In den 1950er Jahren hat sich Deutschland in einem solchen Maße von den Folgen des Zweiten Weltkrieges erholt, dass man von einem „Wirtschaftswunder“ spricht. Der Fokus in Westdeutschland ist auf den Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur und der Steigerung in der Produktion angewiesen.

Auch Karlsruhe als deutsches Rechtszentrum und Standort mit Tradition in Industrie und Forschung trägt erheblich dazu bei und profitiert davon: Die Fächerstadt wird wieder auf- und der Straßenbahnbetrieb ausgebaut.

Zu Weihnachten wird Deutschland „Einwanderungsland“

Das Wachstum ist so andauernd, dass bereits 1955 Karlsruhe fehlende Arbeitskräfte meldet und überlegt, ausländische Kräfte einzusetzen, um diese Mängel abzudecken. Das stößt auf Interesse bei der italienischen Regierung, die die Arbeitslosigkeit durch den Export ihrer Arbeitskräfte verringern möchte.

Deshalb wird am 20. Dezember 1955, kurz vor Weihnachten, ein Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und Italien geschlossen, das unter anderem die Durchführung der Arbeitsvermittlung, den Lohn und den Familiennachzug regelt.

Der Aufbau der Fächerstadt schreitet voran

Im Zweiten Weltkrieg sind viele Kultur- und Verwaltungsgebäude zerstört worden – wie das Markgräfliche Palais am Rondellplatz, das nach dem Krieg in Ruinen liegt. Im Herbst 1955 diskutiert die Stadtverwaltung, ob das Palais als Kulturzentrum wieder aufgebaut oder ob es als Zentrum für die Oberpostdirektion umgebaut werden soll.

Das Markgräfliche Palais Karlsruhe im Oktober 2024.

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Das Markgräfliche Palais Karlsruhe im Oktober 2024.
Foto: Marius Nann

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Das Markgräfliche Palais Karlsruhe im Oktober 2024.
Foto: Marius Nann

Karlsruhe erhält bis zum Frühjahr 1956 acht neue Straßenbahn-Großraumwagen. Im Herbst trifft der erste ein und bis Weihnachten sollen noch zwei Wagen folgen. Gegen die früheren Modelle verfügen diese Wagen über große Fallfenster und elektrisch angetriebene Lüfter, die das Fahren im Sommer angenehmer machen.

Das wiederaufgebaute Rathaus wird eröffnet

Außerdem erhält die Fächerstadt einen neuen Scheiben-Gasbehälter, den die Stadtwerke neben der Eisenbahnstrecke Karlsruhe-Mannheim bauen wird. Der Behälter soll 63 Meter hoch sein und ist für ein Fassungsvermögen von 130.000 Kubikmeter vorgesehen. Der aktuelle Speicherraum reicht nicht mehr aus und die Anforderungen an die Gaswerke werden immer höher. Der Gasverbrauch ist von 1954 auf 1955 um etwa 20 Prozent gestiegen.

Winterliche Abendstimmung in der Innenstadt beim Rathaus am 24. Dezember 1955.

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Winterliche Abendstimmung in der Innenstadt beim Rathaus am 24. Dezember 1955.
Foto: Stadtarchiv Karlsruhe, 8/BA Schlesiger 1955 – Bildarchiv Schlesiger 1955/A3_161_6_31

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Winterliche Abendstimmung in der Innenstadt beim Rathaus am 24. Dezember 1955.
Foto: Stadtarchiv Karlsruhe, 8/BA Schlesiger 1955 – Bildarchiv Schlesiger 1955/A3_161_6_31

Kurz vor Weihnachten wird am 13. Dezember das wiederaufgebaute Rathaus feierlich eröffnet. Dieser Wiederaufbau erfolgt nach den historischen Plänen vom Architekten Friedrich Weinbrenner. Auch der Bundesgerichtshof soll ausgebaut werden – für geplante vier Millionen D-Mark. In der neuen Residenz des Rechts reicht der Platz für die staatlichen Behörden nicht mehr aus.

Es gibt Weihnachtsbraten!

Die Lebensmittelrationierung und die Ausgabe von Lebensmittelmarken endet in Westdeutschland größtenteils um das Jahr 1950. Im Gegensatz zum Weihnachtsfest 1945 haben die Karlsruher 1955 bei der Planung des Festessens an Heiligabend die Qual der Wahl.

Die Geschäfte in der Stadt sind gut versorgt, so kann man beispielsweise zwischen gespickten Rehrücken, einem Kapäunchen (Huhn) oder einem fetten Karpfen wählen. Aus dem Osten werden Hasen – wahrscheinlich aus Schlesien, Pommern oder Ostpreußen-, Hirschfleisch aus Österreich und Fasane reichlich angeboten. Es fehlt noch an Mastgänsen – das, was angeboten wird, kommt aus Ungarn.

„Operation Christmas Tree“

Der Zweite Weltkrieg hat Tausende von Kindern zu Waisen gemacht. An Weihnachten veranstaltet die Stadtverwaltung eine Weihnachtsfreude für fast 2.000 Karlsruher Kriegswaisen, die einen oder beide Elternteile im Krieg verloren haben. Im Großen Haus des Badischen Staatstheaters erleben sie eine kostenlose Vorführung des Märchens „Die Prinzessin auf der Erbse“ und erhalten anschließend kleine Geschenkpäckchen mit Süßigkeiten.

„Operation Christmas Tree“ heißt das Programm, das die in Karlsruhe stationierten US-Soldaten für Kriegswaisen und Kinder aus armen Verhältnissen zu Weihnachten veranstalten. In den Karlsruher Kasernen in Neureut, Knielingen und Hagsfeld landen zum fünften Jahr in Folge Hubschrauber mit amerikanischen Weihnachtsmännern, die die kleinen Gäste mit Hühnchen, Schokolade und Eis vergnügen.

Insgesamt stehen über 1.000 Karlsruher Kinder und alte Menschen in den Weihnachtstagen unter dem Christbaum der amerikanischen Armee. Etwa ein Kilometer Kleiderstoff und zahlreiche Spielzeuge verschenken die amerikanischen Soldaten in diesen Tagen. Das Schönste aber ist das Gefühl der Freundschaft und Liebe.

  • Katherine Quinlan-Flatter

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