Für 13-Jährige ist das Leben eine Quelle unendlicher Möglichkeiten. In diesem Alter sieht die Welt noch unkompliziert aus, es zählt einzig und allein das Gefühl im Hier und Jetzt. Und im jugendlichen Selbstverständnis besteht auch nicht der Hauch eines Zweifels, dass Teenager-Freundschaften eine Ewigkeit halten.
Knapp dreißig Jahre später stehen Keisha Buchanan, Mutya Buena und Siobhán Donaghy wieder gemeinsam auf der Bühne, als wären die Neunziger nie vergangen. Sie sind die leibhaftige Verkörperung des Versprechens, dass eine Mädchenfreundschaft tatsächlich jeden Sturm übersteht – selbst die Widerstände einer Musikindustrie, für die das Talent junger Frauen eine nie versiegende Ressource ist, die es bis auf den letzten Tropfen auszuquetschen gilt.
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Die Sugababes sind also zurück. In der aktuellen Popmusik, in der die Gegenwart über eine immer kürzere Halbwertzeit verfügt und musikalische Trends umgehend wieder in die Verwertungsmaschinerie eingespeist, um als Retro-Phänomen ausgespuckt werden, ist das tatsächlich eine bemerkenswerte Nachricht.
Pop-Feuilleton und Dudelfunk
Denn wenn etwas dran sein sollte an dem alten Boy- und Girlgroup-Gesetz, dass kein Mitglied über der Band steht, dann ist an den Sugababes in den 2000er Jahren ein Exempel statuiert worden. Zehn Jahre nach dem Überhit „Overload“, auf den sich die Pop-Feuilletonisten in der „Spex“ und Dudelfunk-Redaktionen einigen konnten, war auch das letzte der drei Gründungsmitglieder vom Management vor die Tür gesetzt worden.
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Insofern ist das Konzert der Sugababes am Sonntagabend in der nach einem Essensbringdienst benannten Music Hall kein bloßer Nostalgietrip, auch wenn Buchanan, Buena und Donaghy das Publikum zur Begrüßung auf eine Reise in die Teenagerzeit einladen. Alterstechnisch kommt das sogar hin, Fans aus der Generation Billie Eilish und Olivia Rodrigo gehören an diesem Abend jedenfalls zur Minderheit.
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Doch der Auftritt der Sugababes-Originalbesetzung knüpft im besten Sinn an einen inzwischen 25 Jahre zurückliegenden Moment an, als Buchanan, Buena und Donaghy der aufregendste Pop-Export von den britischen Inseln waren. Der coolere Gegenentwurf zum Kurzzeit-Phänomen Cool Britannia, das die Jungs von Blur und Oasis damals beherrschten.
Die erste gemeinsame Tour seit über 20 Jahren ist also mehr als ein Comeback, man muss sie vor allem als Wiedergutmachung für die verlorenen Jahre verstehen. Und wie eröffnet man die Erinnerungen an die Teenagerzeit angemessener als mit dem Ohrwurm „Overload“, der nichts von seiner ansteckenden Eingängigkeit eingebüßt hat? Die hypnotischen Pop-Harmonien, untermalt mit Hip-Hop-Beats und einer dezenten Surfgitarre, rufen wieder in Erinnerung, dass Buchanan, Buena und Donaghy, die den Hit damals selbst geschrieben haben, eine für ihr Alter wohltemperierte Pop-Sensibilität besaßen.
Freundschaft ist das Leitmotiv
Das Publikum jedenfalls ist von der ersten Minuten an in Stimmung; umso mehr, als auf den Opener mit „Hole in the Head“ und „Red Dress“ weitere Hits folgen – die allerdings schon nicht mehr in der Originalbesetzung entstanden. Die Macht der Marke scheint am Ende wirklich größer als die einzelnen Mitglieder zu sein, obwohl Buchanan, Buena und Donagh mit dieser Tour doch ihre Wiedervereinigung feiern wollen.
Die Band
- Im Alter von 14 Jahren luden die Schulfreundinnen Keisha Buchanan und Mutya Buena die ein Jahr ältere Siobhán Donaghy zu einem Casting ein. Die Sugababes waren geboren
- Nach ihrem ersten Hit „Overload“ von 2000 machte die Band diverse Umbesetzungen durch. Seit 2019 spielen die Gründungsmitglieder nach einem gewonnenen Rechtsstreit wieder unter ihrem alten Namen zusammen
- Das Album „The Lost Tapes“ (2022) enthält die ersten gemeinsamen Aufnahmen seit über 20 Jahren
Oder sie dachten sich schlichtweg, dass sie sich jetzt einfach die Songs zurückholen, die ihnen zustehen. Funktioniert live ganz vortrefflich, besonders für Donaghy, die nach dem Debüt „One Touch“ – und vom Management lancierten Bandstreitigkeiten – als erste ausgestiegen war. Sie übernimmt die Parts ihrer Nachfolgerin Heidi Range (Ex-Atomic-Kitten) mit lässiger Selbstverständlichkeit, womit auch bald ein durchgängiges Motiv des Auftritts durchscheint.
Es geht an diesem Abend weniger um die Wiederbelebung einer Marke, sondern um Freundschaft in einer gnadenlosen Branche. „Wir sind unabhängige Künstlerinnen“, bittet Buena gegen Ende um die Solidarität der Fans. Keine der drei will im Mittelpunkt stehen, ständig werden die Plätze auf der Bühne getauscht und die Zeilen der Freundinnen zu Ende gesungen. Zu „Shade“ sitzen Buchanan, Buena und Donagh auf Stühlen zusammen und erinnern sich an die gemeinsamen schwierigen Phasen. „That a girl’s got more to do / Then be the way you think a woman should“.
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Aus Teenagern sind Frauen geworden, dieses Thema durchzieht den Abend. Leider lässt der Fokus auf die größten Hits – wie die Powerballade „Too Lost in You“ oder „About You Now“, den die Live-Band in einen Riot-Grrrl-Rocker verwandelt – fast ein wenig vergessen, dass die Sugababes auf dem Comebackalbum „The Lost Tapes“ vor drei Jahren ihren ambitionierten Dancepop auch erstaunlich gut in die Gegenwart überführt haben.
„No Regrets“ und „Flatlines“ gehören musikalisch zu den Höhepunkten der Show, und die Coverversion von Sweet Female Attitudes UK-Garage-Hit „Flowers“ zeigt, dass die drei schon immer ein offenes Ohr für die britische Clubmusik hatten. So lässt es sich auch als ehemalige Girlgroup gut altern.