Bei der Grabungsstelle handelt es sich um den größten römischen Pferdefriedhof Süddeutschlands
(Bild: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/ArchaeoBW )
Bei Ausgrabungen wurden Überreste einer römischen Reitereinheit gefunden. Die Funde werfen ein neues Licht auf die römische Geschichte in Südwestdeutschland. Ein Überblick.
Bei Bauarbeiten für ein Neubauprojekt in Stuttgart haben Archäologen eine spektakuläre Entdeckung gemacht: Rund hundert Pferdeskelette aus der Zeit der römischen Besatzung im 2. Jahrhundert nach Christus kamen ans Tageslicht.
Spuren der Römerzeit
Laut einer Mitteilung des Landesamts für Denkmalpflege Stuttgart gehörten die Tiere zu einer Reitereinheit, die auf dem Hallschlag im heutigen Bezirk Bad Cannstatt stationiert war. „Bad Cannstatt war in der ersten Hälfte des. 2. Jahrhunderts nach Christus einer der wichtigsten römischen Militärstandorte im heutigen Südwestdeutschland“, erklärt das Landesamt.
Die hier stationierte Reitereinheit, eine sogenannte „Ala“, habe vermutlich über 700 Pferde umfasst. Verendete Tiere seien damals mit Abstand zur Siedlung begraben worden. Bereits 1920 war der Ort beim Bau von Wohnblöcken nach ersten Funden von Pferdeskeletten als Pferdefriedhof identifiziert worden.
Die aktuellen Grabungen, die ab Juli 2024 im Zuge des Neubauprojekts erfolgten, bestätigten diese Deutung nun eindrucksvoll. Bei der Entdeckung handle es sich um den „größten römerzeitlichen Pferdefriedhof“ in Süddeutschland.
Reitereinheit mit knapp 500 Reitern
„Aufgrund des archäologisch-historischen Kenntnisstandes zum römischen Bad Cannstatt lassen sich die Pferde der Reitereinheit zuweisen, die von circa 100 bis 150 nach Christus auf dem Hallschlag stationiert war“, sagt die zuständige Archäologin Sarah Roth.
Die Truppe habe knapp 500 Reiter umfasst und dürfte einen Gesamtpferdebestand von wenigstens 700 Tieren gehabt haben. „Verluste mussten dabei ständig ersetzt werden“, so Roth. Die meisten der nun gefundenen Pferde seien jedoch nicht alle bei einer einzelnen Schlacht oder Seuche gestorben, vermutet die Archäologin.
„Vielmehr liegen hier die Tiere, die während der Anwesenheit der Ala in Bad Cannstatt durch Krankheit, Verletzungen oder aus anderen Gründen entweder starben oder ihrer Aufgabe als Militärpferd nicht mehr nachkamen.“
Die Kadaver wurden demnach rund 200 Meter entfernt von den menschlichen Siedlungen in flache Gruben geschleift und dort mit ausgestreckten oder angewinkelten Beinen abgelegt. In den meisten Fällen wurden die toten Tiere eher „entsorgt“ als würdevoll bestattet, heißt es in der Mitteilung.
Besondere Verbundenheit zwischen Reiter und Pferd
Bei wenigen Pferden gab es jedoch Ausnahmen: Einem Tier waren zum Abschied gleich zwei Krüge und eine kleine Öllampe beigelegt worden – Grabbeigaben, wie sie ansonsten nur bei menschlichen Bestattungen üblich waren.
„Hier sehen wir eine besonders enge Verbundenheit des Besitzers zu seinem Pferd. Auch nach rund 1800 Jahren ist die Trauer über den Tod dieses einen Tieres noch ersichtlich“, kommentiert Roth den ungewöhnlichen Fund.
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Überraschenderweise stießen die Forscher zwischen den Pferdeskeletten auch auf die sterblichen Überreste eines erwachsenen Mannes. Bei ihm habe es sich offenbar um einen „Außenseiter“ der damaligen Gesellschaft gehandelt, heißt es.
Neue Erkenntnisse über Ernährung und Herkunft
Die Archäologen wollen die römischen Pferdeskelette vom Cannstatter Hallschlag nun eingehend untersuchen. Dabei erhoffen sie sich neue Erkenntnisse über die Haltung und Ernährung der Tiere, aber auch über deren Geschlecht, Sterbealter und Größe.
Spannend sei zudem die Frage, woher die Pferde ursprünglich stammten und ob sie möglicherweise in der näheren Umgebung gezüchtet wurden, sagt Roth. Die Untersuchungen sollen so dazu beitragen, die Geschichte der römischen Militärpräsenz im heutigen Baden-Württemberg weiter zu erhellen.