Seit dem 15. Januar wurde sie getestet, nun wird die elektronische Patientenakte bundesweit eingeführt. Sie soll die Behandlung im Krankheits- oder Notfall entscheidend verbessern.
Die elektronische Patientenakte (ePA) ist – vereinfacht gesagt – eine Art digitaler Aktenordner für Gesundheitsdaten. Sie speichert sensible Patientendaten wie Blutwerte oder die Medikamentenliste. Verbraucherzentralen und Arztpraxen sehen darin auch eine Gefahr. Die Akte könnte anfällig für einen Cyberangriff sein. Das Bundesgesundheitsministerium beruhigt: Die Patientendaten würden sicher auf deutschen Servern gespeichert.
Die elektronische Patientenakte soll die bisher in Praxen und Krankenhäusern abgelegten Patientendaten digital zusammentragen und die Zettelwirtschaft beenden. Laborwerte, Röntgenbilder, Arztbriefe, Befunde und Medikationspläne, aber auch der Impfausweis, der Mutterpass, das Untersuchungsheft für Kinder und das Zahnbonusheft können dann elektronisch archiviert und schnell abgerufen werden. Sowohl Arztpraxen als auch Versicherte selbst können darin Dokumente ablegen.
Ziel ist es, wichtige Informationen zur Gesundheit des Patienten ein Leben lang digital zu speichern, damit sich Ärztinnen und Ärzte schnell einen Überblick über die Krankengeschichte verschaffen können. Auch bei neuen Patienten können Mediziner sofort sehen, was bisher gemacht wurde. Bei der Verschreibung von Medikamenten können sie zudem erkennen, ob unerwünschte Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln drohen. Zudem können unnötige Doppeluntersuchungen vermieden werden. Mit der ePA soll das Gesundheitswesen effektiver, schneller, unbürokratischer und damit auch kostengünstiger werden. Der Austausch von Dokumenten zwischen Arztpraxen, Kliniken und Apotheken soll so erleichtert werden. Alle Fragen rund um die elektronische Patientenakte beantwortet das Bundesgesundheitsministerium hier.
An der ePA wird schon seit rund 20 Jahren gearbeitet. Jetzt wird sie flächendeckend für die mehr als 73 Millionen gesetzlich Versicherten eingeführt. Jahrelang gab es Streit und viel Widerstand bei Ärzten und Datenschützern. Auch technisch war die ePA eine Herausforderung.
Seit 15. Januar haben 70 Millionen gesetzlich Versicherte in ganz Deutschland eine ePA von ihrer Krankenkasse angelegt bekommen. Das Zusammenspiel mit Praxen und Kliniken wurde aber zunächst nur in drei Regionen getestet. 300 Praxen, Apotheken und Kliniken in den drei Modellregionen Hamburg und Umland, Franken und Teilen Nordrhein-Westfalens testeten die ePA bereits im Alltag. Ab dem 29. April kann die ePA in ganz Deutschland genutzt werden – ab Oktober soll sie dann in Arztpraxen und Kliniken verpflichtend werden.
Auch private Krankenversicherungen können eine ePA anbieten. Privat Versicherte müssen allerdings im Gegensatz zu gesetzlich Versicherten aktiv eine elektronische Patientenakte anfordern.
Die jeweilige Krankenkasse stellt ihren Mitgliedern eine App für die Patientenakte zur Verfügung. Die Patienten haben nur über die von ihnen heruntergeladene App Zugriff auf ihre Dokumente. Es gibt auch eine App-Version für den PC oder Laptop. Mit der App kann man Dokumente hochladen, anzeigen, verbergen und löschen. Ebenso können die Besitzer Zugriffsberechtigungen und Zugriffsdauer von Ärzten und Apothekern festlegen. Es ist auch möglich, einer Stellvertreterin oder einem Stellvertreter – etwa nahen Angehörigen – den Zugriff auf die ePA zu erlauben. Bei einem Wechsel der Krankenkasse erfolgt die Übernahme der Daten automatisch.
Digitalbotschafter in RLP – Tipps und Hilfe zur ePA für Ältere
Die elektronische Patientenakte soll auch älteren Menschen, die regelmäßig Ärzte aufsuchen, einen besseren Überblick über ihre Befunde, Röntgenbilder, Diagnosen und unterschiedlichen Medikamente liefern. Gerade Senioren sind jedoch mit der Nutzung von Handys, Laptops und Apps nicht immer vertraut und sicher im Umgang. Zusammen mit der Medienanstalt Rheinland-Pfalz als Trägerin des Vorhabens hat die Landesregierung das Projekt ePA-Coaches ins Leben gerufen. Extra dafür ausgebildete Trainer sollen beim Einrichten und Bedienen der ePA helfen und Hürden abbauen.
Die älteren Menschen werden dabei unterstützt, ihre digitale Patientenakte einzurichten und die grundlegenden Funktionen zu verstehen. Die Coaches helfen dabei, die ePA im Alltag effektiv zu nutzen und Vertrauen in die neue Technologie aufzubauen.
