Für Arbeitslose in Deutschland ist es im Moment so schwierig wie lange nicht, wieder einen Job zu finden. Die sogenannte „Abgangschance“ der Bundesagentur für Arbeit lag im zu Ende gehenden Jahr durchschnittlich bei 5,6 Prozent pro Monat. Der Wert beschreibt, wie viele Arbeitslose im Durchschnitt eine Beschäftigung aufnehmen. Liegt die Zahl bei 5,6 Prozent, gelingt das also nur fünf bis sechs von 100 Menschen.

Seit 2021 sinkt der Wert kontinuierlich, wie aus Zahlen der Arbeitsagentur hervorgeht, die unserer Redaktion vorliegen. Im vergangenen Jahr lag er noch bei 5,71 Prozent. Selbst in der Hochphase der Pandemie, 2020 und 2021, waren die Chancen mit 6,12 und 6,39 Prozent höher, eine Stelle zu finden. Der höchste Wert der vergangenen zehn Jahre lag bei 7,4 in 2019. Grund für den Rückgang seien „eine anhaltende konjunkturelle Schwächephase“ und die „Transformationsprozesse in verschiedenen Branchen“, heißt es von der Arbeitsagentur.

Arbeitslosigkeit: „Wir haben in Deutschland eine Krise der Industrie“

Die Chance sinkt über alle Altersgruppen hinweg, auch bei den Jungen. Zwar haben es die Unter-25-Jährigen mit einem Wert von etwa 10 Prozent deutlich besser als ältere Gruppen. Doch habe man im vergangenen Jahr so wenig junge Leute in Arbeit gebracht wie in den letzten 25 Jahren nicht, sagte BA-Chefin Andrea Nahles dem Portal web.de.

Der Ökonom Lars Feld blickt wenig hoffnungsvoll auf das kommende Jahr. „Derzeit ist kein Ende in Sicht. Wir haben in Deutschland eine Krise der Industrie“, sagte der ehemalige Vorsitzende der sogenannten Wirtschaftsweisen und frühere Chefberater von Christian Lindner unserer Redaktion. „Die Industrieproduktion geht seit 2018 zurück, jetzt hat sich die Dynamik beschleunigt. Im Jahr 2025 sind voraussichtlich 150.000 Arbeitsplätze über alle Industriezweige hinweg verloren gegangen.“ Das sei „schon eine Hausnummer“, sagte er. „Und es werden wohl noch mehr werden, weil sich freigesetzte Arbeitnehmer noch in Transfergesellschaften befinden.“

Zwar habe die deutsche Volkswirtschaft noch eine „gute Substanz“. Die Unternehmen müssten jedoch entlastet werden. Felds Vorschlag: „tiefgreifende Reformen im Sozialbereich“. Dadurch würde Arbeit in Deutschland billiger. „Dann gäbe es wieder Investitionen und die Unternehmen würden die Entlassungen stoppen.“ Außerdem kritisierte er die „Regulierungsintensität“, also überbordende Bürokratie, und die hohen Energiekosten. „Hier hat die Koalition mit der Senkung der Netzentgelte etwas bewirkt, die Senkung der Stromsteuer für alle bleibt aber aus.“ Von Bundeskanzler Friedrich Merz forderte er mehr Mut, Reformen gegen Kritiker in der eigenen Koalition durchzusetzen.

Reiche will längere Arbeitszeit, Kritik von den Linken

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat zuletzt mehrfach gefordert, dass die Deutschen länger arbeiten sollen. Außerdem will die CDU-Politikerin den Kündigungsschutz aufweichen und die Frühverrentung reduzieren: „Es kann nicht sein, dass Unternehmen, die einerseits beklagen, keinen Nachwuchs zu haben, im gleichen Zuge gut qualifizierte Arbeitnehmer ab 61 in Altersteilzeit schicken.“

Kritik an den Plänen der Ministerin kommt von den Linken. Fraktionschef Sören Pellmann sprach von einer „bodenlosen Unverschämtheit“. „Katherina Reiche steht nicht für eine Wirtschaft, die der Mehrheit dient. Stattdessen will sie, dass sich die Menschen für die Gewinne weniger Konzerneigentümer kaputt schuften“, sagte er. „Überlange Arbeitstage und haufenweise Überstunden sind schon jetzt die Realität vieler Beschäftigter.“ Die Drohung, das Renteneintrittsalter weiter zu erhöhen, sei nichts anderes „als eine schleichende Rentenkürzung“.

  • Christian Grimm

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