Meinung
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Wie Trump den transatlantischen Westen in Rekordzeit zerstört
Aus jahrzehntelanger Freundschaft wird Gegnerschaft: Amerika verrät die Ukraine und stellt sich auf Russlands Seite. Die Herrschaft des Rechts soll durch die Herrschaft der Macht ersetzt werden.
Kommentar von
Joschka Fischer
Publiziert heute um 08:04 Uhr
US-Präsident Donald Trump setzt auf ein imperiales Amerika neben einem imperialen Russland unter Wladimir Putin.
Bild: Julia Demaree Nikhinson, File/AP Photo via Keystone
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Der politische Nordatlantik durchläuft in der Gegenwart umwälzende historische Veränderungen. Der atlantische Graben zwischen Europa und Amerika wächst und vertieft sich. Die USA unter Trump wollen eine allein auf imperialer Grossmacht gründende Weltordnung herbeiführen, die von den globalen grossen drei beherrscht wird: USA, China und Russland.
Dafür sind sie bereit, die traditionellen Grundlagen ihrer Macht aufzugeben, nämlich den transatlantischen Westen und dessen Werte, die dieser historisch von der amerikanischen Demokratie übernommen hatte. Die amerikanische Aussenpolitik unter Trump folgt seinem Ego, dem Geld, sehr viel Geld und der Ideologie der US-innenpolitischen «Make America Great Again»-Bewegung (Maga).
Europa scheint für Trump und Maga nach den USA der zweite zentrale Kriegsschauplatz zu sein, den es zu erobern gilt, und dazu bedarf es der Renationalisierung und der Zerstörung der EU. So wird aus einem jahrzehntelangen Bündnis und enger Freundschaft in sehr kurzer Zeit Gegnerschaft.
Sieg der Freiheit
Die Vereinigten Staaten sind aus dem Zweiten Weltkrieg auf beiden Kriegsschauplätzen, sowohl in Europa als auch im Pazifik, als Hauptsieger und Weltmacht hervorgegangen. Und sie gewannen dann auch gegen die Sowjetunion den Kalten Krieg, faktisch ein teurer thermonuklearer Rüstungswettlauf zwischen den beiden Supermächten und ein Kampf der sozioökonomischen und normativen Systeme von Ost und West.
Freiheit und Demokratie zusammen mit Marktwirtschaft gegen Sowjetdiktatur und eine ineffiziente Planwirtschaft hiessen die Alternativen, Amerika mit seinem Freiheitsmodell setzte sich durch, die Sowjetunion mit ihrer Planwirtschaft kollabierte, löste sich auf und verschwand. Zurück blieb Russland.
Die Mehrheit der Amerikaner hatte mit der zweimaligen Wahl Donald Trumps zu ihrem Präsidenten klargemacht, dass sie der Rolle des Weltpolizisten müde und nicht länger bereit ist, diese Aufgabe zu schultern. Hier liegt das grosse Versäumnis Europas, nämlich, nicht mehr von der Last für die Verteidigung des eigenen Kontinents zu schultern. Souveränität heisst eben, Verantwortung für die eigene Sicherheit zu übernehmen.
«Die traditionellen Werte der amerikanischen Demokratie sind plötzlich der zu bekämpfende Gegner und nicht mehr autoritäre Systeme und Oligarchien.»
Die nunmehr schriftlich vorliegende neue Sicherheitsstrategie der US-Regierung in Verbindung mit deren 28-Punkte-Plan für eine Beendigung des Krieges in der Ukraine, der die russischen Maximalpositionen mehr oder weniger übernommen hatte, macht jedoch klar, dass es für die Aussenpolitik von Trump nicht nur um die Trennung von Europa und um den Verrat an der um ihre Freiheit kämpfende Ukraine geht.
Vielmehr spricht Trump völlig offen von der aktiven Zerstörung der Europäischen Union, da es sich bei der EU um ein anti-amerikanisches Projekt handle! Eine völlig verrückte Verdrehung der Tatsachen!
Die Freunde und Verbündeten der vergangenen Jahrzehnte in Brüssel und die EU sind neuerdings Gegner der USA, und nicht mehr das seinen Nachbarn Ukraine überfallende Russland unter Putin!
Trump hat damit den transatlantischen Westen erledigt und will an dessen Stelle ein imperiales Amerika neben ein imperiales Russland und ein ebenfalls imperiales China setzen, in einer neuen Weltordnung eines globalen imperialen Dreiecks, in der allein die Herrschaft der Macht und nicht mehr die Herrschaft des Rechts zählt.
Die traditionellen Werte der amerikanischen Demokratie sind plötzlich der zu bekämpfende Gegner und nicht mehr autoritäre Systeme und Oligarchien.
Spiel zu dritt
Trump scheint zu hoffen, dass er Putin für sich gewinnt, indem er die Ukraine und damit auch Europa verrät und sich auf Russlands Seite stellt. Dadurch will er offenbar Putins Unterstützung in der kommenden Auseinandersetzung mit China um die globale Vorherrschaft sichern.
Doch Putin wird dabei nicht mitspielen, denn er weiss, dass er ohne China an seiner Seite viel zu schwach wäre, um seine mühselig zu verteidigende Weltmachtrolle allein gegenüber den USA sichern zu können.
Dies kann er erfolgreich nur in einem Spiel zu dritt, zumal sowohl China als auch Russland eine veränderte Hierarchie in der Weltordnung zulasten der USA anstreben. Trump wird scheitern; die Frage, die bleibt, lautet: zu welchem Preis?
Was sich heute bereits feststellen lässt, wird die Zerstörung des transatlantischen Westens sein, und damit wird sich Amerika selbst schwächen. Trump meint, Amerika wäre sich selbst genug, aber er und seine Maga-Anhängerschaft täuschen sich.
«Putin wird durch Trumps Verrat nicht friedensbereiter, sondern siegestrunkener und wird weitermachen, weiter Richtung Westen.»
Die Vereinigten Staaten brauchen den Westen mindestens so sehr, wie ihn Europa braucht. Die USA unter Trump verfolgen eine Strategie der Selbstschwächung – ja, wenn es schlimm kommt, Selbstzerstörung – amerikanischer Macht durch Aufgabe oder gar Bekämpfung traditioneller Bündnisse.
Putin wird durch Trumps Verrat nicht friedensbereiter, sondern siegestrunkener und wird deshalb weitermachen, weiter Richtung Westen. Ein Waffenstillstand zu seinen Bedingungen ja, aber dieser bedeutet nur eine taktische Pause.
Schon heute nimmt die Kriegsgefahr entlang der eurasischen Hauptachse zu: im Fernen Osten zwischen China und Japan, um Taiwan, und an ihrem westlichen Ende mit der Ukraine und der Kriegsgefahr zwischen Russland und Europa an der Ostflanke der Nato.
Europa muss sich auf harte Zeiten einstellen, denn zu dieser gefährlichen geopolitischen Krise kommen noch die europäische Wachstumsschwäche und die digitale Technologielücke gegenüber den USA und China hinzu, die es zu überwinden und zu schliessen gilt. Souveränität hat eben ihren Preis!
Joschka Fischer war von 1998 bis 2005 deutscher Aussenminister und Vizekanzler.
Copyright: Project Syndicate.
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US-Präsident Donald Trump setzt auf ein imperiales Amerika neben einem imperialen Russland unter Wladimir Putin.
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