Samische Rentierhalter aus dem nördlichsten Schweden wenden sich ans ferne Deutschland, um auf die Bedrohung ihrer Lebensweise aufmerksam zu machen: Sie fordern deutsche Industriebetriebe wie den Stahlkonzern Salzgitter AG auf, keine Geschäfte mehr mit dem schwedischen Grubenunternehmen LKAB zu machen. LKAB gehört seit 1976 zu 100 Prozent dem schwedischen Staat.

Vor wenigen Wochen erst hatte Gabna Sameby, die Rentierhalterorganisation der Gegend um die Bergbaustadt Kiruna, ein Kooperationsabkommen mit LKAB zu Fragen des Bergbaus aufgekündigt. Es gebe faktisch keinen Dialog, da sie keinen Einfluss auf die Pläne des Konzerns für eine neue Mine hätten, argumentierten sie.

„Wenn deutsche Unternehmen mit LKAB Geschäfte machen, sollten sie wissen, dass sie damit zum fortgesetzten Missbrauch der einzigen indigenen Bevölkerung Europas durch das Unternehmen und zum Bau der Per-Geijer-Mine beitragen, die einen Todesstoß für die samische Kultur hier bedeuten würde“, sagte Karin K. Niia, Sprecherin von Gabna Sameby in Bergbaufragen, in einer Pressemitteilung.

Wenn deutsche Unternehmen mit LKAB Geschäfte machen, sollten sie wissen, dass sie damit zum fortgesetzten Missbrauch der einzigen indigenen Bevölkerung Europas beitragen

Karin K. Niia, Sprecherin der Rentierhalterorganisation Gabna Sameby

LKAB steht nach eigenen Angaben für 80 Prozent des in Europa abgebauten Eisenerzes. Größte Grube ist die in Kiruna, wo der Konzern im Sommer öffentlichkeitswirksamen den Umzug der alten Kirche ins neu gebaute Stadtzentrum zelebrierte. Das alte Zentrum musste der Grube weichen.

Das größte bekannte Vorkommen Seltener Erden in Europa

Bei der geplanten Per-Geijer-Mine geht es nun nicht nur um Eisenerz, sondern vor allem um Seltene Erden. Fast drei Jahre ist es her, seit LKAB vor EU-Spitzen aus Brüssel und internationaler Presse ihren Sensationsfund bei Kiruna verkündete: das größte bekannte Vorkommen Seltener Erden in Europa. Wenigstens eine Million Tonnen sollen hier förderbar sein, vermutlich aber deutlich mehr.

Aktuell kommen mehr als 90 Prozent der Seltenerdmetalle, die etwa für E-Autos und Windkrafträder gebraucht werden, aus China. Die Aussicht auf eine mögliche Selbstversorgung mit den für Energie- und Verkehrswende so wichtigen Rohstoffen ließ nicht nur Wirtschafts- und Energieministerin Ebba Busch von Schwedens künftiger Schlüsselrolle für die grüne Umstellung sprechen.

Was von vielen in Europa als Ausweg aus der Seltene-Erden-Abhängigkeit von China gefeiert wurde, löste bei den Rentierhaltern vor Ort sofort Alarm aus. Die neue Mine würde ihren Herden den letzten noch nutzbaren Weg zwischen Winter- und Sommerweiden abschneiden – der Grund, warum die Sami von einem drohenden Ende ihrer Kultur und Lebensweise in der Region sprechen.

In diesem Jahr erklärte die EU das Per-Geijer-Vorhaben in ihrem Critical Raw Material Act (CRMA) zu einem strategischen Projekt. Solche Projekte erhalten einen Prioritätsstatus, sie sollen beschleunigt genehmigt werden können. Erklärtes Ziel ist es, den Anteil strategisch entscheidender Rohstoffe aus Bergbau innerhalb der EU zu erhöhen.

Indigene Rentierhalter: „Koexistenz mit Mine unmöglich“

„Eine Koexistenz zwischen uns in Gabna und der Per-Geijer-Mine ist unmöglich“, sagte nun der Vorsitzende von Gabna Sameby, Lars-Marcus Kuhmunen. Das aufgekündigte Kooperationsabkommen, in dem Prozesse zur Einigung und Kompromissfindung geregelt wurden, diskreditierte er: „Das ist keine Kooperation. Es handelt sich um staatlich sanktionierten Landraub auf indigenem Gebiet“, so Kuhmunen.

In seiner Reaktion bewertete LKAB das Abkommen, das seit 2013 bestand, selbst als überholt. Man sei im Grunde auch dafür, neue, aktualisierte Formen der Zusammenarbeit mit dem Sameby zu finden. „Wir brauchen einen klareren Rahmen“, sagte Pia Lindström, die Umwelt- und Nachhaltigkeitsdirektorin des Konzerns. Ziel sei natürlich weiterhin, dass beide Wirtschaftszweige beibehalten und weiterentwickelt werden könnten.

Dass das überhaupt möglich ist, schließen die Rentierhalter offenkundig aus. Sie betonten, keine Absprache und keine Entschädigung könne helfen, wenn ihre Kultur und die Rentierhaltung wegen der Per-Geijer-Mine kollabiere.