Die Europäische Union verschärft den Druck auf Russlands sogenannte Schattenflotte. Mit neuen Sanktionen gegen 41 weitere Schiffe steigt die Zahl der gelisteten Fahrzeuge auf insgesamt 598. Die Maßnahmen richten sich gegen Tanker und Frachter, die außerhalb etablierter westlicher Strukturen operieren und dabei helfen, bestehende Sanktionen gegen Russland zu umgehen
Sanktionen gegen die Schattenflotte
Die nun sanktionierten Schiffe dürfen keine EU-Häfen, Ankerplätze oder Schleusen mehr anlaufen. Entscheidend ist jedoch weniger der formale Hafenbann als der Entzug zentraler Dienstleistungen. Betroffene Schiffe dürfen keine Versicherungen oder Rückversicherungen mehr erhalten, keine Finanzierung, keine technische oder nautische Unterstützung, kein Bunkering, keine Schlepperdienste, keine Crewwechsel und keine Umschlag- oder Verladeleistungen in Anspruch nehmen.
Auch Schiff-zu-Schiff-Transfers (Ship-to-Ship, STS), ein Kernelement der Logistik der Schattenflotte, sind untersagt. Das geht aus der offiziellen Sanktionsübersicht der dänischen Seeschifffahrtsbehörde hervor, die die EU-Vorgaben zusammenfasst.
Ausnahmen gelten lediglich für Notfälle, humanitäre Zwecke sowie für Maßnahmen zur Gefahrenabwehr auf See – etwa bei drohenden Umwelt- oder Sicherheitsrisiken.
Darum schärft die EU nach
Russland hat sich als anpassungsfähig erwiesen. Trotz mittlerweile 19 Sanktionspaketen verkauft Moskau weiterhin Millionen Barrel Öl, vor allem nach Indien und China, wenn auch mit Abschlägen auf den Weltmarktpreis. Ein wesentlicher Teil dieses Handels läuft über die Schattenflotte: häufig ältere Schiffe mit unklaren Eigentumsstrukturen, wechselnden Flaggen und eingeschränkter oder fehlender Versicherung. Der EU-Rat sieht darin einen systematischen Versuch, das westliche Preisdeckel- und Sanktionsregime zu unterlaufen.
Parallel zu den Schiffen nimmt die EU auch die Wertschöpfungskette ins Visier. Mitte Dezember wurden zusätzlich fünf Personen und vier Unternehmen sanktioniert, die dem Rat zufolge die Logistik, Finanzierung oder operative Steuerung der Schattenflotte ermöglichen.
Topaktuell
Sicherheits- und Umweltrisiken
Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) warnt seit Ende 2023 ausdrücklich vor den Risiken sogenannter „Dunkel-“ oder „Schattenflotten“. In einer Resolution beschreibt sie typische Merkmale wie manipulierte oder abgeschaltete automatische Identifikationssysteme (AIS), mangelhafte Wartung, intransparente Besitzverhältnisse und fehlende Versicherungsdeckung. All das sind Faktoren, die das Risiko von Unfällen und Havarien erhöhen, insbesondere bei verdeckten STS-Transfers auf offener See.
Zwar zeigen Daten der unabhängigen International Tanker Owners Pollution Federation (ITOPF), dass schwere Ölunfälle global langfristig zurückgegangen sind. Dennoch wurden allein 2024 sechs große Tankerunfälle mit jeweils über 700 Tonnen ausgelaufenem Öl registriert. Gerade bei schlecht versicherten oder anonym betriebenen Schiffen stellt sich im Ernstfall die Frage nach Haftung, Schadensersatz und effektiver Gefahrenabwehr.
Die Sanktionen gegen die 41 Schiffe sind mehr als Symbolpolitik. Indem die EU nicht nur den Zugang zu Häfen, sondern zu Versicherungen, Geld und maritimer Infrastruktur kappt, greift sie an den empfindlichsten Stellen des globalen Seeverkehrs an. Ob dies Russlands Ölexporte substanziell bremst, bleibt offen – klar ist jedoch: Für die betroffenen Schiffe wird das Weiteroperieren deutlich riskanter, teurer und transparenter.
Quellen: Danish Maritime Authority; European Council; International Maritime Organization; International Tanker Owners Pollution Federation
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