Mit dem Nachfolger der «Charles de Gaulle» bekräftigt Paris seinen militärischen Führungsanspruch in Europa. Das ist für den Umgang mit den USA von Bedeutung.
Der französische Flugzeugträger «Charles de Gaulle» ist in die Jahre gekommen – der Nachfolger soll 2038 zur Verfügung stehen.
Yiannis Kourtoglou / Reuters
Der französische Präsident Emmanuel Macron war noch nie um grosse Worte verlegen. «In Zeiten der Raubtiere müssen wir stark sein, um gefürchtet zu werden», sagte er am Sonntag, als er den Bau eines neuen Flugzeugträgers bis 2038 in Aussicht stellte. Mit 312 Metern Länge, einem Gewicht von fast 80 000 Tonnen und Platz für mehr als dreissig Kampfjets soll der derzeit noch namenlose Nachfolger der «Charles de Gaulle» ein echtes Meeresungetüm werden. Nur amerikanische Flugzeugträger sind noch grösser.
Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen
NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.
Bitte passen Sie die Einstellungen an.
Verkündet hat Macron die Beschaffung in Abu Dhabi. Zufall war das nicht: Mit den Vereinigten Arabischen Emiraten unterhält Paris eine enge militärstrategische Partnerschaft, fast tausend französische Soldaten sind dort auf verschiedenen Marine- und Luftwaffenstützpunkten stationiert. Das Emirat gehört seinerseits zu den treusten Kunden der französischen Verteidigungsindustrie. Vor allem aber wollte der französische Präsident das Signal aussenden, dass mit seinem Land geopolitisch weiterhin zu rechnen sei.
«La France d’outre-mer» sichern
Ein Flugzeugträger sei «100 000 Tonnen Diplomatie», sagte einst Henry Kissinger, der legendäre frühere Aussenminister der USA. Wer einen regionalen oder gar globalen Machtanspruch hat, muss auch in Zeiten veränderter Kriegsführung die Fähigkeit erhalten, seine Luft- und Seestreitkräfte dort einzusetzen, wo sie gerade benötigt werden – unabhängig von den Stützpunkten im Ausland. Frankreich will insbesondere seine Überseeregionen im Atlantischen und im Indischen Ozean sichern.
Gleichzeitig beansprucht die Grande Nation, neben Grossbritannien die einzige Atommacht Europas, nach wie vor eine militärische Führungsrolle auf dem eigenen Kontinent. Innenpolitisch nur noch beschränkt handlungsfähig, multipliziert Macron die aussenpolitischen Initiativen. Bei den Diskussionen rund um die künftige Sicherheitsarchitektur der Ukraine ist Frankreich federführend – und kaschiert damit, dass es gemessen an der Wirtschaftskraft dem kriegsgeplagten Land weit spärlicher zur Seite steht als etwa Polen, Deutschland oder das Baltikum.
Schub für die Rüstungsindustrie
Im Alltag des Schlachtfelds bringt der Ukraine ein neuer französischer Flugzeugträger, der zudem frühestens in 13 Jahren auslaufen wird, wenig. Kiew benötigt Waffen, Munition und Cash. Man mag gar einwenden, dass die für das Riesenschiff budgetierten zehn Milliarden Euro besser in die ukrainischen Streitkräfte investiert würden, die im Namen ganz Europas für die Freiheit kämpfen. Dennoch wäre diese Sichtweise verkürzt.
Innenpolitisch ist die Ukraine-Unterstützung umstritten, ein allzu forsches Vorgehen würde ein gutes Jahr vor den Wahlen lediglich dem oppositionellen Rassemblement national in die Hände spielen. Das kann nicht im Sinne Macrons sein. Vor allem aber stärkt Frankreich mit der Entschlossenheit, in seine militärischen Fähigkeiten zu investieren, das strategische Gewicht ganz Europas – und das ist auch für die Ukraine relevant.
Die USA erinnern Europa bei jeder Gelegenheit daran, dass es sicherheitspolitisch auf eigenen Beinen zu stehen habe. Wie stark sich Washington noch zur Nato und zu deren Bündnispflicht bekennt, ist nicht erst seit der neusten Sicherheitsstrategie eine offene Frage. Gegenleistungen von den USA gibt es nur, wenn die europäischen Partner den Hauptbeitrag leisten – etwa, indem sie für Kiew Waffen aus amerikanischer Produktion kaufen oder die Finanzierung der Ukraine sicherstellen. Dazu gehört auch die Modernisierung der verschiedenen Armeen des Kontinents. Von der französischen Grossinvestition, die überdies der Rüstungsindustrie einen willkommenen Schub verleihen wird, profitiert letztlich ganz Europa.