Der Riss geht also tief in diesem Gemeinderat. In der zwölfstündigen Abschlusssitzung ließ sich gut verfolgen, wie wenig sich noch bewegt, wenn die Haushaltskoalition aus CDU und Grüne sich einmal geeinigt hat. Auf der Vorlage standen 838 Punkte, aufgeteilt nach Referaten wie „Soziales, Gesundheit und Integration“ oder „Städtebau, Wohnen und Umwelt“. Vor jedem Themenblock durften die Fraktionen ein Statement halten. Die Möglichkeit nutzten vor allem Linke-SÖS-Plus und Puls; die Grünen vor allem, um zu erklären, dass es trotz der Sparmaßnahmen keinen Kahlschlag gebe. Die Freien Wähler hatten in Person ihrer Fraktionsvorsitzenden Rose von Stein zu Beginn der Sitzung klar gemacht, dass sie sich im Großen und Ganzen aus der Politik verabschieden. Da leider kein Geld da sei, sehe die Fraktion davon ab, „Liebkindanträge zu stellen“, nur um nachher sagen zu können, man habe es ja versucht. Ihr einziger Kritikpunkt: Grüne und CDU hätten Herrschaftswissen gehabt durch die Zusammenarbeit mit der Verwaltung. Anschließend zog von Stein ihre grellgrüne, mit bunten Kugeln geschmückte Weihnachtsbaumjacke an und strickte.

Mehr Arbeit hatten sich die links von den Grünen stehenden Fraktionen gemacht. Sie beantragten halbe Stellen für ein Projekt hier oder eine Beratung dort. Vielleicht in der Hoffnung, doch noch eine Kleinigkeit am grün-schwarzen Entwurf ändern zu können – vergebens. Vor allem ging es in der finalen Lesung darum, der Öffentlichkeit klar zu machen, wo die Fraktionen politisch stehen. Verschiebungen aber gab es nicht mehr. Manchmal so Halbamüsantes. Zum Beispiel hatte die AfD (nachdem es bereits in vorherigen Lesungen abgelehnt worden war) beantragt, rund 30 Millionen Euro zu streichen, die für Klimaschutzmaßnahmen in Eigenbetrieben und dem Klinikum eingeplant sind. Denn, so der AfD-Fraktionsvorsitzende Michael Mayer: „Der Klimaschutz ist zum großen Teil Quatsch, Herr Rockenbauch.“ Der angesprochene Fraktionsvorsitzende von Linke-SÖS-Plus Hannes Rockenbauch wurde unruhig, meldete sich. OB Nopper flehend: „Bitte Herr Rockenbauch, jetzt keine klimapolitische Debatte!“ Rockenbauch: „Ganz kurz. Das kann ich nicht stehen lassen.“ Er wendet sich Richtung Mayer: „Wer Wissenschaft als Ideologie abtut wie Sie, der ist hier wirklich fehl am Platz.“

Marketing absurd

Interessanter war die Debatte zum Stuttgart-Sign, Kosten: 470.000 Euro. Die CDU will mit dem Geld mit LEDs ausgestattete Buchstaben in der Innenstadt aufstellen lassen, denn laut einer Berechnung von Fraktionschef Alexander Kotz habe das Teil einen „Marketingmehrwert von 200.000 Euro“ und sei eines von vielen Mitteln für eine prosperierende Innenstadt, ein attraktives Ziel für Gäste aus dem In- und Ausland. Die Opposition versuchte, den kostspieligen Schriftzug mit vielen Argumenten abzuwenden: Besser wäre das Geld im Projekt „Stadt am Fluss“ angelegt, das das Neckarufer freundlicher machen soll (Tillmann Bollow, Volt), man müsse aufpassen, dass die Stadt mit der Aktion nicht bei der Satiresendung Extra 3 landet (Rockenbauch), Schwarz-Grün stehe damit für eine „Tiktokisierung“, außerdem wolle man keine Backnangisierung (Christoph Ozasek, Klimaliste). Das konnte Nopper, Ex-OB von Backnang im Rems-Murr-Kreis, seinerseits nicht stehen lassen. Breit grinsend erläuterte er, dass das Backnang-Sign keinerlei öffentliche Gelder gekostet habe. Am Ende wurde die teure Peinlichkeit mit 30 zu 27 Stimmen, bei 3 Enthaltungen beschlossen.