Wenn es am Abend früh dunkel und am Morgen spät hell wird, fallen sie im Stadtbild besonders auf: Wohnungen, in denen nur selten jemand das Licht anschaltet. Mal hat es berufliche Gründe, warum Menschen neben ihrer Haupt- noch eine Zweitwohnung halten, mal familiäre. Manchmal ist es auch Bequemlichkeit. In München hat sich der Begriff der „Theaterwohnungen“ etabliert: Menschen, die eigentlich im Alpenvorland leben, halten sich für gelegentliche Theaterbesuche in München eine Wohnung .
So nachvollziehbar die Gründe im Einzelfall sein mögen – angesichts des Wohnungsmangels in den Städten sind Wohnungen, die nur selten genutzt werden, ein Problem, das auch die Politik umtreibt. Viele Großstädte haben in den vergangenen Jahren Zweitwohnungsteuern eingeführt.
Die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart erhöht diese nun zum 1. Januar 2026 deutlich. Der Satz steigt von zehn auf 20 Prozent der jährlichen Nettokaltmiete. Die Absicht dahinter ist klar: Das Halten einer Zweitwohnung soll unattraktiver werden. „Die als Zweitwohnungen genutzten Wohnungen stehen dem Wohnungsmarkt nicht zur Verfügung“, erklärte ein Sprecher der Stadt. „Dadurch verschärft sich die Situation für Personen, die eine Erstwohnung suchen.“
Nicht jeder nutzt einen Zweitwohnsitz für sich
Im Jahr 2011 hat Stuttgart die Steuer eingeführt. Die Zahl der Menschen, die eine Nebenwohnung angemeldet haben, ist von zeitweise mehr als 7000 auf zuletzt 6070 gesunken. In Frankfurt war die Veränderung deutlicher. 2018, als in der Stadt am Main noch keine Zweitwohnungsteuer galt, waren mehr als 30.000 Menschen mit einer Nebenwohnung gemeldet. Zum 1. Januar 2019 wurde die Steuer – zehn Prozent der jährlichen Nettokaltmiete – eingeführt und die Zahl der Zweitwohnsitze sank auf 11.000. Inzwischen beträgt die Zahl knapp 8600, wobei nur 6500 davon steuerpflichtig sind.
Der Berliner Senat führte bereits 1998 eine Zweitwohnungssteuer ein. Anfangs betrug der Satz fünf Prozent der Kaltmiete, 2019 stieg er auf 15 Prozent, 2025 auf 20 Prozent. Nach der jüngsten Anhebung sank die Zahl der angemeldeten steuerpflichtigen Zweitwohnsitze in der Hauptstadt von knapp 22.800 auf 17.700.
Was bei der Betrachtung der Zahlen wichtig ist: Nicht jeder Einwohner mit einem Zweitwohnsitz nutzt eine ganze Wohnung für sich. In einer WG können manche Bewohner mit Hauptwohnsitz, andere mit Nebenwohnsitz gemeldet sein. Die Finanzverwaltung gab sich deshalb kürzlich auf eine Anfrage der Linken zur Zweitwohnungsthematik auch recht entspannt: Die Auswirkungen auf den angespannten Berliner Wohnungsmarkt seien „vergleichsweise überschaubar“.
Die Wohnungspolitik verwaltet den Mangel
Ebenfalls eher überschaubar sind die Einnahmen der Städte aus der Zweitwohnungsteuer. In Berlin kamen bis November dieses Jahres 19,7 Millionen Euro zusammen. Zur Finanzierung des Berliner Ausgabevolumens von rund 40 Milliarden Euro im Jahr trägt die Steuer somit nur zu einem sehr kleinen Teil bei. München nimmt rund 12,5 Millionen Euro ein, Frankfurt drei Millionen.
Um das Geld, das wird aus den Antworten auf die Anfrage der F.A.Z. deutlich, geht es den Städten nicht so sehr. Die Stadt München erhöhte ihren Zweitwohnungsteuersatz 2022 von neun auf 18 Prozent der jährlichen Kaltmiete. „Zielsetzung der Erhöhung war es auch, steuerlichen Druck auf sogenannte Theaterwohnungen auszuüben und diese dem angespannten Münchner Wohnungsmarkt zurückzuführen“, wie ein Sprecher sagt.
Das Drehen an der Zweitwohnungsteuer fügt sich ein in eine Wohnungspolitik, die seit mittlerweile mehr als einem Jahrzehnt vor allem den Mangel verwaltet. Je nach Studie fehlen in Deutschland zwischen 500.000 und 800.000 Wohnungen, vor allem in den stark nachgefragten Ballungszentren. Durch hohe Zuwanderungszahlen ist der Bedarf gestiegen, zugleich hat die Bautätigkeit wegen der gestiegenen Kosten abgenommen. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland nur 251.900 Wohnungen fertiggestellt. Nach Schätzungen des bundeseigenen Bauforschungsinstituts wären mindestens 320.000 nötig gewesen.
Die schwarz-rote Koalition hat zur Förderung des Neubaus einiges auf den Weg gebracht, was schon die Ampel geplant hatte. Ein „Bauturbo“ soll es Städten ermöglichen, von Bebauungsplänen abzuweichen. Ob sie davon Gebrauch machen, bleibt abzuwarten. Der „Gebäudetyp E“ soll den Verzicht auf teure DIN-Normen rechtlich erleichtern. Zudem gibt es zeitlich befristet wieder Zuschüsse für den Bau von Häusern, die nur das gesetzliche Mindestmaß an Energieeffizienz erfüllen.
Dass die Zahl der Baugenehmigungen bis Ende Oktober elf Prozent über dem Vorjahreswert lag, wird in der Branche als Hoffnungsschimmer gewertet. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt sollte zumindest nicht noch schlimmer werden.