Der Hype um Agit Kabayel ist riesig. 13.000 Zuschauer werden am 10. Januar die Oberhausener Rudolf-Weber-Arena füllen, wenn Deutschlands bester Schwergewichtsboxer gegen Damian Knyba in den Ring steigt.
Die Tickets für den ersten Kabayel-Kampf auf deutschem Boden seit vier Jahren waren nach nicht mal einer Woche vergriffen, Streaming-Anbieter DAZN überträgt das Event exklusiv und weltweit. In drei Wochen kann der Interimsweltmeister, der eine Box-Euphorie wie einst die Klitschkos auslösen möchte, seinen Titel verteidigen. Auf dem Weg in die Weltspitze wurde dem Bochumer Box-Star aber nichts geschenkt.
Emotionaler Kabayel in DAZN-Doku: „Da sind auch mal Tränen geflossen“
Der Sohn kurdischer Einwanderer wuchs in normalen bis ärmlichen Verhältnissen in Wattenscheid auf, lebte mit seiner Familie phasenweise im Hinterraum der eigenen Dönerbude. Im ersten Teil der Aufstiegs-Doku „Agit Kabayel – Unser Weltmeister“ von DAZN gewährt der 33-Jährige emotionale Einblicke in eine Zeit, die seinen Weg entscheidend mitgeprägt, über die er vorher aber öffentlich noch nicht gesprochen hat: seinen Gefängnisaufenthalt.

„Man braucht dann nicht auf cool tun. Im Knast gab es Situationen, in denen auch mal Tränen geflossen sind“, gesteht Kabayel in der Doku. Mit 21 Jahren musste der gebürtige Leverkusener sechs Monate lang einsitzen – nach einer Prügelei, bei der er eigentlich nur seinem Bruder helfen wollte, wie er sagt.
An einem Abend im früheren Bochumer Club Taksim waren der damals 19 Jahre alte Kabayel und sein Bruder Dogan an eine andere Gruppe geraten, die anschließend aus der Diskothek geschmissen wurde. Auch die Kabayel-Brüder verließen den Klub, begegneten der Gruppe aber später mit dem Auto erneut, wie Dogan in der Doku schildert. Als er sich prügelte, stieg auch Agit aus und eilte seinem Bruder zur Hilfe – bis die Polizei auftauchte.
Agit Kabayel über Gefängnisstrafe: „Jetzt kommt bestimmt das Klischee vom Boxer“
„Jetzt kommt bestimmt das Klischee vom Boxer, der immer zuschlägt“, sagt Agit Kabayel. „Aber ich glaube, das hätte jeder andere von uns auch gemacht, wenn der eigene Bruder deine Hilfe braucht.“
Der Bochumer wurde verklagt, wegen gefährlicher Körperverletzung zunächst zu drei Jahren auf Bewährung verurteilt, bis die Strafe auf neun Monate reduziert wurde. Die Bewährung aber wurde wiederrufen – und Kabayel wanderte zwei Jahre später mit seinem Bruder für ein halbes Jahr in den Knast. Es war das erste Mal, dass Kabayel aktenkundig angezeigt und gerichtlich belangt worden sei. „Damals war man jung und wild. Man hat nicht mit den Konsequenzen gerechnet, dass man von der Familie wegmuss“, meint Kabayel. „Du dachtest einfach, du bist der Coolste, der Stärkste, dir kann niemand was.“
Aber die Realität holte ihn schnell ein. Als seine Eltern in der Doku mit dem Thema konfrontiert werden, winkt sein Vater ab, möchte nicht über die Knast-Zeit seiner Söhne sprechen. Klar ist: Die Familie litt sehr unter dem Urteil. Agits Mutter sagt: „Es war hart, ich wurde krank vor Sorgen und musste ins Krankenhaus. Ich lag sogar auf der Intensivstation.“

Agit Kabayel bereitet sich auf seinen nächsten Kampf vor: Am 10. Januar steigt der Bochumer Schwergewichtsboxer gegen Damian Knyba in Oberhausen in den Ring.
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Für den heutigen Bochumer Box-Star war die Zeit im Gefängnis ein Wendepunkt. Nach zwei Wochen hinter Gittern habe er sich zusammengerissen, vor und nach seiner Arbeit in der JVA trainierte Kabayel, machte Sport – jeden Tag.
Kabayel-Trainer über Bochumer Box-Star: „Er ist noch stärker zurückgekommen“
„Ich habe angefangen, mein Leben komplett umzustellen. Ich glaube, ich habe noch nie in meinem Leben körperlich so fit ausgesehen, weil ich das ernst genommen habe: Wenn ich hier rauskomme, werde ich ein anderer Mensch.“ Danach habe sich sein Leben komplett geändert, seine Einstellung „zu allem“. Im Juli dieses Jahres ist Kabayel Vater einer kleinen Tochter geworden.
Wenn du dein eigenes Kind in der Hand hältst, realisierst du, was für ein Idiot du warst.
Agit Kabayel, Bochumer Box-Star
Heute sagt er: „Wenn du dein eigenes Kind in der Hand hältst, realisierst du, was für ein Idiot du warst.“ Besonders zur Seite in der schwierigen Zeit stand Kabayel und der Familie sein Trainer Sükrü Aksu, der eine zweite Vater-Rolle übernommen habe und über den Agit sagt: „Am Ende hat er immer Recht.“
„Er ist noch stärker zurückgekommen und hat jedem gezeigt, was er draufhat“, sagt Aksu über Kabayel. Die Chance, seine Qualitäten das nächste Mal unter Beweis zu stellen, hat der Bochumer Box-Star am 10. Januar – vor 13.000 Zuschauern in der Oberhausener Arena.