Vor 80 Jahren, am 4. April 1945, geht in Karlsruhe der Zweite Weltkrieg zu Ende. An diesem Tag marschieren französische Truppen ein und besetzen die Fächerstadt. Während des Krieges führten 135 Luftangriffe zur Zerstörung von 36 Prozent der Gebäude.
Von rund 30.000 Haupt- und Nebengebäuden sind 7.790 total gestört, 4.535 schwer und 5.280 mittelschwer beschädigt. Von 17.134 Wohnhäusern sind nur 3.414 unbeschädigt. Von 57.227 Wohnungen sind 12.037 total zerstört, 7.450 schwer, 10.864 mittelschwer und 14.859 leicht beschädigt. 12.000 Menschen aus Karlsruhe sind durch den Krieg gestorben, entweder durch Dienst an der Front oder bei den Bombardierungen.

Icon vergrößern
Der Einmarsch der französischen Truppen in Karlsruhe im April 1945.
Foto: Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS VI 31
Schließen
Icon Schließen
Icon vergrößern
Icon verkleinern
Icon Pfeil bewegen
Der Einmarsch der französischen Truppen in Karlsruhe im April 1945.
Foto: Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS VI 31
Die Stadtverwaltung plant einen großen Wiederaufbau der Fächerstadt – dabei soll der Fächergrundriss und die Lage der Kaiserstraße als Geschäftsstraße beibehalten werden. Es entstehen Bebauungspläne,, die Anfang der 1950er Jahre umgesetzt werden.
Sperrstunde über Weihnachten in Karlsruhe
Die Westallierten haben die Kontrolle über die deutsche Presse übernommen. In dieser Phase direkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs werden alle ehemaligen deutschen Zeitungen verboten und die Besatzungsmächte geben ihre eigenen Zeitungen heraus, um die Bevölkerung über wichtige Nachrichten zu informieren.
Im Juli 1945 teilen die Westallierten Deutschland in vier Besatzungszonen auf, Karlsruhe gehört jetzt zu der amerikanischen Zone. Hier erscheint die “Military Government Gazette“, eine in der Regel Zwei- bis Vierblatt-Zeitung, die die wichtigsten Ankündigungen veröffentlicht.

