Hört man Markus Knorpp von der Agentur für Arbeit in Esslingen über den Geschäftsstellenbereich Leinfelden-Echterdingen sprechen, scheint die deutsche Wirtschaftskrise ganz weit weg. „Der Ausbildungsmarkt ist hier trotz der aktuellen wirtschaftlichen Lage selten besser gewesen“, schwärmt der Teamleiter Berufsberatung beim Blick auf die Zahlen.
Zum Geschäftsstellenbereich Leinfelden-Echterdingen der Agentur für Arbeit gehört auch Filderstadt. In beiden Städten zusammen zählte die Arbeitsagentur im vergangenen Berichtsjahr 692 Berufsausbildungsstellen, zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl der registrierten Bewerber für einen Ausbildungsplatz stieg um knapp 25 Prozent auf 382.
Wenig abhängig von Autobranche
Für Knorpp eine ganz außergewöhnliche Entwicklung: „Wir haben damit bei den Ausbildungsstellen und bei den Bewerbern das Vorcoronaniveau übertroffen.“ Nur in ganz wenigen Landkreisen in Baden-Württemberg sei das der Fall. Die Gründe hierfür liegen, nach Ansicht des Experten, in der besonderen Branchenstruktur der beiden Filder-Städte.
„Zum einen sind Leinfelden-Echterdingen und Filderstadt weniger von der Automobilbranche abhängig“, erklärt Knorpp. Zum anderen sei hier der Wandel von den Industrie- hin zu den Dienstleistungsberufen weiter fortgeschritten als im Umland. Hinzu komme der traditionell hohe Anteil an Unternehmen des Groß- und Außenhandels sowie des Speditionsgewerbes, die sich rund um Flughafen und Autobahn angesiedelt hätten.
Handelsberufe boomen: Doppelt so viele Lehrstellen wie 2022
Dieser Vorteil schlägt sich zum Beispiel in einer vergleichsweisen großen Zahl an Ausbildungsplätzen in Handelsberufen nieder. In diesem Sektor meldeten die Unternehmen in Leinfelden-Echterdingen und Filderstadt im vergangenen Jahr mit 105 Stellen doppelt so viele wie im Vorjahr.
Bei den Wunschberufen der Lehrstellensuchenden zeigt sich ein ähnliches Bild, wenngleich nicht ganz so ausgeprägt: So suchten im Berichtszeitraum 2024/2025 rund zehn Prozent aller Schulabgänger, die in den beiden Städten eine berufliche Ausbildung starten wollten, eine Lehrstelle im Büromanagement – der Spitzenplatz in der Rangliste der beliebtesten Ausbildungsberufe in Leinfelden-Echterdingen und Filderstadt. Es folgen, geschlechtsunabhängig, Kfz-Mechatroniker, Medizinische Fachangestellte, Verkäufer im Einzelhandel und Anlagenmechaniker in der Sanitär, Heizungs- und Klimatechnik.
Gaststättengewerbe weniger beliebt
Kein Unterschied machen Leinfelden-Echterdingen und Filderstadt hingegen bei den gering nachgefragten Ausbildungsberufen, so Knorpp. Unbeliebt sei ein Beruf immer dann, wenn er in der Sichtweise der Jugendlichen Nachteile mit sich bringe, so der Experte – ob gerechtfertigt oder nicht: So etwa im Hotel und Gaststättengewerbe, im Handwerk oder der Pflege, wo beispielsweise Wochenendarbeit oder Arbeit im Freien gefordert seien. Dennoch blieben tendenziell in diesen Bereichen Ausbildungsplätze nicht unbesetzt, sondern bei den Kaufleuten, im Verkauf oder in Arztpraxen. Hier kann der Bedarf an Azubis also kaum gedeckt werden.
Schaut man direkt in die Unternehmen, zeigt sich ein mitunter hoher Aufwand, der nötig ist, um unter den Lehrstellesuchenden geeignete Bewerber zu finden. So betont Beatrix Kraft, Ausbildungsleiterin bei Roto Frank in Leinfelden, dass das Unternehmen viel Energie ins Ausbildungsmarketing stecke.
Azubi Seraphina Schäfer Foto: Roto Frank
„Wir sind Bildungspartner mehrerer ausgewählter Schulen“, erklärt Kraft. Das schließe beispielsweise Werkbesichtigungen, Workshops für Schulklassen, Schnuppertage, Schülerpraktika und vieles mehr ein. Hinzu käme die Teilnahme an Ausbildungsmessen oder anderen lokalen Veranstaltungen.
„Bedarfsorientiert“ biete Roto Frank am Standort Leinfelden rund zehn Ausbildungsplätze in kaufmännischen und technischen Berufsfeldern an, so die Ausbildungsleiterin. Die Suche nach Auszubildenden beginne dabei etwa ein Jahr im Voraus. „Unbesetzt bleiben bei uns keine Stellen.“
Lehrlinge kommen aus der Umgebung
Wie Seraphina Schäfer und Emir Kalkan, die beide in Filderstadt wohnen, kommen bei Roto Frank die meisten Lehrlinge aus der nahen Umgebung. Gleichwohl haben beide ihren Ausbildungsbetrieb auf ganz unterschiedliche Weise gefunden: Wie die 20-jährige Abiturientin im zweiten Ausbildungsjahr zur Industriekauffrau betont, habe sie sich zum Beispiel auf Empfehlung einer Bekannten bei der Firma Roto Frank beworben.
Anders bei Emir Kalkan, der bei Roto Frank eine Ausbildung zum Industriemechaniker macht. Er hatte das Unternehmen zuvor nicht gekannt. „Ich habe die Stellenausschreibungen über das Arbeitsamt bekommen“, erzählt der 18-Jährige. Voraussetzung für die meisten Ausbildungsstellen bei Roto Frank ist mindestens die Mittlere Reife. „Bei den technischen Ausbildungsberufen kann es auch ein guter Hauptschulabschluss sein“, sagt Kraft.