Diskriminierung im „Selection Fitness“?

Muslima muss ihren Glauben jetzt vor Gericht beweisen

28.04.2025 – 09:58 UhrLesedauer: 5 Min.

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Eine Frau trägt Kopfhörer und ein Kopftuch (Symbolbild): Einer 29-Jährigen Herzogenratherin wurde das Training im Fitnessstudio mit Sport-Hijab untersagt. (Quelle: IMAGO/Michael Gstettenbauer)

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Gegen das Fitnessstudio Selection Fitness läuft derzeit ein Gerichtsverfahren. Die Klägerin, eine konvertierte Muslima, wirft den Betreibern Diskriminierung vor. Vor Gericht soll sie am Montag beweisen, dass sie eine „echte Muslima“ ist.

Das Selection Fitness in Herzogenrath ist Lara Seilers allererstes Fitnessstudio gewesen. Mehr als zehn Jahre lang trainierte sie dort regelmäßig. Mit 18 Jahren meldete sie sich an – damals trug sie noch kein Kopftuch. Heute, mit 29 Jahren, sieht sich Seiler als Klägerin in einem laufenden Gerichtsverfahren gegen das Studio wieder. Sie wirft den Betreibern Diskriminierung vor – der Fall wird aktuell vor Gericht verhandelt.

Lara Seiler, die eigentlich anders heißt, ist mit 26 Jahren zum Islam konvertiert. Ein Jahr später hat sie für sich die Entscheidung getroffen, auch das Kopftuch zu tragen. Probleme habe es deswegen in ihrem Alltag keine gegeben, sagt sie. Familie und Freunde hätten zwar ein paar Fragen gehabt, hätten der heute 29-Jährigen aber auch viel Verständnis entgegengebracht. Was Diskriminierung ist, wusste die studierte Soziologin zwar; wie demütigend sie sich anfühlen kann, habe sie allerdings erst gelernt, als sie das Herzogenrather Fitnessstudio mit Kopftuch betrat.

„Es war ein Nike-Sport-Kopftuch, ganz so wie das der berühmten Boxerin und deutschen Meisterin im Federgewicht Zeina Nassar“, sagt Seiler. Also ein Kopftuch, das eigens für das Training konzipiert wurde. Normalerweise, sagt Seiler, werde man beim Betreten des Studios freundlich gegrüßt. „An diesem Tag wurden ich und meine Cousine allerdings nur lange komisch angeschaut.“ Seiler konnte das nicht sofort einordnen. Sie erinnert sich aber an ein mulmiges Gefühl in der Umkleidekabine.

Als sie gemeinsam mit ihrer Cousine in Sportklamotten die Trainingsfläche betraten, kam der Trainer, der vorher nur „komisch geschaut“ hatte Seiler zufolge auf sie und ihre Begleiterin zu. Er habe auf ihr Kopftuch gedeutet und laut gesagt, dass sie das ausziehen müsse, dass sie „damit“ nicht trainieren dürfe.

„Das Fitnessstudio war zum Bersten voll an diesem Tag. Alle haben es mitbekommen. Es war superpeinlich“, sagt die Herzogenratherin. Sie fragte, wieso sie nicht im Sport-Hijab trainieren dürfe. Die Antwort, die sie bekommen habe: Weil religiöse Symbole per Hausordnung verboten seien. Um ihr die Hausordnung zu zeigen, habe der Trainer die junge Frau in sein Büro geführt. „Ich lief hinter ihm her und fühlte mich wie eine Aussätzige.“ Während der Trainer die Hausordnung vorlas („Keine religiösen Symbole auf dem gesamten Trainingsgelände”), fiel ihr Blick auf die große Kreuzkette des Mannes, erinnert sich Seiler.

Der Trainer habe der 29-Jährigen dann erklärt, dass das Training in Hijab gefährlich sei. Sie könne dadurch einen Hitzschlag erleiden. Das konnte Seiler nicht nachvollziehen. Schließlich präge das Bild von Männern in Hoodies mit Kapuze den Kraftbereich unzähliger Fitnessstudios. Doch der Trainer ließ sich ihr zufolge nicht auf eine Diskussion ein. Sie habe umgehend das Gelände verlassen sollen. Kurz darauf wurde sie nach eigenen Angaben fristlos gekündigt. „Das ist ein öffentlicher Ort, für den ich seit Jahren Mitgliedsbeiträge gezahlt habe und plötzlich wurde ich weggeschickt wie eine Straftäterin“, erinnert sie sich.

Seiler war vor den Kopf gestoßen. „Ich kannte das damals noch nicht, für mein Aussehen diskriminiert zu werden – weil ich so…“ Sie sucht nach den richtigen Worten: „Weil ich so europäisch aussehe.“ Lara Seiler ist groß, hat blonde lange Haare unter ihrem hellblauen Kopftuch und große blaue Augen.

Noch am selben Tag hat Seiler ein Tiktok-Video aufgenommen, um öffentlich über ihre Erfahrung zu sprechen. „Und das Video ist viral gegangen“, sagt sie. Tausende hätten es geteilt und kommentiert. Viele Nachrichten hätten Seiler erreicht: von Menschen, die berichteten, ähnliche Erfahrungen in einem Selection Fitnessstudio gemacht zu haben.

TikTok-Video geht viral: Gleichbehandlungsbüro schaltet sich ein

Einige schilderten Seiler zufolge, rassistisch beleidigt oder von Trainern diskriminiert worden zu sein. Eine der Nachrichten kam vom Aachener Gleichbehandlungsbüro. Die Selection Fitness-Betreiber hätten wegen Diskriminierung schon häufiger vor Gericht gestanden und seien deswegen auch bereits belangt worden, habe es darin geheißen. Etwa, weil sie einem Menschen aufgrund seiner Hautfarbe den Zutritt zu einem Studio verweigert hätten. Mit dem Gleichbehandlungsbüro an ihrer Seite ist Seiler dann juristisch gegen Selection Fitness vorgegangen. Kräftezehrend sei das gewesen – und das sei es immer noch.