Die EU stellt Exporteure stärker in die Pflicht und schließt Schlupflöcher im Handel mit Drittländern. Neue Leitlinien der Kommission definieren klare Warnsignale für Umgehungsgeschäfte mit Russland.
Brüssel setzt ein klares Signal: Der Handel über scheinbar neutrale Drittländer soll kein Hintertürchen mehr in den russischen Markt öffnen. Nur drei Tage nach der Verlängerung der Sanktionen bis Juli 2026 hat die Europäische Kommission am Freitag scharfe neue Durchsetzungsleitlinien vorgelegt. Kernstück ist ein Katalog konkreter „Red Flags“ – Warnsignale, die EU-Exporteure künftig zwingend prüfen müssen. Wer sie ignoriert, riskiert hohe Strafen, selbst ohne böse Absicht.
„Die Ära der ‚glaubhaften Abstreitbarkeit‘ für EU-Exporteure ist vorbei“, kommentieren Handelsexperten die am 26. Dezember veröffentlichten „Leitlinien zur Identifizierung von Umgehungsmustern“. Die Vorgaben machen es Unternehmen deutlich schwerer, Unwissenheit vorzutäuschen, wenn ihre Waren plötzlich in Russland auftauchen.
Im Fokus steht das Phänomen des „Transshipments“: Dual-Use-Güter wie Mikroelektronik oder Maschinenteile werden legal in ein Drittland wie die Türkei, Kasachstan oder China exportiert, landen aber letztlich bei sanktionierten russischen Empfängern. Dagegen setzt Brüssel jetzt eine verschärfte „Enhanced Due Diligence“ (erweiterte Sorgfaltspflicht).
Anzeige
Exportverantwortliche unterschätzen oft die Prüfpflichten bei Dual‑Use‑Gütern. Schon eine fehlerhafte Klassifizierung oder ein übersehener Verwendungszweck kann Ausfuhrgenehmigungen und hohe Strafen nach sich ziehen. Das kostenlose E‑Book “Das 1×1 der Dual‑Use‑Verordnung” erklärt praxisnah, wie Sie genehmigungspflichtige Waren identifizieren, die richtigen Prüfprozesse implementieren und Lieferkettenrisiken minimieren. Das Dual‑Use‑Leitfaden jetzt kostenlos herunterladen
Zu den wichtigsten Neuerungen gehört die verpflichtende Lieferketten-Nachverfolgung für Hochrisiko-Güter. Exporteure müssen den Weg ihrer Ware über den direkten Abnehmer hinaus dokumentieren. Ein klares Warnsignal ist auch eine geteilte Geschäftsadresse: Teilt ein Händler in einem Drittland seine Adresse mit mehreren scheinbar unabhängigen Briefkastenfirmen, muss der Export sofort gestoppt werden. Zudem müssen Zahlungen von Drittland-Kunden überprüft werden, ob sie nicht über obskure Fintech-Dienstleister mit Verbindungen zu russischen Finanzplätzen laufen.
Schattenflotte und Vertragsklauseln: Der Kontext der 19. Sanktionsrunde
Die neuen Leitlinien sind das operative Handbuch für die bereits verschärfte Sanktionspolitik. Im 19. Sanktionspaket vom Oktober 2025 hatte die EU erstmals 45 Unternehmen in Drittländern wie China und Indien selbst auf die Schwarze Liste gesetzt – wegen ihrer Rolle bei der Umgehung.
Ein besonderer Fokus liegt auf der sogenannten „Schattenflotte“ alter Tanker, die den Ölpreisdeckel der G7 unterlaufen. 117 weitere Schiffe kamen im Oktober auf die Blockliste. Die neuen Leitlinien adressieren den Schiffsverkehr direkt: „Ship-to-Ship“-Transfers auf hoher See mit Drittland-Schiffen gelten nun als Hauptindikator für Umgehungsabsicht.
Zudem präzisieren die Vorgaben die „No Russia“-Klause. Ein Vertragsverweis reicht nicht mehr aus. Unternehmen müssen aktiv nachweisen, dass ihre Geschäftspartner die Klausel auch operativ einhalten. Der reine Vertragstext genügt Brüssel nicht mehr.
Hohe Hürden für die Industrie und der Blick nach vorn
Für deutsche Exportunternehmen, besonders in Technologie, Automobilbau und Maschinenbau, bedeuten die Leitlinien erheblichen Compliance-Aufwand. Die tiefgehende Prüfung von Abnehmern in Ländern mit undurchsichtigen Firmenregistern ist logistisch anspruchsvoll und teuer.
Rechtsexperten warnen vor einer spürbaren Hinwendung zur „strict liability“ (verschuldensunabhängigen Haftung). Die Kommission signalisiere, dass sie Exporte zu bestimmten Firmen in Drittländern verbieten werde, wenn diese die neuen Sorgfaltsprüfungen nicht bestehen, heißt es in einer Analyse vom 26. Dezember. Diese Linie deckt sich mit dem Vorgehen Großbritanniens.
Konsequenzen bei Verstößen sind klar: Wird ein „objektiv überprüfbares“ Warnsignal übersehen, kann dies bereits administrative Strafen nach sich ziehen – auch ohne Vorsatz.
Mit der Verlängerung der Sanktionen bis Mitte 2026 ist der rechtliche Rahmen stabil. Doch die Dynamik der Umgehungsnetzwerke erfordert immer schnellere regulatorische Anpassungen. Beobachter erwarten, dass das möglicherweise für Anfang 2026 anstehende 20. Sanktionspaket diese Leitlinien in verbindliches Recht gießen wird. Spekuliert wird auch über eine Zwei-Klassen-Liste von Handelspartnern: Vertrauenswürdige Länder versus Hochrisiko-Drittländer, die maximale Prüfung erfordern.
Für EU-Unternehmen gilt jetzt: Ihre Kundenstämme müssen umgehend anhand der neuen Warnindikatoren überprüft werden. Die Botschaft aus Brüssel ist eindeutig. Das Netz zieht sich nicht nur um Russland enger, sondern um alle, die ihm den Zugang zum Weltmarkt ermöglichen.
Anzeige
PS: Suchen Sie eine schnelle Prüfmethode für Transshipments und Sanktions‑Risiken? Unser Gratis‑E‑Book liefert eine 3‑Schritte‑Checkliste zur sofortigen Risikoeinschätzung, Vorlagen zur Dokumentation und Praxistipps für Compliance‑Teams – ideal für Exportmanager und Logistiker. Kostenloses Dual‑Use‑E‑Book anfordern