Icon vergrößern
Die „Military Gazette“ vom 22. Dezember 1945.
Foto: privat
Schließen
Icon Schließen
Icon vergrößern
Icon verkleinern
Icon Pfeil bewegen
Die „Military Gazette“ vom 22. Dezember 1945.
Foto: privat
Am 22. Dezember 1945 informiert die Zeitung über eine Sperrstunde für die Weihnachtstage vom 24. bis 25. Dezember, um den Deutschen den Besuch des traditioellen Weihnachts-Mitternachts-Gottesdiensts zu ermöglichen. In der Regel fängt die Sperrstunde bereits um 22.30 Uhr in Karlsruhe an.
Vierordtbad darf über Weihnachten öffnen
Eine erfreuliche Nachricht jedoch teilt die Military Government Gazette kurz vor Weihnachten mit: Das Vierordtbad in der Ettlinger Straße wird für die Zivilbevölkerung in Betrieb genommen. Das Hauptziel der Aktion ist es, Reinigungsbäder für die Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Da viele Menschen ausgebombt sind, haben sie kaum eine Möglichkeit, sich zu waschen. Die Schwimmhalle darf von der Bevölkerung noch nicht benutzt werden.
Rationiertes Weihnachts-Festmahl
Auch in Karlsruhe ist das Essen 1945 sehr knapp – es ist ein Hungerjahr. Aber im Herbst 1945 kommt es zu einer unglaublichen Bucheckerschwemme. Die Karlsruher fahren mit dem Rad oder mit der Bahn zu den Wäldern bei Ettlingen, um die Früchte zu sammeln. Etwa zehn Pfund Bucheckern ergeben einen Liter Öl, was zu dieser Zeit eine wertvolle Kostbarkeit ist.
In dieser Phase nach dem Krieg werden die Lebensmittel noch rationiert. Für den Zeitraum vom 10. Dezember 1945 bis 6. Januar 1946 werden pro Bürger folgende Mengen vorgesehen: 250 Gramm Butter, 150 Gramm Margarine, 600 Gramm Fleisch- und Wurstwaren, 600 Gramm Nahrungsmittel, 150 Gramm Kaffee-Ersatz, 10.300 Gramm Brot, 16.000 Gramm Kartoffeln und wöchentlich einen Liter Magermilch.
Aber kurz vor Weihnachten kommt es zu einer Festtags-Sonderzuteilung von 400 Gramm Zucker, 250 Gramm Marmelade, ein Päckchen Backpulver, 100 Gramm Fleisch und 1000 Gramm amerikanischem Weizenmehl. Der Beauftragte für das Flüchtlingswesen, Alfred Behnle, entdeckt ein großes US-Lager mit Lebensmitteln, das von den Amerikanern nicht verwendet wird und lässt sie nach Karlsruhe transportieren.
Über Weihnachten wird Essen an Goßküchen ausgeteilt
Am 10. Dezember wird in der Scheffelstraße eine Großküche des Roten Kreuzes eröffnet, die täglich über 2.000 Essensportionen zu den in leerstehenden Gaststätten und Schulen eingerichteten Ausgabestellen fährt. In mehreren Stadtteilen Karlsruhes werden auch Wärmestuben geöffnet.
Durch Haussammlungen bekommt die Karlsruher Notgemeinschaft in Winter 1945/46 monatlich zwischen 100.000 und 130.000 Reichsmark. Die Notgemeinschaft wird im November 1945 auf Initiative vom Oberbürgermeister Hermann Veit gegründet – sie versorgt Essen aus einer Großküche und sammelt Spenden.
„Frieden denen, die eines guten Willens sind“
Das Badener Tagblatt ist eine Zeitung, die auch nach dem sogenannten Blackout – also das Verbot aller deutschen Zeitungen durch die Westallierten – noch zweimal die Woche erscheinen darf. Am 24. Dezember 1945 wünscht die Zeitung “Frieden denen, die eines guten Willens sind“.

Icon vergrößern
Zerstörte Häuser in der Reinhard-Heydrich-Straße, heute Reinhold-Frank-Straße.
Foto: Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 6/49a
Schließen
Icon Schließen
Icon vergrößern
Icon verkleinern
Icon Pfeil bewegen
Zerstörte Häuser in der Reinhard-Heydrich-Straße, heute Reinhold-Frank-Straße.
Foto: Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 6/49a
Nun stehe man „vor der ersten Friedensweihnacht, wenn man genau hinsieht, seit 31 Jahren – also seit 1913“, behauptet die Zeitung. Die unsicheren Jahre der Weimarer Republik nach dem Ersten Weltkrieg und die zwölf Jahre unter den Nationalsozialisten werden nicht als Friedensjahre betrachtet, sondern als eine Zeit der Unruhen, des Aufruhrs und der Umbrüche.
„Diese Weihnacht hat etwas Versöhnendes, weil Ausgleichendes“, schreibt die Zeitung. „Das Geschenk, das Deutschland zu dieser Weihnacht bekommt, ist die Freiheit. Nach zwölf Jahren Unterdrückung sind wir wieder frei geworden.“
In den meisten Häusern ist es still
Viele Frauen sind im Krieg Witwen geworden und viele Kinder Waisen. Andere warten auf ihren Mann oder Vater, der noch in Kriegsgefangenschaft ist oder auf der Vermisstenliste steht. Diese Weihnacht ist anders – in den meisten Häusern ist es still.
Es gibt keinen Arztbesuch, wenn man krank ist und es gibt nicht viel zu essen. Auch Strom gibt es oft nicht. Der schwarze Markt entwickelt sich – wenn man Geld hat, kann man gut leben. Zumindest ist es das erste Fest seit langer Zeit, bei dem die Fenster nicht verdunkelt sind und man keinen Fliegeralarm fürchten muss.
-
Katherine Quinlan-Flatter
Icon Haken im Kreis gesetzt
Icon Plus im Kreis
-
Karlsruhe
Icon Haken im Kreis gesetzt
Icon Plus im Kreis
-
Zweiter Weltkrieg
Icon Haken im Kreis gesetzt
Icon Plus im Kreis