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Der Besitzer des Latin Palace gibt auf. Mit dem Club verschwinden auch die letzten Spuren des legendären Maier Gustl’s aus Frankfurt.
Frankfurt – Und wieder verschwindet ein Stück Zeitgeschichte. Das Latin Palace Changó an der Münchener Straße im Frankfurter Bahnhofsviertel schließt zum Jahresende für immer seine Pforten. Besitzer Ferdinand Hartmann zieht mitsamt seinem Club, der Technik, den Lichtern, dem Inventar nach Kolumbien. Das ist schon traurig genug. Aber mit dem Changó gehen auch die letzten Spuren des legendären Bier- und Tanzlokals Maier Gustl’s verloren. Die hatte Hartmann bislang im Souterrain in einem kleinen Museum ausgestellt.
Changó-Chef Ferdinand Hartmann zieht mit seinem Club nach Kolumbien. © Christoph Boeckheler/Christoph Boeckheler
Aber der Reihe nach. Hartmann, 67 Jahre alt, mag nicht mehr. „25 Jahre in Deutschland, in Frankfurt, reichen“, sagt er. Heute sagt er es recht fröhlich, aber er hat bestimmt auch mal bitter geklungen dabei. Gleich mehrere Gründe führt er an, die ihn zum Aufhören bewegt hätten. „Erstens bin ich in Rente“, sagt er und zwinkert verschwörerisch. Wie ein Rentner sieht er nicht gerade aus, mit seinen langen Haaren, den sportlichen Turnschuhen, der Jeans, dem Harley-Davidson-Kapuzenpullover und dem Harley-Käppi.
„25 Jahre in Deutschland, in Frankfurt, reichen“
Zweitens ist er nicht gut zu sprechen auf die Politik. Die mache es der Gastronomie immer schwerer. Gerade nach der Corona-Pandemie sei es hart gewesen, den Laden wieder in Schwung zu bekommen. „Eine Shisha-Bar kriegt man schnell voll.“ Nicht aber einen Club, in dem Hunderte von Menschen tanzen können. Da hätte er sich schon mehr Unterstützung gewünscht. Zumal er ja internationale Stars in die Stadt gelockt habe.
Er hat sich stets engagiert. 13 Jahre lang durfte die Frankfurter Tafel seine Räume für ihre Ausgabe nutzen. Die ist nun in die Matthäuskirche umgezogen. In der Coronazeit hatte Hartmann ein Impfzentrum eingerichtet, in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt ein unbürokratisches Angebot auf die Beine gestellt, für Migrantinnen und Migranten, auch für Menschen von der Straße. Und er hatte mit dem Institut für Stadtgeschichte die Ausstellung 100 Jahre Bahnhofsviertel aufgehängt. Die geht jetzt zurück ins Archiv.
Harte Türpolitik
Für immer verschwinden wird wohl der alte Schießstand des Maier Gustl’s. Dort ist Hartmanns kleines Museum zu bewundern. Der Oberbayer Gustav Maier hatte das Lokal 1926 eröffnet. Mehrere Eigenheiten machten es rasch populär. Da wäre die große Drehtür zu nennen, ebenfalls der starke Bursche, der hinter der Tür stand und Menschen wieder zur Tür hinausdrehte, die zu betrunken wirkten oder „halbseiden“.
Im Keller konnten Galane ihren Auserwählten eine Plastikblume schießen. © Christoph Boeckheler/Christoph Boeckheler
Drinnen herrschte blauer Dunst und blau-weiße Atmosphäre. Mit einer mindestens zwölf Mann starken Blaskapelle. Natürlich floss Löwenbräu in die Humpen, Seidel oder Maßkrüge. „15 bis 20 Zapfstellen hatten die“, schwärmt Hartmann. Der Chef, der Maier Gustl, ging in Lederhose von Tisch zu Tisch und bot Schnupftabak an. Legendär: Auf den nummerierten Tischen standen Telefone, die es den Anwesenden leichter ermöglichten, Bekanntschaften schließen zu können. Sollten erste zarte Bande enger geknüpft werden, konnte der Mann am Schießstand im Souterrain ein Blümchen für die Auserwählte schießen.
1963 starb Gustav Maier, mit fast 72 Jahren. Er wurde mit urbayrischer Tracht aufgebahrt und zu Grabe getragen. Ferdinand Hartmann hat das alles auf Schautafeln dokumentiert.
Auch seine Ausgrabungen, nicht aus der Römerzeit, sondern von 2010. Da habe er den Club mit Schallschutz ausbauen müssen. Hinter einer Rigipsplatte kamen „Höhlenmalereien“ aus dem Maier Gustl’s zutage. Etwa das Bild eines Mannes mit Fass und angenehmer Gesellschaft in der Badewanne. Hartmann hat alles fotografiert. Und aufgehängt.
Letztlich haben aber immer weniger Tanzwütige den Weg ins Changó gefunden. „Gewagt“, würde Hartmann sagen. Im Frankfurter Bahnhofsviertel gehe es nicht immer angenehm zu. „Ich kann die Leute verstehen, die nicht mehr kommen wollen.“ Jüngst hat draußen wieder der Polizeihubschrauber gekreist, wegen einer Messerstecherei vorm Haus. Jeden Morgen rieche es streng in den Höfen und Hauseingängen, und wenn er den Wagen in seine Einfahrt lenke, werde er auch ab und an angemosert. Dazu schrecke die Drogenszene die Menschen ab.
Das bayrische Tanz- und Bierlokal war eine Institution in Frankfurt. © Christoph Boeckheler/Christoph Boeckheler
Und drittens: Das Wetter. Hartmann lacht wieder. „In Kolumbien ist immer gutes Wetter.“ Er hat schon mit dem Aufbau des neuen Unternehmens begonnen. Es wird ein kleines Hotel-Resort mit Restaurant und Veranstaltungsfläche in La Cumbre, einem Örtchen bei Cali. Da sei es nicht so wild wie etwa in Medelín. Familien sollen dort Ferien machen, Radtouren unternehmen, reiten gehen. „Alle sind freundlich da“, sagt Hartmann. Und alle wollen arbeiten. In Frankfurt habe er zuletzt kein Personal mehr gefunden.
Afghanische Mall
Seine Integration werde kein Problem sein, versichert der Impresario. Seine Frau kommt aus der Region, Spanisch spricht er schon ein bisschen. Auch wenn „mein Hessisch-Gebabbel“ oft für Heiterkeit sorge. Vor Ort lerne man schneller.
Wie es an der Münchener Straße weitergehe, sei schon klar. „Hier kommt eine afghanische Erlebnismall hin.“ Hartmann zeigt ein kleines Filmchen des Architekten. Viel Licht und Stein ist zu sehen, um die 20 kleine Ladenflächen sollen im Gebäude zu finden sein.
Aber erst einmal kommt die Fiesta Final, am Mittwoch, 31. Dezember, ab 20 Uhr.