Isabel Fezer von den Liberalen will 2026 mit dann 66 Jahren ihren Posten verteidigen. Die AfD hat noch nicht entschieden, wenn sie gegen Fezer aufbietet.
Ihre erste Wahl in Stuttgart war ein Paukenschlag. Am 15. Juli 2010 betrat Isabel Fezer die politische Bühne in der Landeshauptstadt. Die Liberale kam von der Landesvertretung in Berlin, war zuvor Bürgermeisterin in ihrer Heimatstadt Radolfzell gewesen. Mit einer Stimme Mehrheit setzte sie sich in Stuttgart gegen den favorisierten Grünen-Fraktionschef Werner Wölfle durch.
Im Juli 2026 dürfte es für Fezer weniger knapp werden. Dann will die Beigeordnete für Jugend und Bildung mit 66 Jahren in ihre dritte Amtszeit starten. Das teilte sie auf Anfrage unsere Zeitung mit – dabei liegt das Vorschlagsrecht für den Posten gar nicht bei der FDP, sondern bei der AfD.
Die AfD segelt in der Kommunalpolitik in Stuttgart im Aufwind
Zählt eine Stadt mehrere Bürgermeister (Stuttgart sieben), sollen die Parteien oder Wählervereinigungen „nach dem Verhältnis ihrer Sitze im Gemeinderat berücksichtigt werden“, heißt es in der Gemeindeordnung. Das spricht gegen die FDP, die bei der Kommunalwahl 2024 Federn ließ. Die AfD segelte im Aufwind, ihr steht auch nach dem Abgang von Thomas Rosspacher (zur Werteunion) ein Posten zu. Liberalen und Freien Wählern, die mit Clemens Maier einen Bürgermeister stellen, zusammen nur einer, nicht mehr zwei.
Amtsinhaber genießen einen Bonus – auch im Rathaus Stuttgart
Es bleibe dem Rat jedoch „unbenommen, jemand anderen zu wählen“, so die Auskunft aus der Verwaltung. Stuttgarter Usance sei, dass „Amtsinhaber unabhängig vom Vorschlagsrecht grundsätzlich wiedergewählt werden“ – solange sie keine goldenen Löffel gestohlen haben, darf man anfügen.
AfD-Fraktionschef Michael Mayer: Wählerwillen umsetzten Foto: Lichtgut
Fezer hat nie Besteckteile mitgehen lassen. Sie wog aber länger ab und sendete im Vorjahr Signale des Abschieds. Zwei liberale Amtsträger aus der Region fühlten in Kreisverband und Fraktion bereits um Unterstützung vor. Namensnennung verbitten sich die nun enttäuschten Bewerber in spe. Beiden hätte als Frischling in Stuttgart der Wiederwahl-Bonus gefehlt. Daher wurde im Rathaus zur Abwehr der AfD die Variante eines parteilosen Kandidaten ventiliert.
Die FDP zeigt sich erleichtert über die Entscheidung von Isabel Fezer
„Die Haushaltsberatungen haben den Ausschlag für meine Entscheidung gegeben“, sagt Isabel Fezer. Sie erwartet „Herausforderungen“, also weitere Kürzungen in den nächsten Haushalten. Sie wolle „tragfähige Strukturen für die vielen freien Träger im Jugend- und Bildungsbereich“ schaffen. „Ich will ein wohl bestelltes Haus hinterlassen“, so Fezer. Sie werfe ihren Hut „für die Sache in den Ring, nicht gegen die AfD oder für die FDP“, so die Bürgermeisterin. Das solle aber nicht als Distanzierung zu den Liberalen missverstanden werden. FDP-Fraktionschef Matthias Oechsner zeigt sich erleichtert: „Ich gehe zuversichtlich ins neue Jahr.“ Fezers Alter spiele keine Rolle, von Akademikern werde eine längere Lebensarbeitszeit erwartet. Die acht Bürgermeisterjahre wird Fezer nicht voll erfüllen können, mit 73 ist nach gesetzlicher Vorgabe Schluss.
AfD sieht Chance zur Profilierung
Bei der AfD hieß es vor Fezers Entscheidung, dass man den Anspruch habe, den Wählerwillen umzusetzen. Daran dürfte sich nichts ändern, denn sonst könnte die Partei wohl erst wieder Ende 2027 beim möglichen Ausscheiden des SPD-Bürgermeisters Dirk Thürnau (dann 66) den Finger heben. Der lässt seine Lebensplanung noch offen.
Bis dahin stehen die (Wieder-)Wahlen von drei weiteren Bürgermeistern von CDU und Grünen an, deren Anspruch unstrittig ist. Die Erfolgsaussichten stünden für die AfD bei der Wahl im Juli 2026 zwar „eher schlecht“, so Fraktionschef Michael Mayer, das müsse einen Bewerber aber nicht hindern, um den Posten für Jugend und Bildung zu kämpfen. Mayer nennt als Beispiel den Stuttgarter AfD-OB-Kandidat Malte Kaufmann. Der habe anschließend bei der Bundestagswahl reüssiert.
Fezer erhält viel Unterstützung von den Fraktionen im Gemeinderat Stuttgart
Einige Fraktionen haben mit Fezers Zusage gerechnet oder darauf gehofft. Ein AfD-Mitglied wollen sie nicht auf der Bürgermeisterbank sehen. „Wer die Grundwerte der Demokratie mit Füßen tritt, ist für solch ein verantwortungsvolles Amt nicht geeignet“, sagt Grünen-Chef Björn Peterhoff. „Einen Bewerber der AfD zu wählen ist für uns ausgeschlossen“, so Jasmin Meergans, Fraktionsvorsitzende von SPD/Volt. „Das Reglement der Wiederwahl gilt weiterhin“, sagt Rose von Stein für die Freien Wähler, man wolle der AfD nicht den Weg bereiten.
„Wir haben keine eigenen Ansprüche“, so Thorsten Puttenat für die dreiköpfige Puls-Gruppe. Den Proporz auf der Bürgermeisterbank hält er im Grundsatz aber für bedenklich. Johanna Tiarks sieht für das Linksbündnis (Linke, SÖS, Tierschützer, sechs Sitze) zwar durchaus einen eigenen Anspruch, will ihn aber gegen Fezer nicht formulieren. „Es wäre kein Fehler, wenn Isabel Fezer weitermacht, wenn da eine Frau im Amt agiert, die sich auskennt“, sagte CDU-Fraktionschef Alexander Kotz vor Fezers Erklärung.