Weihrauchfässer, verschiedene Weihrauchsorten, Raunachtskerzen, Begleitbücher und ein Wunschzettelset: Raunachtsprodukte boomen. Denn immer mehr Menschen zelebrieren die Raunächte wieder intensiver als das noch vor einigen Jahren der Fall war.
Kirchliche Traditionen geraten in Vergessenheit
Die Raunachts-Tradition war lange Zeit in Vergessenheit geraten. Auch andere alte Weihnachtsbräuche werden seltener gepflegt: Der Advent als Fastenzeit, das Aufstellen von Barbara-Zweigen Anfang Dezember, die dann an Heiligabend blühen, Rorate-Messen, also morgendliche Andachten, oder das Frauentragen, das an die Herbergssuche erinnert. Manche Bräuche rund um Weihnachten und den Jahreswechsel sterben aus, andere erleben ein Comeback.
„Bräuche sind ja nichts Statisches, sie müssen sich verändern. Wenn sie für mich nicht mehr plausibel und relevant sind, brauche ich sie nicht mehr. Dann ist es eine Art von Folklore, eine leere Form. Natürlich sind manche Formen, die heute entstehen, befremdlich. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Rituale, auch die Raunächte, ganz stark durch die bäuerliche Kultur geprägt waren. Heute haben wir natürlich ganz andere soziale Strukturen“, erklärt Christoph Kürzeder. Er ist Theologe, Volkskundler und Direktor des Diözesanmuseums in Freising. Die Entwicklung weg vom bäuerlichen Bayern führte dazu, dass manche Bräuche ihren Nutzen verlieren.
Weihnachten: Mehr Leute wollen in Gottesdienst gehen
Wenn so Leerstellen entstehen, entwickeln Menschen entweder neue Traditionen oder entdecken alte wieder neu. Bei der jährlichen Weihnachtsstudie der Bundeswehr etwa gaben wieder mehr Menschen an, Weihnachten in den Gottesdienst gehen zu wollen. „Nach dem pandemiebedingten Rückgang steigt das Interesse wieder leicht an und liegt nun bei 18 Prozent“, stellen die Studienmacher fest.
Unter den jungen Erwachsenen plante sogar mehr als jeder Vierte einen Gottesdienstbesuch an Heiligabend. Alte christliche Traditionen können also auch wiederentdeckt werden. Religiosität und Spiritualität werden immer individueller und da passt die alte, fast vergessene Tradition der Raunächte, in denen man an zwölf Tagen jeweils einen Wunsch auf einem Zettel notiert und ihn dann verbrennt, gut hinein.
Raunächte: Zeit der Reflexion und Vorausschau
„Die zwölf Tage waren immer auch Zeiten, an denen man in die Zukunft schaut. Wir machen das ja immer noch in der Silvesternacht und da hilft natürlich auch das Ritual des Räucherns“, sagt Christoph Kürzeder. Denn der Jahreswechsel führe automatisch dazu, dass Menschen zurückblicken, das alte Jahr bewerten und auf das neue Jahr vorausschauen. Die Raunächte sind eine Zeit der Reflexion und der Besinnlichkeit.
„Diesen Übergang müssen wir irgendwie gestalten. Und da ist das Räuchern für viele Menschen heute ein wichtiges Element: Das Alte reinigen, sich verabschieden und dann das Neue begrüßen. Und das sind ja schöne Gesten, mit denen wir Menschen uns ausdrücken“, sagt der Theologe und Heimatkundler. Und, Traditionen und Bräuche seien schließlich auch immer eine Form von Gemeinschaft.
Keine „staade Zeit“, sondern eine „Zeit am Limit“
Im Vergleich zu früher sei die Zeit vor Weihnachten heute keine „staade Zeit“ mehr, sondern für viele eine stressige Zeit, eine „Zeit am Limit“, in der viele auf Weihnachten hin fiebern in der Hoffnung, dass es danach ruhiger wird. „Und dann kommt erst einmal die Erschöpfung und die Erholung. Und in diesen Zeiten der Erholung, die dann auch noch festlich geprägt sind, wo die Familie zusammenkommt, man Freunde trifft, dann kommt man zur Ruhe“, beschreibt der Theologe.
Früher seien die Raunächte auch verpflichtende Ruhetage gewesen: „Man durfte keine Wäsche waschen, man sollte nicht backen, also all diese sonst üblichen Tätigkeiten des Hauses sollten ruhen. Und auch das hat ja eine tiefe Bedeutung: Man soll zu sich kommen“, sagt Christoph Kürzeder. Das die Raunächte heute wieder beliebter werden, sei auch ein Signal, dass sich die Menschen wieder mehr nach Ruhe sehnen, bevor das neue Jahr beginnt.