In den Winterferien zieht es viele Kinder stundenlang vor den Bildschirm. Medienpädagoge Ahmed Özcan gibt Tipps, wie Eltern die Gaming-Zeit sinnvoll begleiten können.
Graue Wintertage und viel freie Zeit: In den Ferien wollen viele Kinder stundenlang zocken. Videospiele gehören zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten bei Kindern und Jugendlichen. Laut einer Studie zocken 45 Prozent der Sechs- bis Siebenjährigen regelmäßig, bei den 12- bis 13-Jährigen sind es sogar 80 Prozent. Besonders nach den Feiertagen, wenn Konsolen und neue Spiele unter dem Weihnachtsbaum lagen, wird die Balance zwischen Bildschirmzeit und Familienleben zur Herausforderung.
Wie navigiert man als Eltern durch diese Zeit? Ahmed Özcan (30), Medienpädagoge und Koordinator der ComputerSpielSchule Stuttgart, sieht die Situation gelassen: „Die Ferien sind dazu da, damit sich Kinder vom Lernstress erholen. Da ist es in Ordnung, wenn sie mal etwas mehr Zeit mit Videospielen verbringen.“
Gemeinsam Regeln aufstellen: Der Mediennutzungsvertrag
Wichtig sei allerdings, für den Alltag klare Regeln zu etablieren. Özcan empfiehlt daher, gemeinsam einen Mediennutzungsvertrag aufzustellen. Darin legt die ganze Familie fest, wie viel Zeit täglich mit Medien verbracht werden darf. Dieser Vertrag gilt sowohl für Kinder als auch für Eltern. „Wenn die Regeln gemeinsam aufgestellt werden, halten sich Kinder eher daran. Eltern sollten aber immer mit gutem Beispiel vorangehen“, so der Experte. Der Vertrag bietet auch in Konflikten Rückhalt, ganz nach dem Motto: ‚Das haben wir zusammen ausgemacht und daran halten wir uns alle.‘ Für die Ferien rät Özcan zu einem flexiblen System: Mediengutscheine. Diese können Kinder zusätzlich einlösen, um ihre Bildschirmzeit selbstständig und verantwortungsvoll zu steuern und einzuteilen.
Konsequenzen und positive Verstärkung
Bei Regelbrüchen ist Konsequenz gefragt: „Wird länger gezockt als vereinbart, wird diese Zeit für den nächsten Tag abgezogen.“ Gleichzeitig plädiert der Medienpädagoge für positive Verstärkung: „Wichtig ist es auch, die Kinder zu belohnen, wenn die Regeln eingehalten werden. Dann kann man vielleicht einen Ausflug machen, den sie sich schon länger gewünscht haben.“
Aber was ist ein realistisches Zeitlimit? Eine pauschale Antwort ist laut Özcan schwierig. Kinder nutzen Medien schließlich nicht nur für Videospiele, sondern auch um Hausaufgaben zu machen oder für die Schule zu recherchieren. Er verweist deshalb auf die Initiative „Schau hin!“, deren Empfehlung als Orientierung dienen:
- bis drei Jahre: am besten gar keine Bildschirmzeit
- vier und fünf Jahre: bis eine halbe Stunde Bildschirmzeit am Tag
- sechs bis neun Jahre: bis zu einer Stunde Bildschirmzeit am Tag
- bei älteren Kindern ab zehn Jahre wird empfohlen, ein wöchentliches Zeitkontingent zu vereinbaren: zum Beispiel eine Stunde pro Lebensjahr in der Woche
Zocken hat auch pädagogischen Wert
Videospiele sollten keinesfalls verteufelt werden. Sie sind ein kreatives Unterhaltungsmedium, das wichtige Fähigkeiten fördert, genau wie Brett- oder Kartenspiele. Özcan erklärt: „Die Hauptaufgabe in so gut wie jedem Videospiel ist es, ein Problem zu lösen. Das fördert die Problemlösekompetenz von Kindern und animiert sie zu kreativen Lösungsansätzen.“ Viele Titel fördern zudem kritisches und räumliches Denken, Kommunikation und Teamwork. Wichtig ist, dass Eltern Interesse zeigen und offen mit ihren Kindern über das Gaming sprechen. So sind die Kinder offener und Eltern bekommen schneller mit, falls Themen wie Cybermobbing aufkommen.
Achtung Kostenfalle
Wovon der Medienpädagoge entschieden abrät, sind kostenlose Mobilegames und Spiele mit In-Game-Käufen. In vielen beliebten Titeln wie „Fortnite“, „EA Sports FC“ (früher „FIFA“) oder „Clash of Clans“ werden Nutzerinnen und Nutzer ständig aufgefordert Geld auszugeben. Die Verbraucherzentrale warnt aktuell vor diesen Mechanismen. Länder wie Belgien und die Niederlande haben sogenannte Lootboxen, also Überraschungspakete die mit Echtgeld gekauft werden, bereits stark reguliert und zum Teil verboten.
Familientaugliche Spiele
Wer als Eltern unsicher ist, ob ein Spiel für das eigene Kind geeignet ist, sollte sich im Spieleratgeber NRW informieren. Dort finden sich pädagogische Beurteilungen und Altersempfehlungen für viele aktuelle Titel. Für eine persönliche Beratung steht die ComputerSpielSchule des Stadtmedienzentrums Stuttgart zur Verfügung. Hier gibt es Informationsveranstaltungen und Fortbildungen für Eltern. Außerdem bietet die Einrichtung jeden Freitag von 14 bis 17 Uhr das offene Angebot „Game, Make and Learn“ an, bei dem Kinder nicht nur gemeinsam zocken, sondern auch an Workshops zu 3D-Druck, Werken und Plotten teilnehmen können.
Für den gemeinsamen Familien-Spielabend empfiehlt Özcan Partygames wie die Mario-Reihe oder Indie-Titel wie „Boomerang Fu“. Für ältere Kinder eignen sich kooperative Actionspiele wie „It Takes Two“ oder „Split Fiction“, die zudem inhaltlich komplexer sind und Gesprächsstoff liefern. „Wichtig ist auch bei der Auswahl der Spiele auf die Alterskennzeichnungen zu achten“, schließt Özcan.
Weitere Infos
ComputerSpielSchule, Stadtmedienzentrum Stuttgart, Rotenbergstr. 111, Stuttgart Ost, freitags 14-17 Uhr, weitere Spiele-Empfehlungen gibt es hier.