Heiligabendfeier in Fellbach: Der Widerstand wächst trotz Weihnachtsfrieden Die Gästeschar feiert an festlich gedeckten Tischen zusammen Heiligabend. Foto: Eva Herschmann

Auch bei der stimmungsvollen Heiligabendfeier im Treffpunkt Mozartstraße in Fellbach mit 53 Gästen erheben sich kritische Stimmen gegen die Sparpläne der Stadt.

Der Saal im Treffpunkt Mozartstraße in Fellbach ist vorbereitet für eine fröhlich-festliche Heiligabendfeier in Gemeinschaft. Ein prächtig geschmückter Christbaum, Lichterketten an den Fenstern, Sterne und festlich gedeckte Tische erwarten die Gästeschar. Es gibt Schnitzel, Pute oder Schwein, mit Kartoffelsalat sowie einem bunten Salatteller und zum Nachtisch Eissterne. Doch die Ruhe ist trügerisch. Abseits der Weihnachtsstimmung rumort es gewaltig. Die Stadt muss sparen und will – nicht nur – die beliebte Begegnungsstätte in Fellbach aus Kostengründen zum 1. Juli schließen. Doch es regt sich Widerstand. Besucherinnen und Besucher, Ehrenamtliche und Hauptamtliche wollen das Ende nicht einfach hinnehmen.

Noch herrscht Weihnachtsfrieden. Die Heiligabendfeier ist friedlich und stimmungsvoll. Weihnachtslieder und besinnliche Worte können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es hinter den Kulissen mächtig rumort. Denn diese Heiligabendfeier könnte die letzte ihrer Art gewesen sein.

Zu der Heiligabendfeier gehört natürlich eine schöne Bewirtung. Foto: Eva Herschmann Die Heiligabendfeier ist eine Institution gegen die Einsamkeit an Festtagen

Siegfried Okker, der frühere Geschäftsführer des Evangelischen Vereins und des Treffpunkts Mozartstraße, macht sich große Sorgen um die Tradition und wichtige Institution gegen die Einsamkeit an Festtagen ist. Okker hatte vor 51 Jahren, am 24. Dezember 1974, die erste Heiligabendfeier an Ort und Stelle federführend mit Peter Seils, dem damaligen Pfarrer der Lutherkirche, initiiert und organisiert. Nun fürchtet er das Ende und kritisiert die Vorgehensweise der Stadt, die ihre Pläne vorher nicht mit den Beteiligten kommuniziert habe. Kurz vor Weihnachten seien sie durch die Berichte in der Zeitung vor vollendete Tatsachen gestellt worden. „Das ist ziemlich bodenlos. Die Betroffenen, die Ehrenamtlichen und die Bürgerinnen und Bürger hätten erst gehört und gefragt werden müssen, wo und wie Geld eingespart werden kann.“

Siegfried Okker zählt zu den ersten von insgesamt 53 Gästen, die an Heiligabend in den Treffpunkt kommen. Nach und nach wird der Saal voller. Viele der älteren Damen und Herren nehmen den angebotenen Fahrdienst in Anspruch und lassen sich von Zuhause abholen. Auch auf der Fahrt hierher sei das angekündigte Ende des Treffpunkts Thema, erzählt Winfried Bauer, einer von 14 Ehrenamtlichen bei der Heiligabendfeier, der als Chauffeur unterwegs ist. „Die Frau, die ich gerade aus Oeffingen abgeholt habe, war regelrecht schockiert.“

Die Stadt hat eine drastischen Sparkurs angekündigt

Bevor es mit Weihnachtsliedern besinnlich wird, drehen sich auch Gespräche an den Tischen um das drohende Ende nicht nur der Heiligabendfeier. Denn aufgrund der klammen Haushaltslage hat die Stadt eine drastischen Sparkurs angekündigt. Dazu zählt die die Streichung sämtlicher Zuschüsse für den Trägerverein Forum Fellbach, der 2019 ins Leben gerufen wurde, um die Seniorenarbeit zu bündeln und zu koordinieren. Und der Wegfall der Fördermittel bedeutet das Aus für die drei Begegnungsstätten in den Stadtteilen.

Besucherin: „Hauptsache, wir können den Kahlschlag verhindern“

Veronika Walz-Poggioli kommt regelmäßig in die Mozartstraße 16. Sie nutzt die vielfältigen Angebote, die im Haus stattfinden – von Chor über Literaturkreis bis zu Yoga – und hat für die Schließung keinerlei Verständnis. „Zum einen ist das beschissen für die Hauptamtlichen, um die ich mir am meisten Sorgen mache. Aber damit verlieren wir alten Leute auch einen Platz, an dem wir uns treffen und kreativ sein können, und das werden wir nicht so einfach hinnehmen.“ Die Kommunikation seitens der Stadt sei auch nicht gut gewesen. Vor einer solch weitreichenden Entscheidung, hätte man eine Bürgerversammlung machen müssen, findet sie.

„Wir Älteren sind doch eine große Gruppe, und wir werden immer mehr“, so Veronika Walz-Poggioli. Die Nachricht über die geplanten Schließungen habe sich über die sozialen Medien wie ein Lauffeuer in der ganzen Stadt verbreitet, berichtet sie. Und in allen Gruppen, in denen sie unterwegs sei, seien die Reaktionen die gleichen gewesen, nämlich Unverständnis und Widerstand. „Wir mobilisieren gerade auf allen Ebenen, damit möglichst viele unserer Generation in die alles entscheidende Gemeinderatssitzung kommen. Hauptsache, wir können den Kahlschlag verhindern.“

Dass die Seniorinnen und Senioren sich wehren wollen, weiß auch Brigitte Bauer, die zusammen mit ihrem Mann Winfried, im Treffpunkt Mozartstraße jeden Mittwoch ehrenamtlich Gedächtnistraining anbietet und bei der Heiligabendfeier in der Küche mithilft. „Alle in unserer Gruppe, das sind 25 Leute zwischen Ende 60 und über 90 Jahren, haben gesagt, dass sie geschlossen ins Rathaus marschieren wollen.“