Ministerin der Justiz und für Migration Marion Gentges stellte kürzlich das kindgerechte Vernehmungszimmer am Amtsgericht Karlsruhe vor. Foto: Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg
Ein Gerichtssaal kann einschüchternd wirken, besonders auf Kinder. Mit dem ersten kindergerechten Vernehmungszimmer am Amtsgericht Karlsruhe möchte man junge Zeugen besser schützen.
Wenn Kinder vor Gericht aussagen müssen, geht es meistens um einschneidende Erlebnisse. Die Atmosphäre in einem klassischen Gerichtssaal, geprägt von hohen Decken, dunklen Holzvertäfelungen und der direkten Konfrontation mit der angeklagten Person, kann Kinder zusätzlich belasten. Um dies zu verhindern, hat Justizministerin Marion Gentges am 8. Dezember 2025 in Karlsruhe das erste kindgerechte Vernehmungszimmer vorgestellt.
Geborgenheit statt Gerichtsatmosphäre
Das neue Vernehmungszimmer erinnert kaum noch an die traditionelle Optik der Justiz: Es ist ein heller Raum mit bunten Polstermöbeln und Blumen auf dem Tisch. Durch die kindgerechte Inneneinrichtung soll eine Umgebung geschaffen werden, in der junge Zeugen ihre Aussage in einem geschützten Rahmen machen können. Wichtig ist dabei auch, dass sie räumlich vom Prozessgeschehen und der angeklagten Person getrennt sind. „Wir wollen die Belastung von Kindern und Jugendlichen bei Vernehmungen minimieren“, betonte Ministerin Gentges bei der Eröffnung.
Modernste Technik im Hintergrund
Hinter der wohnlichen Einrichtung des Raumes verbirgt sich modernste Technik. Insgesamt fünf Kameras und einige Mikrofone sind im Raum installiert. Sie sind aber versteckt, sodass sie die Kinder nicht ablenken oder verunsichern. Die Kameras dienen dazu, die Vernehmung unauffällig aufzuzeichnen. Eine Deckenkamera kann auch Zeichnungen auf dem Vernehmungstisch aufzeichnen, um den gesamten Überblick über das Vernehmungszimmer zu bieten. Der Raum ist zugleich digital mit dem Gerichtssaal verbunden. Über Tablets können Richterinnen und Richter mithilfe einer Chat-Funktion Fragen an die vernehmende Person im Zimmer stellen. Ein unsichtbarer Kopfhörer hilft der vernehmenden Person zur einfachen Kommunikation.
Ein Gewinn für den Rechtsstaat
Wofür braucht es aber solche modernen Vernehmungsräume? Ein Kind, das unter Angst leidet, kann sich aktuellen Forschungen zufolge schlechter erinnern und eine Blockade entwickeln. Im geschützten Rahmen soll es Kindern einfacher fallen, schwierige Fragen zu beantworten.
Das Land Baden-Württemberg knüpft mit diesem Pilotprojekt an schon bestehende Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche an. Ein Leitfaden zur Anwendung kindgerechter Kriterien für das Strafverfahren des Bundesministeriums hält bestimmte Schutzmaßnahmen fest. Dazu gehören richterliche Videovernehmungen, die später in der Hauptverhandlung anstelle einer erneuten Befragung verwendet werden können sowie der Ausschluss der Öffentlichkeit oder des Angeklagten. Das kindgerechte Vernehmungszimmer hilft, diese Maßnahmen einfacher und kindgerechter umzusetzen. Das Projekt dient sowohl dem Opferschutz als auch der korrekten Aufklärung von Straftaten.
Das neue Vernehmungszimmer in Karlsruhe ist aktuell noch ein Pilotprojekt. In den kommenden sechs Monaten soll das Konzept evaluiert werden. Danach könnten bald weitere Amtsgerichte in Baden-Württemberg mit solchen spezialisierten Räumen ausgestattet werden.
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