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bno280425hegaansaariBewegtes Leben: Helga Ansari vereint als Multitalent eine Künstlerin mit einer polyglotten Weltbürgerin. © privat

Die Weltenbummlerin der Stadt wird 90 Jahre alt. Sie ist Künstlerin, Frauenrechtlerin und arbeitete von Pakistan bis Sambia.

Sie hat den halben Globus bereist, fremde Sprachen erlernt und mehr als 10 000 Bücher gelesen. Jetzt feierte Helga Ansari, geborene Schmidt, ihren 90. Geburtstag, „Ich war immer unterwegs“, blickt die Obertshausenerin auf ein bewegtes Leben zurück. „Ich wusste oft nicht, wo ich abends schlafen werde.“ Doch im Gepäck hatte sie immer großes Gottvertrauen.

Das Licht der Welt erblickte sie in Frankfurt-Sachsenhausen, besuchte die Schillerschule, dem einzigen Mädchengymnasium. Danach absolvierte sie eine Lehre als Rechtsanwaltsgehilfin. 1953 heiratete sie mit gerade einmal 18 Jahren. Aus dieser Ehe gingen ihre drei Kinder hervor. Die Familie lebte in einer Werkswohnung der Firma ihres Mannes, Akkord-Radio in Offenbach.

Sanskrit und Hindi gelernt

Nach der Scheidung arbeitete sie als Sekretärin bei Löhr und Brohmkamp, kehrte zurück in ihre Heimatstadt, wo sie an der Universität als Sekretärin und Bibliothekarin tätig war – und nebenbei Sanskrit und Hindi lernte. 1968 zog sie nach Berlin und arbeitete im akademischen Auslandsamt an der Freien Universität.

Erneut nahm sie ein Studium auf und wurde Grundschullehrerin an zwei Einrichtungen in der Gropiusstadt und in Wilmersdorf. Bei einem Urlaub mit der Tochter in Indien lernte sie nach einem Unfall einen afghanischen Arzt kennen. Den besuchte sie in seiner Heimat zu einer Zeit, „als dort die Mädchen noch Mini-Röcke trugen“. 1974 gab sie dem Mediziner ihr Ja-Wort, die Verbindung sollte ein Vierteljahrhundert halten.

Als es in Deutschland eine „Ärzteschwemme“

Er wirkte in deutschen Kliniken in Marmagen in der Eifel, Bad Wildungen und Kassel. In dem Kurort war sie an einer Schule tätig, in Nordhessen als Jugendleiterin in der evangelischen Brüderkirche angestellt. Das Paar wanderte dann wegen der damaligen „Ärzteschwemme“ in der Bundesrepublik nach Sambia aus – in die Hauptstadt Lousaka, wo Ansaris Mann an einem Hospital, sie kurz als Vertreterin der Pressesprecherin in der deutschen Botschaft beschäftigt war. Später betreute sie für die damalige Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (heute Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) Entwicklungshelfer, richtete für Fachkräfte ein eigenes Büro in Kabompo an der Grenze zu Zaire ein.

Nach drei Jahren zog es ihren Mann nach Peshawar in Pakistan, wo er die ärztliche Betreuung eines amerikanischen Lagers übernahm und auch afghanische Medizinstudenten unterrichtete. Seine Frau blieb zunächst in Deutschland, arbeitete für eine indische Firma, suchte eine Stelle in Pakistan. Das hatte geklappt: Die Friedrich-Naumann-Stiftung in Königswinter bildete sie aus und entsandte sie nach Islamabad.

Für die Emanzipation pakistanischer Frauen

Dort leitete Helga Ansari ein Projekt beider Länder für Frauenrechte und Umweltschutz. Sieben Jahre blieb sie dort, besuchte Geschäftspartner im ganzen Land, führte die Verwaltung, veranstaltete Seminare und nahm zahlreiche gesellschaftliche Verpflichtungen wahr. Sie gründete mit einer mit Pakistanerin die Organisation Aurat, (auf Hindi Frauen). Ziel: deren Emanzipation.

„Die Frauen sollten begreifen, wie sinnvoll eine gute partnerschaftliche Beziehung ist“, erklärt die 90-Jährige. In mehreren Dörfern lehrte sie ihnen mit Nähmaschinen das Schneider-Handwerk, vorher musste Ansari immer erst die Dorfältesten überzeugen. Kurz vor der Rente zog sie wieder nach Frankfurt, war Sachbearbeiterin im Centrum für Internationale Migration.

„Zum Vergnügen“ Religionswissenschaften studiert

Mit dem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2000 hielt Helga Ansari Vorträge in Schulen, Kirchengemeinden und Senioreneinrichtungen. „Zu meinem Vergnügen“ studierte sie mit den jungen Leuten Religionswisschenschaften über unterschiedliche und historische Glaubensrichtungen. „Es hat mir immer Spaß bereitet, mich mit etwas Neuem zu befassen.“

So schrieb das Multitalent ein Theaterstück und führte es mit Mitgliedern der Gemeinde der Nicolai-Kirche auf. Noch einmal packte sie die Koffer, besuchte eine Freundin in Peking. 2002 hat sie einen neuen Mann kennengelernt. Ein Jahr später heiratete sie erneut und zog in sein Haus in Obertshausen. Er verstarb 2015.

Vor fast drei Jahren begegnete sie im Frauencafé an der Waldkirche ihren aktuellen Partner aus Hausen. Seit seiner Gehbehinderung unterstützt sie ihn im Alltag. Vor mehr als 20 Jahren schloss sie sich dem Frauenchor „Musica querbeet“ an, gehört bis heute dem Volkschor Germania an. Zum Geburtstag gratulierten ein Sohn und zwei Töchter, sechs Enkel und sechs Urenkel sowie Bürgermeister Manuel Friedrich. (Michael Prochnow)