-Zahlen des Ordnungsamts: Zu Neujahr 2023 waren 73 Sünder erwischt worden, die eine Geldbuße von 200 Euro zahlen mussten. An Neujahr 2024 gab es nur noch neun solcher Ordnungswidrigkeitenverfahren. An Neujahr 2025 gar nur noch sieben. „Es ist gut zu sehen, dass die Vorgaben mehr Beachtung finden und weniger geahndet werden muss“, sagt Stadtsprecher Sven Matis.
Feuerwerk – wie hier zum Jahreswechsel 2023/2024 – ist in Stuttgart umstritten. (Archivbild) Foto: dpa
Für OB Nopper steht da aber auch der Bund in der Pflicht: Es müsse über eine teilweise Verschärfung des Sprengstoffrechts „durch ein Verkaufsverbot von extrem lauten und besonders gefährlichen Feuerwerkskörpern intensiv nachgedacht werden“, so Nopper in einer Presserklärung am Montag – eine Woche vor dem offiziellen Verkauf der Feuerwerkskörper am 29. Dezember.
Heilbronn als Vorbild – Nein in Stuttgart dagegen „verantwortungslos“
Zum Bedauern der Fraktion Die Linken SÖS plus und der Gemeinderatsgruppierung Puls kehrt Nopper aber nicht konsequent vor der eigenen Haustür. Denn ihren Antrag auf ein Böllerverbot in „allen Stadtgebieten mit Wohnraum“ hat der OB mittlerweile abgewiesen. „Wir müssen diese Entscheidung akzeptieren, halten sie jedoch im Angesicht wiederholter Verletzter durch Knallkörper und zahlreicher Notarzteinsätze an Silvester und Neujahr für verantwortungslos“, kommentiert die Gruppierung Puls. Die Stadt Heilbronn sei bei diesem Thema Vorbild. Sie habe pyrotechnische Gegenstände mit ausschließlicher Knallwirkung in bewohnten Stadtgebieten untersagt. Dieses Verbot diene dem Lärm- und Gesundheitsschutz von Menschen und Tieren.
Dem Vernehmen nach argumentieren der OB und die Ortspolizeibehörde damit, dass das Sprengstoffrecht zwischen Böllern und Raketen sowie zwischen dicht besiedelten Stadtgebieten und Teilen mit eher dörflichem Charakter unterscheidet. Eine kleinteilige, stadtteilbezogene Prüfung durch Ordnungsamt, Baurechtsbehörde, Stadtplanungsamt und Vollzugsdienst wäre mit erheblichem Aufwand verbunden, für den es keine personellen Kapazitäten gebe. Dass ein solches Verbot nur für Böller, nicht aber für Raketen gelte, sei zudem nur schwer zu vermitteln und zu kontrollieren.
Hund erschnüffelte in Stuttgart einen abgerissenen Finger
Dabei bedeutet Silvester Schwerstarbeit für Feuerwehr und Rettungsdienst. Beim letzten Jahreswechsel gab es knapp 100 Brandeinsätze. Und zahlreiche Verletzte durch Feuerwerkskörper. Notaufnahme und Augenklinik des Klinikums Stuttgart zählten mehr als 80 Patienten, fast 30 mit schweren Augenverletzungen. Allein im Marienhospital gab es drei Verletzte mit amputierten Fingern. Besonders eindrücklich dabei der Fall eines 33-Jährigen, der im Stuttgarter Westen zwei Finger verlor. Einer davon wurde später von einem Hund auf dem Gehweg aufgespürt. Daraus wurde ein Fahndungsfall für die Polizei.
Die Stuttgarter Beamten werden insbesondere den Schlossplatz neu ins Visier nehmen müssen. Schon bei der Entscheidung des Gemeinderats im Herbst, dass die zentrale Silvesterfeier und Lightshow ausfallen muss, weil man sich die 952.000 Euro fürs Fest nicht leisten könne, hatte die Polizei gewarnt. Man sei nicht in der Lage, bei bis zu 30.000 Menschen ein Böllerverbot ohne Veranstaltung lückenlos durchzusetzen. Das sagte der Polizeivizepräsident Carsten Höfler, der zum Jahreswechsel zum Landespolizeidirektor im Innenministerium aufsteigt. Wie es derzeit ausschaut, sollen immerhin die Landesflächen des Schlossplatzes doch mit Gittern abgesperrt und von einem Sicherheitsdienst kontrolliert werden.