Man hört Glöckchengeläut der Schlitten, Pferde traben und schütteln sich, die Peitschen knallen, Frauen zittern vor Kälte, und schließlich dreht sich alles etwas schwerfällig beim Festtanz. Was Leopold Mozart 1756 als „Musikalische Schlittenfahrt“ komponierte „gehört zur musikalischen DNA von Augsburg“, erklärte Rüdiger Lotter einleitend. Die Hofkapelle München gönnte sich und ihren Zuhörern im Parktheater in Göggingen diesen farbenreichen Spaß mit der Programmmusik des Vaters des ebenfalls für musikalische Scherze berühmten Komponistensohns, gleich nach einer bewegenden Interpretation von Corellis berühmten „Weihnachtskonzert“.
Die für historisch-informierte Aufführungspraxis ebenso wie für ihre Klangfülle bekannte und geschätzte Hofkapelle München vermittelte in ihrem Weihnachtskonzert nicht nur Winterliches, sondern brachte im ersten Teil des begeisternden Abends auch Eleganz, wie sie am Mannheimer Hof nicht nur musikalisch gepflegt wurde. Christian Cannabich, produktiver Leiter der dortigen Hofkapelle und guter Freund von Wolfgang Amadeus Mozart, komponierte fast 100 Sinfonien, die damals auch in Paris gedruckt und gespielt wurden, heute aber fast ganz vergessen sind. Die Hofkapelle, die ganz in der Tradition des 18. Jahrhunderts ohne Dirigenten und im Stehen spielt, hatte die Sinfonie in D-Dur Nr. 27 ausgewählt, um hier Musik der galanten Zeit wieder aufleben zu lassen. Mit heiterem Effet, forschem Tempo und energischem Ansatz kann man sie sich gut in den Rokoko-Sälen der damaligen Zeit vorstellen. Das Kammerorchester passte aber auch gut in die Eleganz des gut hundert Jahre später erbauten Kurhauses Göggingen, das mit dem warmen Licht von unzähligen Kerzen in den spiegelnden Fenstern ein passendes Ambiente für das Ensemble aus bis zu 19 Musikern bot.
Hofkapelle München überzeugt in Augsburg mit überbordender Spiellust
Die Hofkapelle bestand neben zwölf Streichern an diesem Abend aus zwei Hörnern, zwei Barock-Oboen und später noch einer Posaune, einer sehr zarten Theorbe und einem gewitzten Schlagwerker, dem es mit Händen und Füßen gelang, etwa drei Kollegen auf einmal zu ersetzen. Der Charme des Ensembles, das für seinen warmen, an der Originalzeit orientierten Klang geschätzt wird, liegt ganz eindeutig in Vielfalt, überbordender Spiellust und Schatzsucher-Mentalität im Aufspüren musikalischer Schätze.
Als solchen Schatz muss man die Cannabich-Sinfonie sehen. Vor allem der Schlusssatz mit seiner lebhaften Dynamik, den treibenden Triolen und dem spannungsreichen Auf und Ab wirkte kraftvoll in seiner Koketterie zwischen Streicherkaskaden und retardierenden Bläsern. Rüdiger Lotter, sonst am Konzertmeisterpult, wechselte für das 2. Violinkonzert des noch 19-jährigen Wolfgang Amadeus Mozart KV 211 in die Solorolle. Anfangs noch ein zurückhaltender Solist, sanft eingebunden ins Ensemble, trumpfte er in den ausgedehnten Kadenzen (mit einem kleinen „Oh Tannenbaum“-Zitat!) auf. Im breiten Andante betonte Lotter die melancholische Wirkung und spürte zart den Tönen nach. Umso lebhafter geriet die Heiterkeit des abschließenden Rondos im Dialog zwischen Solist und Orchester. Seine Virtuosität bewies Lotter in einer intimen Solozugabe vermutlich einer.
Die Theorbe unterstützt den Klang der Streicher
Nach der Pause bei Corellis berühmten „Weihnachtskonzert“ unterstützte die Theorbe den transparenten, sehr überlegt ausbalancierten Klang der Streicher. Bis die Hofkapelle bei der abschließenden „Schlittenfahrt“ Leopold Mozarts dann voll Lust die Programmmusik feierte. In Augsburg 1756 uraufgeführt, wird in diesem musikalischen Spaß einfach alles an Klangfarben aufgeboten, was nach einer lustigen Partie klingt. Ein Paradestück der Hofkapelle, vor allem dank ihres temperamentvollen Schlagwerkers.
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Daniela Tiggemann
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