
AUDIO: Kritik aus SH an Plänen für zentrales Online-Portal für Arzttermine (1 Min)
Stand: 23.12.2025 18:17 Uhr
Arztpraxen sollen künftig freie Termine an ein zentrales Portal melden – das zumindest schlägt der GKV-Spitzenverband vor. Doch Hausärzteverband und Kassenärztliche Vereinigung in SH kritisieren die Idee.
Ein einheitliches Portal, an das Arztpraxen ihre freien Termine melden – dieser Vorschlag des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland (GKV) stößt in Schleswig-Holstein auf wenig Gegenliebe. „Das löst kein einziges der echten Probleme in der ambulanten Versorgung. Unser Engpass ist ja nicht die Terminvergabe, sondern unser Engpass ist der massive Mangel an Zeit, Personal und an Ärztinnen und Ärzten“, fasst Jens Lassen, der Vorsitzende des Hausärzteverbandes zusammen.
Jens Lassen selbst arbeitet in seiner Praxis in Leck (Kreis Nordfriesland) und betont, Praxen seien kleine Wirtschaftsunternehmen. „Die sind total unterschiedlich aufgestellt und unterschiedlich organisiert. Am Ende kann nur eine Praxis wissen, auf welchem Wege sie die Termine am besten vergibt.“
Praxen sollen freie Termine an Plattform melden
Konkret will der GKV-Spitzenverband, die Interessensvertretung der gesetzlichen Krankenkassen, dass freie Termine „zukünftig anteilig an eine unabhängige Plattform gemeldet werden müssen, und dann können die Versicherten etwa über ihre Krankenkassen-App bei Bedarf einen der freien Termine buchen“, sagte die stellvertretende Vorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Stefanie Stoff-Ahnis, der „Rheinischen Post“. Auch eine digitale Ersteinschätzung solle dort stattfinden.
„Im ersten Schritt gebe ich meine Symptome und die Beschwerden ein und bekomme dann eine Rückmeldung“. Die App könne dann einen Termin beim Hausarzt empfehlen, aber auch den Weg zur Notdienstpraxis oder ins Krankenhaus, so Stoff-Ahnis.
„Eingriff in die Autonomie von Praxen“
Kritik an der Idee des GKV-Spitzenverbandes kommt auch von der Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH), Bettina Schultz. Sie betont, dass es bereits freiwillige Online-Terminsysteme gebe, die von vielen Praxen auch genutzt würden – zum Beispiel Doctolib, Jameda oder den 116117-Terminservice der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. „Es gibt aber bestimmte Termine, bei denen man eine gewisse Vorbereitung benötigt, die man vorher mit den Patienten absprechen muss“, so Schultz. So sei zum Beispiel vor einem Termin für eine Darmspiegelung eine bestimmte Diät nötig.
Wenn ein zentrales Onlinebuchungssystem einen unbekannten Patienten mit so einem Termin in die Praxis bringe, müsse man ihn wieder wegschicken, wenn er die Diät nicht eingehalten habe. „So ein Terminportal ist ein Eingriff in die Autonomie von Praxen, wir wollen das mitgestalten“, so Schultze, die Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe ist.
Wir brauchen kein Portal, was diese knappen Termine noch mal mit zusätzlichem bürokratischen Aufwand verwaltet.
Jens Lassen, Vorsitzender des Hausärzteverbandes
„Zusätzlicher bürokratischer Aufwand“
Menschen, die digital nicht so affin seien, würden mit einem zentrales Onlinebuchungsportal ausgeschlossen, so Lassen. Und: man brauche kein Portal, das die knappen Termine mit zusätzlichem bürokratischen Aufwand verwalte. Sondern: „Wir müssen uns den Problemen widmen, die für diesen Engpass sorgen. Und die müssen wir beseitigen“, so Lassen. „Wir brauchen eine strukturelle Stärkung der niedergelassenen Medizin. Wir müssen die Gründe, warum junge Kolleginnen und Kollegen lieber im Krankenhaus arbeiten und nicht mehr in den Praxen beseitigen.“
Dabei gehe es um Budgets für die Praxen, um eine hohe Notdienstbelastung und viel Bürokratie. Lassens Vision: „Wenn man da rangeht, dann haben wir auch wieder mehr junge Ärztinnen und Ärzte und dann haben wir auch wieder mehr Termine. Und dann erübrigt sich der Vorschlag der GKV von alleine.“

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