DruckenTeilen
Das älteste Gebäude Münchens wird auf das Jahr 1261 datiert. Eine Expertin erklärt, welche Funktion es ursprünglich hatte.
München – Bei Ausgrabungen am Marienhof in München haben Archäologen vor über zehn Jahren einen spektakulären Fund gemacht: Das älteste erhaltene Gebäude der Stadt stammt aus dem Jahr 1261. Es handelt sich dabei um einen ursprünglich als Brunnen angelegten Holzschacht, der schon kurz nach seiner Errichtung zu einer Latrine umfunktioniert wurde.
- Münchens ältestes Gebäude aus dem Jahr 1261 wurde bei Ausgrabungen am Marienhof entdeckt.
- Der Holzschacht war als Brunnen konzipiert, wurde aber nach einem Unfall zur Toilette.
- Die Konstruktion kann heute in der Archäologischen Staatssammlung besichtigt werden.
„Der gezimmerte Holzschacht 5 vom Marienhof war eigentlich als Brunnen konzipiert, wurde aber bereits kurze Zeit nach seiner Errichtung zu einer Latrine umfunktioniert“, erklärt Dr. Brigitte Haas-Gebhard. Die Archäologin leitet die Abteilung Mittelalter/Neuzeit in der Archäologischen Staatssammlung München. Die Hölzer, die für den Bau des Brunnens verwendet wurden, stammen aus dem Jahr 1261. „Die Holzstämme wurden aus dem unmittelbaren Alpenvorland über die Isar nach München geflößt“, berichtet Haas-Gebhard.
München und seine Isar: Die schönsten und spektakulärsten Bilder
Fotostrecke ansehen
Die spätere Nutzung als Latrine ergab sich durch einen Unfall. „Möglicherweise schon während seiner Errichtung – oder kurz danach, stürzte eine Kuh in den Brunnen, das Wasser war danach nicht mehr als Trinkwasser brauchbar.“ Im Anschluss sei der Tier-Kadaver mit einer Erdschicht abgedeckt worden und der Schacht bis in das 18. Jahrhundert als Latrine und Abfallgrube verwendet worden.
Im heutigen Zentrum entdeckt: Münchens ältestes Gebäude war als Brunnen konzipiert
Die Entdeckung gelang bei Grabungen in den Jahren 2011 und 2012 zum Ausbau der Zweiten Stammstrecke. „Von Baumaßnahmen unberührte archäologischen Flächen in der Altstadt werden von Tag zu Tag kleiner“, sagt Haas-Gebhard. Aber: „Überraschungen gibt es immer wieder.“
Die ursprüngliche Konstruktion wurde in der Archäologischen Staatssammlung aufgebaut. Ab 17. April können Besucher sie wieder besichtigen. Auch ein zugehöriger Tier-Kadaver ist zu sehen. © Archäologische Staatssammlung, S. Friedrich
Allein bei den Ausgrabungen auf dem Areal des Marienhofes haben Archäologen 17 derartige Schächte entdeckt. „Brunnen und Latrinen, voll mit archäologischem Fundmaterial“, schwärmt die Expertin. Leider seien große Teile des archäologischen Untergrunds in München „unbemerkt zerstört“ worden. Etwa beim U-Bahnbau der 1970er- und 1980er-Jahre, der laut Haas-Gebhard erfolgt sei, „ohne dass Funde geborgen, wissenschaftlich bearbeitet und aufbewahrt wurden“.
„Viele Aspekte aus der Vergangenheit wirken durchaus modern“
„Die Stämme aus Tannen- und Fichtenholz waren in den unteren Lagen so gut erhalten, dass sie nach der Konservierung bis zu einer Höhe von drei Metern wieder original aufgebaut werden konnten“, erklärt Haas-Gebhard. Besichtigen können Münchner die Latrine in der Archäologischen Staatssammlung in der Lerchenfeldstraße. Eine Stahlkonstruktion dient dazu, den Schacht zu stabilisieren. Nach mehreren Jahren der Sanierung hat das Museum im April 2024 wiedereröffnet. Auch das zugehörige Kuh-Skelett ist dort ausgestellt.
Faszinierend sei in Bezug auf die Entdeckungen am Marienhof, dass „viele Aspekte aus der Vergangenheit durchaus modern wirken“. Zum Beispiel das Thema Wohnungsnot in München. Der freigelegte Brunnenschacht 5 sei 1261 schon außerhalb der ersten Stadtmauer errichtet worden. „Noch keine 100 Jahre alt, war München offenbar schon zu klein geworden“, blickt Haas-Gebhard zurück.
Aus den Funden könne man viele weitere Erkenntnisse ableiten. Über die damalige Ernährung der Münchner, ihren Umgang mit Krankheiten, die Struktur und den Wandel von ganzen Stadtvierteln. „Und nicht zuletzt“, sagt Haas-Gebhard, „was eine lebhafte Wirtshausstruktur zur Stadtentwicklung beiträgt“.