Die rheinland-pfälzische Landesregierung fördert das Projekt für eine Dauer von zwei Jahren mit insgesamt 250.000 Euro. Rund 100 ehrenamtliche Digital-Botschafter haben sich bereits für die Zusatzqualifizierung angemeldet.
Versicherte, die keine App bedienen können oder wollen, sollen dennoch von den Vorteilen der elektronischen Patientenakte profitieren. Denn beim Arzt wären sie ebenfalls abrufbar. Zudem kann die E-Akte auch über einen PC genutzt, in ausgewählten Apotheken eingesehen oder von Berechtigten – zum Beispiel einem Familienmitglied – geführt werden.
Versicherte müssen sich bei erstmaliger Anmeldung in der ePA-App ihrer Krankenkasse entweder mit ihrem elektronischen Personalausweis und PIN oder ihrer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und der dazugehörigen PIN authentifizieren. Alternativ wird die Erstauthentifizierung auch in der Apotheke möglich sein. Für nachfolgende Logins können Versicherte aktiv entscheiden, welche Identifizierung sie nutzen (z. B. Gesichtserkennung). Ärztinnen und Ärzte benötigen für den Zugriff ihren Heilberufsausweis und ebenfalls eine PIN.
Ja. Über die Möglichkeiten des Widerspruchs sollen die Krankenkassen ihre Versicherten informieren. Dabei sollen die Kassen „einfache und barrierefreie Verfahren“ anbieten, durch die jederzeit widersprochen werden kann.
Bisher mussten Patienten ausdrücklich zustimmen (Opt-in-Verfahren), wenn sie eine ePA haben wollten. Künftig gilt die sogenannte Widerspruchslösung (Opt-out): Jeder, der nicht ausdrücklich Nein sagt, ist automatisch mit dabei. Ein Widerspruch kann allerdings auch wieder rückgängig gemacht werden. Genauso funktioniert es umgekehrt – wer zunächst zugestimmt hat, kann das widerrufen, dann wird die Akte gelöscht.
Alle gesetzlich Versicherten haben einen Anspruch auf eine ePA. Das gilt auch für Kinder und Jugendliche. Einen möglichen Widerspruch erklärt in diesem Fall der gesetzliche Vertreter, also in der Regel die Eltern. Ab Vollendung des 15. Lebensjahrs können Jugendliche ihre Widerspruchsrechte auch selbst ausüben.
Die Daten gehören den Patienten. Sie können deshalb auch bestimmen, ob und welche Informationen in der ePA gespeichert werden und auch, welche wieder gelöscht werden sollen. Patienten können auch entscheiden, dass der Arzt in die Patientenakte nur hineinschreibt, aber nicht sieht, was dort schon enthalten ist. Sie können auch vorgeben, ob sie die Daten entweder nur für die aktuelle Behandlung oder für einen längeren Zeitraum, zum Beispiel in der Hausarztpraxis, freigeben.
Patientinnen und Patienten sollen auch bestimmen, ob aus ihrer Sicht vielleicht problematische Informationen wie psychische Erkrankungen oder ein Schwangerschaftsabbruch in der ePA stehen dürfen. Deshalb können sie verschiedene Vertraulichkeitsstufen einstellen.
Der Zugriff auf die ePA erfolgt über die Telematikinfrastruktur, eine Datenautobahn des Gesundheitswesens, die in sich geschlossen und sicher sein soll. Niemand außer der oder dem Versicherten und denjenigen, die von diesen zum Zugriff berechtigt wurden, können die Inhalte lesen, auch die Krankenkassen nicht. Sie sollen weiterhin nur Zugriff auf die Abrechnungsdaten haben. Datenschützer verweisen jedoch auf mögliche Hacker-Angriffe.
Ja. Ein Ziel der Reform ist es, der Pharmaforschung in Deutschland durch die umfassende Bereitstellung von Patientendaten einen Schub zu geben. Auch für die Verbesserung der Versorgung und statistische Zwecke dürfen sie verwendet werden. Allerdings werden die Daten dabei mit Pseudonymen versehen, können den Patienten also nicht mehr direkt zugeordnet werden. Noch-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) versicherte, es sei „kein Missbrauch möglich“. Wenn man seine Daten nicht bereitstellen will, kann man in der ePA-App auch widersprechen.
Deutschland
Gesundheit
Das bringt die elektronische Patientenakte für die Forschung
Am 15. Januar kommt die ePA – die elektronische Patientenakte. Sie soll die Behandlung und die medizinische Forschung vereinfachen.
Der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim sieht Fortschritte bei den Regelungen zur Nutzung von Gesundheitsdaten etwa für klinische Studien in Deutschland, bemängelt aber eine schleppende Umsetzung eines neuen Gesetzes. Das im März dieses Jahres in Kraft getretene Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten sei wichtig und richtig, sagte Deutschlandchef Fridtjof Traulsen in Biberach.